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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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was der Mensch weiß, nicht so sehr ein Geschenk der Natur, als ein Werk
des Fleißes ist, so kann auch Niemand richtig und -- was hiervon eine
Folge ist -- schön schreiben, der sich in dieser Kunst nicht geübt hat."

Der Verfasser unserer Biographie theilt an verschiedenen Stellen und
im Anhang einzelne Fragmente und Auszüge aus Scharnhorst's Schriften
mit. Das technisch-militärische Interesse überwiegt fast überall; einige von
allemeinerem und zum Theil augenblicklichem Interesse können wir uns nicht
versagen, hier wieder zu geben:

"Es hat mich immer traurig gemacht, daß wir Deutschen so wenig
Vaterlandsliebe und so wenigen Nationalstolz besitzen ; daß ein Theil unserer
feurigsten, unserer vorzüglichsten Schriftsteller sich mit mehr Enthusiasmus
für die französische als ihre eigene Nation interessiren kann."

"Kein Land hat eine erbärmlichere Einrichtung zur geschwinden Hülse
im Kriege als Deutschland; hier ist die obere Direction so durch die Ver¬
fassung gelähmt, daß sie wenigstens ein Jahr zu den einfachsten
Vorrichtungen gebraucht".

"D le f r a nz ösis che n So it at e n sin d meistens eitel, unge¬
duldig, schwatzhaft und weichlich. Sie rücken an, als wären
sie des Sieges schon gewiß, weil sie von sich eine hohe Mei-
nung hegen, andere aber verachten; werden sie nun zurückgeschla¬
gen, so kühlt sich ihre Hitze ab, Scham tritt an deren Stelle und dies demüthigt
sie so sehr, daß sie nicht leicht zu einem neuen Angriff zu bringen sind. Aus
Eitelkeit wollen sie ihre Fehler nicht gestehen, sie werfen also die Schuld auf
ihre Anführer, werden aufrührerisch und gehen davon. Daher sollte
man in einem Kriege gegen die Franzosen sich zur Grund¬
regel machen, sie stets in Bewegung zu halten, besonders bei
üblem Wetter; sie beständig anzugreifen und sie nie ihren
eigenen Dispositionen folgen zu lassen, sondern sie zu zwin¬
gen, sich nach den unsrigen zu richten. Ihre Ungeduld würde
sie bald zu einem Hauptfehler verleiten. Ist aber ihr Anführer
klug und schlägt ihnen ihr unvernünftiges Begehren ab, so begegnen sie ihm
verächtlich, werden aufrührerisch und gehen davon." --

So großer Anerkennung sich die Thätigkeit Scharnhorst's in Hannover
erfreute, so entging er doch nicht immer und überall dem Vorwurf (demsel¬
ben, der ihm denn auch in dem Preußen vor 1806 gemacht worden ist), daß er
mehr ein Mann der Theorie als der Praxis sei und daß er aus den rein
wissenschaftlichen Theil seiner Thätigkeit so großes Gewicht lege.

Der beginnende Revolutionskrieg, die Feldzüge in den Niederlanden in
den Jahren 1793 bis 1796 sollten ihm Gelegenheit geben, zu zeigen, was er
auch auf diesem Felde der Praxis vermochte.


was der Mensch weiß, nicht so sehr ein Geschenk der Natur, als ein Werk
des Fleißes ist, so kann auch Niemand richtig und — was hiervon eine
Folge ist — schön schreiben, der sich in dieser Kunst nicht geübt hat."

Der Verfasser unserer Biographie theilt an verschiedenen Stellen und
im Anhang einzelne Fragmente und Auszüge aus Scharnhorst's Schriften
mit. Das technisch-militärische Interesse überwiegt fast überall; einige von
allemeinerem und zum Theil augenblicklichem Interesse können wir uns nicht
versagen, hier wieder zu geben:

„Es hat mich immer traurig gemacht, daß wir Deutschen so wenig
Vaterlandsliebe und so wenigen Nationalstolz besitzen ; daß ein Theil unserer
feurigsten, unserer vorzüglichsten Schriftsteller sich mit mehr Enthusiasmus
für die französische als ihre eigene Nation interessiren kann."

„Kein Land hat eine erbärmlichere Einrichtung zur geschwinden Hülse
im Kriege als Deutschland; hier ist die obere Direction so durch die Ver¬
fassung gelähmt, daß sie wenigstens ein Jahr zu den einfachsten
Vorrichtungen gebraucht".

„D le f r a nz ösis che n So it at e n sin d meistens eitel, unge¬
duldig, schwatzhaft und weichlich. Sie rücken an, als wären
sie des Sieges schon gewiß, weil sie von sich eine hohe Mei-
nung hegen, andere aber verachten; werden sie nun zurückgeschla¬
gen, so kühlt sich ihre Hitze ab, Scham tritt an deren Stelle und dies demüthigt
sie so sehr, daß sie nicht leicht zu einem neuen Angriff zu bringen sind. Aus
Eitelkeit wollen sie ihre Fehler nicht gestehen, sie werfen also die Schuld auf
ihre Anführer, werden aufrührerisch und gehen davon. Daher sollte
man in einem Kriege gegen die Franzosen sich zur Grund¬
regel machen, sie stets in Bewegung zu halten, besonders bei
üblem Wetter; sie beständig anzugreifen und sie nie ihren
eigenen Dispositionen folgen zu lassen, sondern sie zu zwin¬
gen, sich nach den unsrigen zu richten. Ihre Ungeduld würde
sie bald zu einem Hauptfehler verleiten. Ist aber ihr Anführer
klug und schlägt ihnen ihr unvernünftiges Begehren ab, so begegnen sie ihm
verächtlich, werden aufrührerisch und gehen davon." —

So großer Anerkennung sich die Thätigkeit Scharnhorst's in Hannover
erfreute, so entging er doch nicht immer und überall dem Vorwurf (demsel¬
ben, der ihm denn auch in dem Preußen vor 1806 gemacht worden ist), daß er
mehr ein Mann der Theorie als der Praxis sei und daß er aus den rein
wissenschaftlichen Theil seiner Thätigkeit so großes Gewicht lege.

Der beginnende Revolutionskrieg, die Feldzüge in den Niederlanden in
den Jahren 1793 bis 1796 sollten ihm Gelegenheit geben, zu zeigen, was er
auch auf diesem Felde der Praxis vermochte.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/253>, abgerufen am 26.06.2024.