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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Der Beschreibung dieser Kämpfe ist ein großer Theil des zweiten Ban¬
des unserer Biographie gewidmet. Der Verfasser läßt sich auf die subtilen
diplomatisch-militärischen Streitfragen, die sich namentlich an die Campagne
von 1794 und an die Genesis des Basler Friedens knüpfen, nicht ein; er
beschränkt sich darauf, eingehend die Thätigkeit des hannöverisch-englischen
Corps bei diesen Feldzügen und die Theilnahme Scharnhorst's an denselben
zu schildern.

Wir folgen ihm hierbei nicht ins Einzelne. Der Höhepunkt des Ganzen
bildet die in der Kriegsgeschichte berühmte Vertheidigung der von den Fran¬
zosen belagerten Festung Menin durch den hannöverschen General v. Ham¬
merstein. Der Verfasser schildert sie eingehend und mit mancherlei interessan¬
tem neuem Detail. An eine lange Vertheidigung des schwachen Postens mit
sehr reducirten Mitteln gegen eine gewaltige französische Uebermacht war
nicht zu denken; die Hoffnung auf rechtzeitige Entsetzung schlug fehl; nach
einigen Tagen hartnäckigen Widerstandes blieb nur entweder Kapitulation
übrig -- und diese weigerte Hammerstein auf's entschlossenste -- oder sich
mit der Besatzung durch das Belagerungscvrps durchzuschlagen -- und dies
wurde beschlossen und in der Nacht des 29. April 1794 mit der helden-
müthigsten Bravour glücklich vollführt. Der große Verdienstantheil, welcher
sowohl bei der vorangegangenen Vertheidigung, wie bei diesem gelungenen
Durchbruch durch die feindlichen Stellungen Scharnhorst zukam, ist von dem
Verfasser ausführlich hervorgehoben und belegt. Der stille ernsthafte Theo¬
retiker und Lehrmeister hatte sich in den schwierigsten Lagen als einen prak¬
tischen Officier ersten Ranges bewährt; der Majorsrang wurde ihm un¬
mittelbar darauf als Belohnung ertheilt.

Mit dem Basler Frieden von 1793 ging die kriegerische Thätigkeit des
hannöverschen Corps zu ,Ende. Hannover lag in der Sphäre der preußischen
Demarcationslinie und mußte sich dem Gesetze derselben bequemen. Scharn¬
horst kehrte zu den gewohnten Beschäftigungen nach der Hauptstadt zurück.

Die nächsten Jahre sind wieder der angestrengtesten militärischen Be¬
rufsthätigkeit und umfassenden literarischen Arbeiten gewidmet, indem zu¬
gleich die immer von neuem sich vor die Augen stellende Möglichkeit eines
Wiedereintretens in den Kampf die Blicke auch nach Außen hin richten heißt.
Während Scharnhorst Memoires ausarbeitet und Maßregeln bietet für eine
Menge praktischer militärischer Reformen, während er sich die Ausbildung
eines neuen, Geniecorps, der sogenannten "Gulden" angelegen sein läßt und
eine Reform der reitenden Artillerie vorbereitet, während er die Einleitungen
trifft zur Bildung eines regulären hannöverschen Generalstabs und eine neue
Zeitschrift, die "Militärischen Denkwürdigkeiten" begründet, verfolgt er zu¬
gleich mit Eifer und Verständniß den Gang der allgemeinen politischen An-


Der Beschreibung dieser Kämpfe ist ein großer Theil des zweiten Ban¬
des unserer Biographie gewidmet. Der Verfasser läßt sich auf die subtilen
diplomatisch-militärischen Streitfragen, die sich namentlich an die Campagne
von 1794 und an die Genesis des Basler Friedens knüpfen, nicht ein; er
beschränkt sich darauf, eingehend die Thätigkeit des hannöverisch-englischen
Corps bei diesen Feldzügen und die Theilnahme Scharnhorst's an denselben
zu schildern.

Wir folgen ihm hierbei nicht ins Einzelne. Der Höhepunkt des Ganzen
bildet die in der Kriegsgeschichte berühmte Vertheidigung der von den Fran¬
zosen belagerten Festung Menin durch den hannöverschen General v. Ham¬
merstein. Der Verfasser schildert sie eingehend und mit mancherlei interessan¬
tem neuem Detail. An eine lange Vertheidigung des schwachen Postens mit
sehr reducirten Mitteln gegen eine gewaltige französische Uebermacht war
nicht zu denken; die Hoffnung auf rechtzeitige Entsetzung schlug fehl; nach
einigen Tagen hartnäckigen Widerstandes blieb nur entweder Kapitulation
übrig — und diese weigerte Hammerstein auf's entschlossenste — oder sich
mit der Besatzung durch das Belagerungscvrps durchzuschlagen — und dies
wurde beschlossen und in der Nacht des 29. April 1794 mit der helden-
müthigsten Bravour glücklich vollführt. Der große Verdienstantheil, welcher
sowohl bei der vorangegangenen Vertheidigung, wie bei diesem gelungenen
Durchbruch durch die feindlichen Stellungen Scharnhorst zukam, ist von dem
Verfasser ausführlich hervorgehoben und belegt. Der stille ernsthafte Theo¬
retiker und Lehrmeister hatte sich in den schwierigsten Lagen als einen prak¬
tischen Officier ersten Ranges bewährt; der Majorsrang wurde ihm un¬
mittelbar darauf als Belohnung ertheilt.

Mit dem Basler Frieden von 1793 ging die kriegerische Thätigkeit des
hannöverschen Corps zu ,Ende. Hannover lag in der Sphäre der preußischen
Demarcationslinie und mußte sich dem Gesetze derselben bequemen. Scharn¬
horst kehrte zu den gewohnten Beschäftigungen nach der Hauptstadt zurück.

Die nächsten Jahre sind wieder der angestrengtesten militärischen Be¬
rufsthätigkeit und umfassenden literarischen Arbeiten gewidmet, indem zu¬
gleich die immer von neuem sich vor die Augen stellende Möglichkeit eines
Wiedereintretens in den Kampf die Blicke auch nach Außen hin richten heißt.
Während Scharnhorst Memoires ausarbeitet und Maßregeln bietet für eine
Menge praktischer militärischer Reformen, während er sich die Ausbildung
eines neuen, Geniecorps, der sogenannten „Gulden" angelegen sein läßt und
eine Reform der reitenden Artillerie vorbereitet, während er die Einleitungen
trifft zur Bildung eines regulären hannöverschen Generalstabs und eine neue
Zeitschrift, die „Militärischen Denkwürdigkeiten" begründet, verfolgt er zu¬
gleich mit Eifer und Verständniß den Gang der allgemeinen politischen An-


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[0254] Der Beschreibung dieser Kämpfe ist ein großer Theil des zweiten Ban¬ des unserer Biographie gewidmet. Der Verfasser läßt sich auf die subtilen diplomatisch-militärischen Streitfragen, die sich namentlich an die Campagne von 1794 und an die Genesis des Basler Friedens knüpfen, nicht ein; er beschränkt sich darauf, eingehend die Thätigkeit des hannöverisch-englischen Corps bei diesen Feldzügen und die Theilnahme Scharnhorst's an denselben zu schildern. Wir folgen ihm hierbei nicht ins Einzelne. Der Höhepunkt des Ganzen bildet die in der Kriegsgeschichte berühmte Vertheidigung der von den Fran¬ zosen belagerten Festung Menin durch den hannöverschen General v. Ham¬ merstein. Der Verfasser schildert sie eingehend und mit mancherlei interessan¬ tem neuem Detail. An eine lange Vertheidigung des schwachen Postens mit sehr reducirten Mitteln gegen eine gewaltige französische Uebermacht war nicht zu denken; die Hoffnung auf rechtzeitige Entsetzung schlug fehl; nach einigen Tagen hartnäckigen Widerstandes blieb nur entweder Kapitulation übrig — und diese weigerte Hammerstein auf's entschlossenste — oder sich mit der Besatzung durch das Belagerungscvrps durchzuschlagen — und dies wurde beschlossen und in der Nacht des 29. April 1794 mit der helden- müthigsten Bravour glücklich vollführt. Der große Verdienstantheil, welcher sowohl bei der vorangegangenen Vertheidigung, wie bei diesem gelungenen Durchbruch durch die feindlichen Stellungen Scharnhorst zukam, ist von dem Verfasser ausführlich hervorgehoben und belegt. Der stille ernsthafte Theo¬ retiker und Lehrmeister hatte sich in den schwierigsten Lagen als einen prak¬ tischen Officier ersten Ranges bewährt; der Majorsrang wurde ihm un¬ mittelbar darauf als Belohnung ertheilt. Mit dem Basler Frieden von 1793 ging die kriegerische Thätigkeit des hannöverschen Corps zu ,Ende. Hannover lag in der Sphäre der preußischen Demarcationslinie und mußte sich dem Gesetze derselben bequemen. Scharn¬ horst kehrte zu den gewohnten Beschäftigungen nach der Hauptstadt zurück. Die nächsten Jahre sind wieder der angestrengtesten militärischen Be¬ rufsthätigkeit und umfassenden literarischen Arbeiten gewidmet, indem zu¬ gleich die immer von neuem sich vor die Augen stellende Möglichkeit eines Wiedereintretens in den Kampf die Blicke auch nach Außen hin richten heißt. Während Scharnhorst Memoires ausarbeitet und Maßregeln bietet für eine Menge praktischer militärischer Reformen, während er sich die Ausbildung eines neuen, Geniecorps, der sogenannten „Gulden" angelegen sein läßt und eine Reform der reitenden Artillerie vorbereitet, während er die Einleitungen trifft zur Bildung eines regulären hannöverschen Generalstabs und eine neue Zeitschrift, die „Militärischen Denkwürdigkeiten" begründet, verfolgt er zu¬ gleich mit Eifer und Verständniß den Gang der allgemeinen politischen An-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/254>, abgerufen am 26.06.2024.