Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, II. Semeter. I. Band.des Oberhandelsgerichts, dem eine Elite deutscher Juristen als Mitglieder Die Eröffnung sollte -- so hatte man in ruhiger Zeit geplant -- einen Nun ist der Staatsmann mit seinem Könige, dem deutschen Oberfeld¬ des Oberhandelsgerichts, dem eine Elite deutscher Juristen als Mitglieder Die Eröffnung sollte — so hatte man in ruhiger Zeit geplant — einen Nun ist der Staatsmann mit seinem Könige, dem deutschen Oberfeld¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0210" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124360"/> <p xml:id="ID_568" prev="#ID_567"> des Oberhandelsgerichts, dem eine Elite deutscher Juristen als Mitglieder<lb/> zur Zierde gereichen, über die ursprünglichen Schranken hinaus erweitert: es<lb/> ist ihm die letzte Entscheidung in Flößerei-Streitigkeiten, und nicht blos<lb/> die Civilrechtsprechung, sondern auch die Strafverfolgung in Nachdruckssachen<lb/> in höchster Instanz zugewiesen; wenig fehlte, so hätte man es auch zur<lb/> obersten Behörde in Streitigkeiten über den Unterstützungswohnsitz gemacht.</p><lb/> <p xml:id="ID_569"> Die Eröffnung sollte — so hatte man in ruhiger Zeit geplant — einen<lb/> rechten Festtag für Leipzig bilden. Die wackere Stadt, welche ihre deutsche<lb/> Gesinnung in allen Wechselfällen des Geschicks treu bewahrt, in deren Mitte<lb/> nicht umsonst schon 1847 die deutsche Wechselconferenz getagt hat. hält auch<lb/> heute die Ehre gar hoch, das erste sichtbare Organ gemeinsamer deutscher<lb/> Rechtsübung in ihren Mauern zu beherbergen. Einem der Bedeutung des<lb/> Tages entsprechend zusammengesetzten Comite' hatten die Vertreter der Stadt-<lb/> gemetnde ohne Beschränkung die Mittel zur Verfügung gestellt, ein würdiges<lb/> Empfangsfest zu bereiten. Ein Mahl von mehreren hundert Gedecken sollte<lb/> Würdenträger und Notabilitäten aus dem ganzen Bundesgebiete vereinigen,<lb/> die in irgend einem näheren Bezug zu dem obersten Gerichtshofe stehen;<lb/> ferner die Mitglieder oder doch die „Spitzen" aller öffentlichen Körperschaften,<lb/> welche in der Stadt ihren Sitz haben u. f. w. Nach dem Mahle sollten die<lb/> Gartenräume des Schützenhauses einem weiteren Kreise von Eingeladenen<lb/> sich öffnen; auch die Frauen sollten da ihren Theil an der Festfreude haben<lb/> oder vielmehr dazu beitragen. Ohne Flaggenschmuck der Häuser und Straßen<lb/> und festliche Erleuchtung am Abend wäre der Tag kaum vorübergegangen.<lb/> Wessen hohe Gestalt den Mittelpunkt erst bewundernder Neugier, dann —<lb/> wie bei früheren ähnlichen Gelegenheiten — enthusiastischen Jubelns gebildet<lb/> haben würde, war unschwer zu errathen; denn er hatte gegen Mitglieder<lb/> des Reichstags schon geäußert, daß er, wenn immer möglich, die Einladung<lb/> als Ehrengast der Stadt annehmen und in Person das Bundesoberhandels¬<lb/> gericht eröffnen werde.</p><lb/> <p xml:id="ID_570" next="#ID_571"> Nun ist der Staatsmann mit seinem Könige, dem deutschen Oberfeld¬<lb/> herrn, in den Krieg gezogen. Auch deutsches Recht ist's, um das es sich dort<lb/> handelt. Aber nicht das Recht, weiches der hohe Gerichtshof in stiller Geistes¬<lb/> arbeit findet, das an dem Zünglein der Waage zwischen Mein und Dein der<lb/> Einzelnen hängt; das größere Recht des deutschen Volkes ist's, welches unsere<lb/> Söhne und Brüder mit dem Schwerte in der Hand gegen welsche Arglist<lb/> und Tücke vertheidigen. Das Bewußtsein von dem Werthe des neuen<lb/> Symbols norddeutscher Rechtseinheit ist in den Hintergrund gedrängt vor<lb/> dem einen mächtigen Gefühl, mit dem wir auf das größere und stolzere<lb/> Symbol — nicht norddeutscher, sondern deutscher Einheit schauen: das<lb/> deutsche Heer. Wie in dem Hause des Einzelnen in solch' ernster Zeit die<lb/> Familienfeste zu stiller Feier im engsten Kreise zusammenschrumpfen, weil das</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0210]
des Oberhandelsgerichts, dem eine Elite deutscher Juristen als Mitglieder
zur Zierde gereichen, über die ursprünglichen Schranken hinaus erweitert: es
ist ihm die letzte Entscheidung in Flößerei-Streitigkeiten, und nicht blos
die Civilrechtsprechung, sondern auch die Strafverfolgung in Nachdruckssachen
in höchster Instanz zugewiesen; wenig fehlte, so hätte man es auch zur
obersten Behörde in Streitigkeiten über den Unterstützungswohnsitz gemacht.
Die Eröffnung sollte — so hatte man in ruhiger Zeit geplant — einen
rechten Festtag für Leipzig bilden. Die wackere Stadt, welche ihre deutsche
Gesinnung in allen Wechselfällen des Geschicks treu bewahrt, in deren Mitte
nicht umsonst schon 1847 die deutsche Wechselconferenz getagt hat. hält auch
heute die Ehre gar hoch, das erste sichtbare Organ gemeinsamer deutscher
Rechtsübung in ihren Mauern zu beherbergen. Einem der Bedeutung des
Tages entsprechend zusammengesetzten Comite' hatten die Vertreter der Stadt-
gemetnde ohne Beschränkung die Mittel zur Verfügung gestellt, ein würdiges
Empfangsfest zu bereiten. Ein Mahl von mehreren hundert Gedecken sollte
Würdenträger und Notabilitäten aus dem ganzen Bundesgebiete vereinigen,
die in irgend einem näheren Bezug zu dem obersten Gerichtshofe stehen;
ferner die Mitglieder oder doch die „Spitzen" aller öffentlichen Körperschaften,
welche in der Stadt ihren Sitz haben u. f. w. Nach dem Mahle sollten die
Gartenräume des Schützenhauses einem weiteren Kreise von Eingeladenen
sich öffnen; auch die Frauen sollten da ihren Theil an der Festfreude haben
oder vielmehr dazu beitragen. Ohne Flaggenschmuck der Häuser und Straßen
und festliche Erleuchtung am Abend wäre der Tag kaum vorübergegangen.
Wessen hohe Gestalt den Mittelpunkt erst bewundernder Neugier, dann —
wie bei früheren ähnlichen Gelegenheiten — enthusiastischen Jubelns gebildet
haben würde, war unschwer zu errathen; denn er hatte gegen Mitglieder
des Reichstags schon geäußert, daß er, wenn immer möglich, die Einladung
als Ehrengast der Stadt annehmen und in Person das Bundesoberhandels¬
gericht eröffnen werde.
Nun ist der Staatsmann mit seinem Könige, dem deutschen Oberfeld¬
herrn, in den Krieg gezogen. Auch deutsches Recht ist's, um das es sich dort
handelt. Aber nicht das Recht, weiches der hohe Gerichtshof in stiller Geistes¬
arbeit findet, das an dem Zünglein der Waage zwischen Mein und Dein der
Einzelnen hängt; das größere Recht des deutschen Volkes ist's, welches unsere
Söhne und Brüder mit dem Schwerte in der Hand gegen welsche Arglist
und Tücke vertheidigen. Das Bewußtsein von dem Werthe des neuen
Symbols norddeutscher Rechtseinheit ist in den Hintergrund gedrängt vor
dem einen mächtigen Gefühl, mit dem wir auf das größere und stolzere
Symbol — nicht norddeutscher, sondern deutscher Einheit schauen: das
deutsche Heer. Wie in dem Hause des Einzelnen in solch' ernster Zeit die
Familienfeste zu stiller Feier im engsten Kreise zusammenschrumpfen, weil das
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