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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.

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Die Eröffnung des Gundesoderhandclsgerichts.

Mitten unter dem Waffenlärm, der vom Rheine her tönend Aller Sinne
gefangen hält, wird still die Eröffnung des obersten Gerichtshofs für Han¬
delssachen in Leipzig vor sich gehen. Durch Verordnung des Bundesprä¬
sidiums vom 22. Juni ist der 3. August dafür bestimmt. Der Gerichtshof
wird sich zu dem Ende Nachmittag 1 Uhr in seinem eigenen Hause, welches
aus einer Privatwohnung prunklos aber würdig hergerichtet ist, zu einer
ersten Sitzung versammeln, um die Constituirung vorzunehmen. Die höch¬
sten Justiz- und Verwaltungsbehörden des Landes, Rath- und Stadtverord¬
nete von Leipzig, die Handelskammer und andere öffentliche Körperschaften
sind eingeladen, durch ihre Vorstände oder durch einige Mitglieder, "diesem
wichtigen Acte zur Erhöhung der Feierlichkeit anzuwohnen."

Ein wichtiger Act in der That; bedeutet er uns doch nichts Geringeres
als den Anfang wahrer Rechtseinheit im norddeutschen Bunde. Denn die
Rechtsgleichheit, welche man in der deutschen Wechselordnung und im Han¬
delsgesetzbuche zu schaffen beabsichtigt hatte, drohte unter dem wuchernden
Unkraut particularer Rechtsbildung, unter den Dornen der Gelehrsamkeit
von zwanzig und etlichen "obersten" Gerichtshöfen zu ersticken und sich zu
einem bloßen Schein zu verzetteln. Hat die Erhebung der beiden genannten
Gesetzgebungswerke, die bis dahin nur als Landesgesetze dort und in der
Weise galten, wo und wie sie eingeführt waren, zur Würde von Bundes¬
gesetzen endlich der Sonderweisheit der Regierungen und Landtage ein heil¬
sames Halt zugerufen, so wird der eine oberste Gerichtshof nunmehr auch
für einheitliche Rechtsübung sorgen. Wer noch "n seinem Werthe hätte
zweifeln mögen, der würde sich haben eines Bessern belehren lassen müssen
durch die krampfhaften Anstrengungen der Particularisten, den Bau zu ver¬
eiteln -- eines Windthorst, den die weiland "sächsische Zeitung" darob als
den ersten der lebenden Juristen pries, eines von Zehner und wie sie alle
hießen. Ist doch noch nachträglich um das Bundesoberhandelsgericht auf
dem samenreichen sächsischen Landtage die dramatischste aller Scenen entbrannt
-- leider gefolgt von einem Nachspiele, welches die Freude der Unseren über
die loyale, Initiative der sächsischen Regierung wie unter einem kalten Nacht¬
reif beinahe erstarren ließ. Doch lassen wir Vergangenes vergangen sein;
heute, wo wir den Bau feierlich unter Dach bringen, hat doch inzwischen ein
heilsames Gewitter die "sächsische Zeitung" sammt anderen Miasmen hin¬
weggefegt -- reißt doch heute die gewaltige Flut der allgemeinen Begeisterung
für Deutschlands Ehre auch die Herzen der Halben und Lauer mit sich fort.

Regierungen und Reichstag haben der jungen Schöpfung noch vor
ihrem Jnslebentreten ehrendes Vertrauen entgegengebracht und die Competenz


Die Eröffnung des Gundesoderhandclsgerichts.

Mitten unter dem Waffenlärm, der vom Rheine her tönend Aller Sinne
gefangen hält, wird still die Eröffnung des obersten Gerichtshofs für Han¬
delssachen in Leipzig vor sich gehen. Durch Verordnung des Bundesprä¬
sidiums vom 22. Juni ist der 3. August dafür bestimmt. Der Gerichtshof
wird sich zu dem Ende Nachmittag 1 Uhr in seinem eigenen Hause, welches
aus einer Privatwohnung prunklos aber würdig hergerichtet ist, zu einer
ersten Sitzung versammeln, um die Constituirung vorzunehmen. Die höch¬
sten Justiz- und Verwaltungsbehörden des Landes, Rath- und Stadtverord¬
nete von Leipzig, die Handelskammer und andere öffentliche Körperschaften
sind eingeladen, durch ihre Vorstände oder durch einige Mitglieder, „diesem
wichtigen Acte zur Erhöhung der Feierlichkeit anzuwohnen."

Ein wichtiger Act in der That; bedeutet er uns doch nichts Geringeres
als den Anfang wahrer Rechtseinheit im norddeutschen Bunde. Denn die
Rechtsgleichheit, welche man in der deutschen Wechselordnung und im Han¬
delsgesetzbuche zu schaffen beabsichtigt hatte, drohte unter dem wuchernden
Unkraut particularer Rechtsbildung, unter den Dornen der Gelehrsamkeit
von zwanzig und etlichen „obersten" Gerichtshöfen zu ersticken und sich zu
einem bloßen Schein zu verzetteln. Hat die Erhebung der beiden genannten
Gesetzgebungswerke, die bis dahin nur als Landesgesetze dort und in der
Weise galten, wo und wie sie eingeführt waren, zur Würde von Bundes¬
gesetzen endlich der Sonderweisheit der Regierungen und Landtage ein heil¬
sames Halt zugerufen, so wird der eine oberste Gerichtshof nunmehr auch
für einheitliche Rechtsübung sorgen. Wer noch «n seinem Werthe hätte
zweifeln mögen, der würde sich haben eines Bessern belehren lassen müssen
durch die krampfhaften Anstrengungen der Particularisten, den Bau zu ver¬
eiteln — eines Windthorst, den die weiland „sächsische Zeitung" darob als
den ersten der lebenden Juristen pries, eines von Zehner und wie sie alle
hießen. Ist doch noch nachträglich um das Bundesoberhandelsgericht auf
dem samenreichen sächsischen Landtage die dramatischste aller Scenen entbrannt
— leider gefolgt von einem Nachspiele, welches die Freude der Unseren über
die loyale, Initiative der sächsischen Regierung wie unter einem kalten Nacht¬
reif beinahe erstarren ließ. Doch lassen wir Vergangenes vergangen sein;
heute, wo wir den Bau feierlich unter Dach bringen, hat doch inzwischen ein
heilsames Gewitter die „sächsische Zeitung" sammt anderen Miasmen hin¬
weggefegt — reißt doch heute die gewaltige Flut der allgemeinen Begeisterung
für Deutschlands Ehre auch die Herzen der Halben und Lauer mit sich fort.

Regierungen und Reichstag haben der jungen Schöpfung noch vor
ihrem Jnslebentreten ehrendes Vertrauen entgegengebracht und die Competenz


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[0209] Die Eröffnung des Gundesoderhandclsgerichts. Mitten unter dem Waffenlärm, der vom Rheine her tönend Aller Sinne gefangen hält, wird still die Eröffnung des obersten Gerichtshofs für Han¬ delssachen in Leipzig vor sich gehen. Durch Verordnung des Bundesprä¬ sidiums vom 22. Juni ist der 3. August dafür bestimmt. Der Gerichtshof wird sich zu dem Ende Nachmittag 1 Uhr in seinem eigenen Hause, welches aus einer Privatwohnung prunklos aber würdig hergerichtet ist, zu einer ersten Sitzung versammeln, um die Constituirung vorzunehmen. Die höch¬ sten Justiz- und Verwaltungsbehörden des Landes, Rath- und Stadtverord¬ nete von Leipzig, die Handelskammer und andere öffentliche Körperschaften sind eingeladen, durch ihre Vorstände oder durch einige Mitglieder, „diesem wichtigen Acte zur Erhöhung der Feierlichkeit anzuwohnen." Ein wichtiger Act in der That; bedeutet er uns doch nichts Geringeres als den Anfang wahrer Rechtseinheit im norddeutschen Bunde. Denn die Rechtsgleichheit, welche man in der deutschen Wechselordnung und im Han¬ delsgesetzbuche zu schaffen beabsichtigt hatte, drohte unter dem wuchernden Unkraut particularer Rechtsbildung, unter den Dornen der Gelehrsamkeit von zwanzig und etlichen „obersten" Gerichtshöfen zu ersticken und sich zu einem bloßen Schein zu verzetteln. Hat die Erhebung der beiden genannten Gesetzgebungswerke, die bis dahin nur als Landesgesetze dort und in der Weise galten, wo und wie sie eingeführt waren, zur Würde von Bundes¬ gesetzen endlich der Sonderweisheit der Regierungen und Landtage ein heil¬ sames Halt zugerufen, so wird der eine oberste Gerichtshof nunmehr auch für einheitliche Rechtsübung sorgen. Wer noch «n seinem Werthe hätte zweifeln mögen, der würde sich haben eines Bessern belehren lassen müssen durch die krampfhaften Anstrengungen der Particularisten, den Bau zu ver¬ eiteln — eines Windthorst, den die weiland „sächsische Zeitung" darob als den ersten der lebenden Juristen pries, eines von Zehner und wie sie alle hießen. Ist doch noch nachträglich um das Bundesoberhandelsgericht auf dem samenreichen sächsischen Landtage die dramatischste aller Scenen entbrannt — leider gefolgt von einem Nachspiele, welches die Freude der Unseren über die loyale, Initiative der sächsischen Regierung wie unter einem kalten Nacht¬ reif beinahe erstarren ließ. Doch lassen wir Vergangenes vergangen sein; heute, wo wir den Bau feierlich unter Dach bringen, hat doch inzwischen ein heilsames Gewitter die „sächsische Zeitung" sammt anderen Miasmen hin¬ weggefegt — reißt doch heute die gewaltige Flut der allgemeinen Begeisterung für Deutschlands Ehre auch die Herzen der Halben und Lauer mit sich fort. Regierungen und Reichstag haben der jungen Schöpfung noch vor ihrem Jnslebentreten ehrendes Vertrauen entgegengebracht und die Competenz

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_124151/209>, abgerufen am 06.07.2024.