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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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darf. Aus jedem glücklichen und talentvollen Soldaten fürchtet er unter
besonderen Umständen einen Nebenbuhler hervorgehen zu sehen. Seine Macht
beruhte auf der Treue der Armee. Aber es war keine leichte Ausgabe, die
Armee richtig zu behandeln. Beschäftigen mußte er sie häufig, damit ihm
die Maschine nicht einrostete und sie sich nicht zu sehr den gefährlichen bür¬
gerlichen Einflüssen hingäbe. Ebensowenig aber durfte er sie in ununter¬
brochener Anspannung halten; das kann ungestraft nur ein Herrscher, dessen
Macht fest begründet ist (wie z. B. Ludwig XIV.) oder ein Feldherr wie
der erste Napoleon. Also: keine zu langen Friedenspausen, kurze, aber glück¬
liche Kriege! Napoleon III. ist nicht zum Weltstürmer geboren -- dazu ist
er zu wenig Feldherr -- aber sein Naturell, wie die Bedingungen seiner
Stellung machen ihn zum privtlegirten Friedensstörer. Er geht in den
Krieg aus Berechnung, um der egoistischen Zwecke willen -- grade wie er
aus Berechnung, um als Gesellschaftsretter zu erscheinen und dadurch feine
Usurpation zu rechtfertigen, am 2. Dezember einen Aufstand in Blut erstickte,
dessen Ausbruch er durch Aussendung einiger starker Patrouillen ohne Mühe
hätte verhindern können.


G. Z-


Elsaß und Lothringen.

So oft Deutschland und Frankreich einander mit den Waffen in der
Hand gegenüberstehn, so werden allezeit neben tausend Erinnerungen an
frühere Kämpfe auch Erinnerungen und Ansprüche an Gebiete wach wer¬
den, welche die eine der beiden Nationen durch die andere, gegen natürliches
oder geschichtliches Recht, sich vorenthalten glaubt. Uns Deutschen klingen
sogleich zwei Namen im Ohr -- Lothringen und Elsaß. Mochten in gemei¬
nen Zeitläuften Viele von uns ohne sonderliche Gemüthserregung die mit
diesen beiden Namen bezeichneten Landschaften auf der Karte Frvnkreichs
eingetragen finden -- sobald von jener Seite der gierige Blick auf das¬
jenige fällt, was Deutschland in früheren Tagen vor den Anmaßungen des
Nachbars gerettet, werden wir auch zurückkommen auf das, was dieser an-
maßliche Nachbar in früheren Tagen uns entriß. ^Spricht man von dem
großen Spiele des Krieges, so soll der Feind nicht glauben, nur wir hätten
einen Einsatz zu geben; ohne Sinn und gegen alle Natur wäre es, wenn
nicht auch ihm mit der Niederlage ein Verlust droht, der noch über die ^
Niederlage selbst hinausreicht.

Lothringen, Lotharingien -- das Reich Lothar's, dieser Name, in den


darf. Aus jedem glücklichen und talentvollen Soldaten fürchtet er unter
besonderen Umständen einen Nebenbuhler hervorgehen zu sehen. Seine Macht
beruhte auf der Treue der Armee. Aber es war keine leichte Ausgabe, die
Armee richtig zu behandeln. Beschäftigen mußte er sie häufig, damit ihm
die Maschine nicht einrostete und sie sich nicht zu sehr den gefährlichen bür¬
gerlichen Einflüssen hingäbe. Ebensowenig aber durfte er sie in ununter¬
brochener Anspannung halten; das kann ungestraft nur ein Herrscher, dessen
Macht fest begründet ist (wie z. B. Ludwig XIV.) oder ein Feldherr wie
der erste Napoleon. Also: keine zu langen Friedenspausen, kurze, aber glück¬
liche Kriege! Napoleon III. ist nicht zum Weltstürmer geboren — dazu ist
er zu wenig Feldherr — aber sein Naturell, wie die Bedingungen seiner
Stellung machen ihn zum privtlegirten Friedensstörer. Er geht in den
Krieg aus Berechnung, um der egoistischen Zwecke willen — grade wie er
aus Berechnung, um als Gesellschaftsretter zu erscheinen und dadurch feine
Usurpation zu rechtfertigen, am 2. Dezember einen Aufstand in Blut erstickte,
dessen Ausbruch er durch Aussendung einiger starker Patrouillen ohne Mühe
hätte verhindern können.


G. Z-


Elsaß und Lothringen.

So oft Deutschland und Frankreich einander mit den Waffen in der
Hand gegenüberstehn, so werden allezeit neben tausend Erinnerungen an
frühere Kämpfe auch Erinnerungen und Ansprüche an Gebiete wach wer¬
den, welche die eine der beiden Nationen durch die andere, gegen natürliches
oder geschichtliches Recht, sich vorenthalten glaubt. Uns Deutschen klingen
sogleich zwei Namen im Ohr — Lothringen und Elsaß. Mochten in gemei¬
nen Zeitläuften Viele von uns ohne sonderliche Gemüthserregung die mit
diesen beiden Namen bezeichneten Landschaften auf der Karte Frvnkreichs
eingetragen finden — sobald von jener Seite der gierige Blick auf das¬
jenige fällt, was Deutschland in früheren Tagen vor den Anmaßungen des
Nachbars gerettet, werden wir auch zurückkommen auf das, was dieser an-
maßliche Nachbar in früheren Tagen uns entriß. ^Spricht man von dem
großen Spiele des Krieges, so soll der Feind nicht glauben, nur wir hätten
einen Einsatz zu geben; ohne Sinn und gegen alle Natur wäre es, wenn
nicht auch ihm mit der Niederlage ein Verlust droht, der noch über die ^
Niederlage selbst hinausreicht.

Lothringen, Lotharingien — das Reich Lothar's, dieser Name, in den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/274>, abgerufen am 26.06.2024.