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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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der Türken jener lange glückliche Kampf knüpfte, durch welchen Oestreich erst
eigentlich Herr von Ungarn geworden ist, so war dem Kaiser an diesem
Kampfe ungleich mehr gelegen als an der Bekämpfung der französischen An¬
maßungen im Westen. Gern überließ er diese Aufgabe, der Hauptsache nach'
seinen Bundesgenossen: Spanien, Holland und -- nachdem die Revolution
von 1688 auf die Seite von Frankreichs Gegnern auch England gebracht
hatte -- diesem letzteren Staate, Als es dann, eben im Jahre 1688, zu
einem neuen, allgemeinen Kriege gegen Ludwig XIV. kam, figurirte unter
den Anklagepunkten allerdings auch die Straßburger That. Nicht in solchem
Maße, wie aus den früheren Kriegen, ist nun Ludwig aus diesem Kriege
der Achtziger- und Neunziger-Jahre als der Sieghafte und Uebermächtige
hervorgegangen. Was er aber im Elsaß gewonnen, auch Straßburg, hielt
er in dem Ryswiker Frieden (1697) fest. Den ausschlaggebenden Mächten
des Congresses, den Engländern und Holländern, lagen natürlich andere
Punkte ungleich mehr am Herzen, als daß sie ihre volle Kraft auf Bewäl¬
tigung des festen Widerstandes hätten werden sollen, welchen in diesem
die französische Diplomatie zu leisten sich entschlossen zeigte.

Besiegelte aber dieser Frieden an der Einen Stelle neue, von Deutsch¬
land erlittene Einbußen, so schien er dafür in unmittelbarer Nachbarschaft
eine Genugthuung und eine Wiederherstellung zu bringen. Wir kommen
hier auf Lothringen zurück. Aus der Betheiligung der lothringischen Herzoge
an dem Factionswesen von Frankreichs Hof und Aristokratie war nämlich,
schon seit den Dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts, ein arges Zerwürf-
niß zwischen ihnen und den französischen Regierungskreisen hervorgegangen.
Hätte das deutsche Reich überhaupt einen politischen Körper ausgemacht
fähig eine Anziehungskraft zu üben auf das, was sich anderwärts abgestoßen
fühlte, -- hier wäre die beste Gelegenheit gewesen, die Bande, welche Loth¬
ringen mit dem Reiche zusammenhielten, wieder enger zu knüpfen. Aber
nur im Anschluß an die Habsburger, anfangs mehr an die spanischen und
später an die in Deutschland, suchten die Herzoge ihr Heil, und dem Reich
als solchem kam nichts davon zu Gute. Ihr Land war bis gegen Aus¬
gang deS Jahrhunderts ungefähr ebenso oft in der Gewalt Frankreichs als
in ihrer eigenen; obwohl es durchaus nicht französisch werden wollte, wurde
es doch keineswegs näher an Deutschland herangebracht. Oestreich allerdings
hat seinen Beziehungen zu dem Herzogshause nicht Geringes zu verdanken
gehabt -- vor Allem die werthvollen Dienste des berühmten Karl von
Lothringen, des Türkenbekämpfers, Borgängers eines Ludwig von Baden und
Prinzen Eugen auf jener Bahn, die zur Eroberung Ungarns führte.

Da war es nun der Friede von Ryswik, der das Herzogshaus nach
langjähriger Verbannung noch einmal in den Besitz des Landes und unter


der Türken jener lange glückliche Kampf knüpfte, durch welchen Oestreich erst
eigentlich Herr von Ungarn geworden ist, so war dem Kaiser an diesem
Kampfe ungleich mehr gelegen als an der Bekämpfung der französischen An¬
maßungen im Westen. Gern überließ er diese Aufgabe, der Hauptsache nach'
seinen Bundesgenossen: Spanien, Holland und — nachdem die Revolution
von 1688 auf die Seite von Frankreichs Gegnern auch England gebracht
hatte — diesem letzteren Staate, Als es dann, eben im Jahre 1688, zu
einem neuen, allgemeinen Kriege gegen Ludwig XIV. kam, figurirte unter
den Anklagepunkten allerdings auch die Straßburger That. Nicht in solchem
Maße, wie aus den früheren Kriegen, ist nun Ludwig aus diesem Kriege
der Achtziger- und Neunziger-Jahre als der Sieghafte und Uebermächtige
hervorgegangen. Was er aber im Elsaß gewonnen, auch Straßburg, hielt
er in dem Ryswiker Frieden (1697) fest. Den ausschlaggebenden Mächten
des Congresses, den Engländern und Holländern, lagen natürlich andere
Punkte ungleich mehr am Herzen, als daß sie ihre volle Kraft auf Bewäl¬
tigung des festen Widerstandes hätten werden sollen, welchen in diesem
die französische Diplomatie zu leisten sich entschlossen zeigte.

Besiegelte aber dieser Frieden an der Einen Stelle neue, von Deutsch¬
land erlittene Einbußen, so schien er dafür in unmittelbarer Nachbarschaft
eine Genugthuung und eine Wiederherstellung zu bringen. Wir kommen
hier auf Lothringen zurück. Aus der Betheiligung der lothringischen Herzoge
an dem Factionswesen von Frankreichs Hof und Aristokratie war nämlich,
schon seit den Dreißiger Jahren des 17. Jahrhunderts, ein arges Zerwürf-
niß zwischen ihnen und den französischen Regierungskreisen hervorgegangen.
Hätte das deutsche Reich überhaupt einen politischen Körper ausgemacht
fähig eine Anziehungskraft zu üben auf das, was sich anderwärts abgestoßen
fühlte, — hier wäre die beste Gelegenheit gewesen, die Bande, welche Loth¬
ringen mit dem Reiche zusammenhielten, wieder enger zu knüpfen. Aber
nur im Anschluß an die Habsburger, anfangs mehr an die spanischen und
später an die in Deutschland, suchten die Herzoge ihr Heil, und dem Reich
als solchem kam nichts davon zu Gute. Ihr Land war bis gegen Aus¬
gang deS Jahrhunderts ungefähr ebenso oft in der Gewalt Frankreichs als
in ihrer eigenen; obwohl es durchaus nicht französisch werden wollte, wurde
es doch keineswegs näher an Deutschland herangebracht. Oestreich allerdings
hat seinen Beziehungen zu dem Herzogshause nicht Geringes zu verdanken
gehabt — vor Allem die werthvollen Dienste des berühmten Karl von
Lothringen, des Türkenbekämpfers, Borgängers eines Ludwig von Baden und
Prinzen Eugen auf jener Bahn, die zur Eroberung Ungarns führte.

Da war es nun der Friede von Ryswik, der das Herzogshaus nach
langjähriger Verbannung noch einmal in den Besitz des Landes und unter


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/285>, abgerufen am 26.06.2024.