Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.denster Ansicht und Stellung, unter Aristokraten und Volk, unter KalHoli¬ Das aber erkennen wir: daß die Begebenheiten in Lothringen auf andere denster Ansicht und Stellung, unter Aristokraten und Volk, unter KalHoli¬ Das aber erkennen wir: daß die Begebenheiten in Lothringen auf andere <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0279" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124429"/> <p xml:id="ID_809" prev="#ID_808"> denster Ansicht und Stellung, unter Aristokraten und Volk, unter KalHoli¬<lb/> schen und Protestantischen auf Eines hinzuarbeiten verstand: die Entschlu߬<lb/> kraft zu einem einmüthigen Widerstande zu lahmen. Nur so konnte eine<lb/> plumpe List gelingen, in Folge deren die Einwohner, in der Meinung, blos<lb/> den Besuch des französischen Connetable und einer militärischen Ehrenbeglei¬<lb/> tung zu empfangen, sich plötzlich von einem ansehnlichen Heere überrumpelt<lb/> sahen, das durch die geöffneten Thore eindrang. Der französische König aber,<lb/> am 18. April in Person herankommend, legte alsbald die deutlichsten Be¬<lb/> weise an den Tag, wie er sein „Reichsvicariat" über die Städte auffaßte.<lb/> Mit äußerster Willkür schaltete er über die Verhältnisse derselben, vor Allem<lb/> die deutsche Partei unterdrückend. „Ein Feind statt des Freundes ist er,<lb/> als ob er Schützer und Helfer sein wollte, in Deutschland eingebrochen und<lb/> hat verrätherisch und mit jeder Treulosigkeit Metz, Toul und Verdun, einst<lb/> den Schlüssel des heil. Reiches, stattlichste freie Städte, sich anzueignen ge¬<lb/> wagt." So die Worte eines deutschen Schriftstellers jener Tage. Mit<lb/> grimmigem Hohne schilt denselben freilich ein französischer Zeitgenoß als<lb/> trunkenen Pedanten, der das Wesen dieser Unternehmung gar nicht gekannt;<lb/> denn alle Treulosigkeit, wofern solche dabei im Spiele gewesen, sei von den<lb/> Fürsten der deutschen Nation selbst ausgegangen (peäant ^vroZliö, isnoraot<lb/> nit koiiZs as eests evtreprise; es-r toute Is. xerüäie, s'it co avoit g>uoulle.<lb/> xrovövoit ach xriuees as sa ostio»)!</p><lb/> <p xml:id="ID_810" next="#ID_811"> Das aber erkennen wir: daß die Begebenheiten in Lothringen auf andere<lb/> Städte des deutschen Westens nicht den Eindruck hervorgebracht hatten, um<lb/> sie nach französischer Befreiung und Beglückung lüstern zu machen. Im<lb/> Mai stieg der König über die Vogesen hinüber nach dem Elsaß, von „der<lb/> Eroberung Austrasiens" redend, die er zu vollenden gedenke. Gar erwünscht<lb/> wäre es ihm gewesen, unter den „anderen ähnlichen Städten", von denen<lb/> sein Vertrag mit den deutschen Fürsten sprach, auch die Perle des Oberrheins,<lb/> das herrliche Straßburg, einen Platz finden zu lassen. Straßburg aber fühlte<lb/> sich weder durch den confessionellen Gegensatz, in welchem es sich zum Kaiser<lb/> befand, noch durch die drohende Nähe des französischen Königs veranlaßt,<lb/> Sicherheit vor dem Kaiser oder vor dem Könige selbst durch Unterwerfung<lb/> unter den Letzteren zu suchen. Auf einen hinterlistigen UeberrumpelungS-<lb/> anschlag, ähnlich wie er zu Metz gelungen, antwortete das Geschütz der Stadt<lb/> so verständlich, daß man sich bescheiden mußte, die französischen Rosse aus<lb/> dem „berühmten" Rheinstrom getränkt zu haben und im Uebngen unver-<lb/> richteter Sache davonzureiten. Zu Speyer entwickelten zwar die Rathsherren<lb/> eine anerkennenswerthe Geduld in Anhörung der wohlklingenden Rede des<lb/> französischen Abgesandten; wie aber auch hier ein Wunsch vorgebracht wurde:<lb/> nur um dem französischen König einen Respect zu bezeigen, möchte man das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0279]
denster Ansicht und Stellung, unter Aristokraten und Volk, unter KalHoli¬
schen und Protestantischen auf Eines hinzuarbeiten verstand: die Entschlu߬
kraft zu einem einmüthigen Widerstande zu lahmen. Nur so konnte eine
plumpe List gelingen, in Folge deren die Einwohner, in der Meinung, blos
den Besuch des französischen Connetable und einer militärischen Ehrenbeglei¬
tung zu empfangen, sich plötzlich von einem ansehnlichen Heere überrumpelt
sahen, das durch die geöffneten Thore eindrang. Der französische König aber,
am 18. April in Person herankommend, legte alsbald die deutlichsten Be¬
weise an den Tag, wie er sein „Reichsvicariat" über die Städte auffaßte.
Mit äußerster Willkür schaltete er über die Verhältnisse derselben, vor Allem
die deutsche Partei unterdrückend. „Ein Feind statt des Freundes ist er,
als ob er Schützer und Helfer sein wollte, in Deutschland eingebrochen und
hat verrätherisch und mit jeder Treulosigkeit Metz, Toul und Verdun, einst
den Schlüssel des heil. Reiches, stattlichste freie Städte, sich anzueignen ge¬
wagt." So die Worte eines deutschen Schriftstellers jener Tage. Mit
grimmigem Hohne schilt denselben freilich ein französischer Zeitgenoß als
trunkenen Pedanten, der das Wesen dieser Unternehmung gar nicht gekannt;
denn alle Treulosigkeit, wofern solche dabei im Spiele gewesen, sei von den
Fürsten der deutschen Nation selbst ausgegangen (peäant ^vroZliö, isnoraot
nit koiiZs as eests evtreprise; es-r toute Is. xerüäie, s'it co avoit g>uoulle.
xrovövoit ach xriuees as sa ostio»)!
Das aber erkennen wir: daß die Begebenheiten in Lothringen auf andere
Städte des deutschen Westens nicht den Eindruck hervorgebracht hatten, um
sie nach französischer Befreiung und Beglückung lüstern zu machen. Im
Mai stieg der König über die Vogesen hinüber nach dem Elsaß, von „der
Eroberung Austrasiens" redend, die er zu vollenden gedenke. Gar erwünscht
wäre es ihm gewesen, unter den „anderen ähnlichen Städten", von denen
sein Vertrag mit den deutschen Fürsten sprach, auch die Perle des Oberrheins,
das herrliche Straßburg, einen Platz finden zu lassen. Straßburg aber fühlte
sich weder durch den confessionellen Gegensatz, in welchem es sich zum Kaiser
befand, noch durch die drohende Nähe des französischen Königs veranlaßt,
Sicherheit vor dem Kaiser oder vor dem Könige selbst durch Unterwerfung
unter den Letzteren zu suchen. Auf einen hinterlistigen UeberrumpelungS-
anschlag, ähnlich wie er zu Metz gelungen, antwortete das Geschütz der Stadt
so verständlich, daß man sich bescheiden mußte, die französischen Rosse aus
dem „berühmten" Rheinstrom getränkt zu haben und im Uebngen unver-
richteter Sache davonzureiten. Zu Speyer entwickelten zwar die Rathsherren
eine anerkennenswerthe Geduld in Anhörung der wohlklingenden Rede des
französischen Abgesandten; wie aber auch hier ein Wunsch vorgebracht wurde:
nur um dem französischen König einen Respect zu bezeigen, möchte man das
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