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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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d. i. Johann Friedrichs und Landgraf Philipps); auf dem Titel des
Aufschreibens erblickte man den Hut der Freiheit zwischen zwei Dolchen,
welche an Brutus und an den Dictator Julius Cäsar erinnern sollten. Mit
gleißnerischer, salbungsreicher Hervorhebung seiner christlichen Denkungsart
und seiner bisherigen Thaten beschuldigte Heinrich den Kaiser als Urheber
des englischen Krieges und geheimer Praktiken, was er jedoch friedfertig ge¬
duldet, bis die Klagen der deutschen Stände über die unerträgliche Tyrannei
Karls, der das Reich unter dem Vorwande der Religionsvergleichung in
ewige Dienstbarkeit bringen wollte, an ihn gelangt seien. Wegen seines ge¬
meinsamen Ursprungs mit den Deutschen, der Sittengleichheit beider Natio¬
nen und der alten Freundschaft unter ihnen und weil des Reiches Dienst¬
barkeit nicht ohne Schaden seiner Krone und der Christenheit geschehe, sei
ihm Solches zu vernehmen höchst beschwerlich gewesen; doch habe er nicht
dem zerstreuten Reiche seine Hand zu bieten gewußt, bis nach Gottes Fügung
der Herzog von Parma den Schutz des Königs nachgesucht habe. In Folge
dessen sei er von vielen Ständen des heiligen Reichs um ein christliches Ver¬
ständniß zur Errettung der deutschen Freiheit angegangen worden und habe
er. die Klagen der Deutschen nach Gebühr würdigend, ihnen seine Hilfe nicht
versagen wollen .... So habe Heinrich denn den Entschluß gefaßt, alle
seine Macht, Freunde und seine eigene Person mit den Deutschen daran¬
zusetzen. Weil er wegen solcher Wohlthat eine ewige Dankbarkeit, Verpflich¬
tung und Gedächtniß zu erlangen hoffe, bezeuge er hiermit bei Gott dem
Allmächtigen, daß er aus diesem mühsamen Vornehmen, großen Kosten, Ge¬
fahr und Sorge für seine Person keinen anderen Nutzen oder Ge¬
winn suche, als daß er aus freiem, königlichem Gemüthe die Freiheit deut¬
scher Nation und des heil. ron. Reiches zu fördern, die Fürsten aus der er¬
bärmlichen Dienstbarkeit zu befreien, den Herzog von Sachsen (Johann Fried¬
rich) und den Landgrafen ihres Gefängnisses zu erledigen, und hierdurch
einen unsterblichen Namen, wie vordem Flaminius in Griechenland, zu er¬
langen gedenke. Niemand solle deshalb Gewalt befürchten, weil er den Krieg
nur deshalb unternommen habe, einem Jeden seine verlorenen Rechte, Ehren,
Güter und Freiheit wieder zu verschaffen."

Die erste Handlung des erhabenen Freiheitsverkündigers bestand darin,
daß er den unmündigen Herzog von Lothringen seiner Mutter, einer Habs¬
burgischen Prinzessin, hinwegnahm, ihn nach Paris schickte, in dem Lande
eine französische Administration einrichtete. Von den Städten, auf welche
das Absehen des Königs ging, waren Toul und Verdun nicht in der Lage.
Widerstand zu leisten. Das Meiste war an Metz gelegen. Hier gab es
Parteiungen und Wirrsale, inmitten derer der Bischof der Stadt, Cardinal
Robert von Lenoncourt, mit höchster Durchtriebenheit unter Leuten verfehle-


d. i. Johann Friedrichs und Landgraf Philipps); auf dem Titel des
Aufschreibens erblickte man den Hut der Freiheit zwischen zwei Dolchen,
welche an Brutus und an den Dictator Julius Cäsar erinnern sollten. Mit
gleißnerischer, salbungsreicher Hervorhebung seiner christlichen Denkungsart
und seiner bisherigen Thaten beschuldigte Heinrich den Kaiser als Urheber
des englischen Krieges und geheimer Praktiken, was er jedoch friedfertig ge¬
duldet, bis die Klagen der deutschen Stände über die unerträgliche Tyrannei
Karls, der das Reich unter dem Vorwande der Religionsvergleichung in
ewige Dienstbarkeit bringen wollte, an ihn gelangt seien. Wegen seines ge¬
meinsamen Ursprungs mit den Deutschen, der Sittengleichheit beider Natio¬
nen und der alten Freundschaft unter ihnen und weil des Reiches Dienst¬
barkeit nicht ohne Schaden seiner Krone und der Christenheit geschehe, sei
ihm Solches zu vernehmen höchst beschwerlich gewesen; doch habe er nicht
dem zerstreuten Reiche seine Hand zu bieten gewußt, bis nach Gottes Fügung
der Herzog von Parma den Schutz des Königs nachgesucht habe. In Folge
dessen sei er von vielen Ständen des heiligen Reichs um ein christliches Ver¬
ständniß zur Errettung der deutschen Freiheit angegangen worden und habe
er. die Klagen der Deutschen nach Gebühr würdigend, ihnen seine Hilfe nicht
versagen wollen .... So habe Heinrich denn den Entschluß gefaßt, alle
seine Macht, Freunde und seine eigene Person mit den Deutschen daran¬
zusetzen. Weil er wegen solcher Wohlthat eine ewige Dankbarkeit, Verpflich¬
tung und Gedächtniß zu erlangen hoffe, bezeuge er hiermit bei Gott dem
Allmächtigen, daß er aus diesem mühsamen Vornehmen, großen Kosten, Ge¬
fahr und Sorge für seine Person keinen anderen Nutzen oder Ge¬
winn suche, als daß er aus freiem, königlichem Gemüthe die Freiheit deut¬
scher Nation und des heil. ron. Reiches zu fördern, die Fürsten aus der er¬
bärmlichen Dienstbarkeit zu befreien, den Herzog von Sachsen (Johann Fried¬
rich) und den Landgrafen ihres Gefängnisses zu erledigen, und hierdurch
einen unsterblichen Namen, wie vordem Flaminius in Griechenland, zu er¬
langen gedenke. Niemand solle deshalb Gewalt befürchten, weil er den Krieg
nur deshalb unternommen habe, einem Jeden seine verlorenen Rechte, Ehren,
Güter und Freiheit wieder zu verschaffen."

Die erste Handlung des erhabenen Freiheitsverkündigers bestand darin,
daß er den unmündigen Herzog von Lothringen seiner Mutter, einer Habs¬
burgischen Prinzessin, hinwegnahm, ihn nach Paris schickte, in dem Lande
eine französische Administration einrichtete. Von den Städten, auf welche
das Absehen des Königs ging, waren Toul und Verdun nicht in der Lage.
Widerstand zu leisten. Das Meiste war an Metz gelegen. Hier gab es
Parteiungen und Wirrsale, inmitten derer der Bischof der Stadt, Cardinal
Robert von Lenoncourt, mit höchster Durchtriebenheit unter Leuten verfehle-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/278>, abgerufen am 26.06.2024.