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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Erklärung vielleicht darin, daß Holbein, nachdem er erst die malerische Wir¬
kung dieses rothen Bandes auf einem blauen Kleide erprobt, beim zweiten
Bilde meinte, es würde noch besser zu Grün stehen, dessen nachdunkeln frei¬
lich den ursprünglichen Erfolg nicht mehr recht beurtheilen läßt. Holbein
scheint sich überhaupt nicht gern in beiden Bildern ganz wiederholt zu haben,
und hatte natürlich in dieser Hinsicht gerade das entgegengesetzte Interesse,
als ein Copist.

Ich gebe zu, daß, da nach der Umkehrung eines bekannten Sprichwortes
viele Hasen nicht des Hundes Tod sind, es erwünschter wäre, wenn statt der
vielen unbestimmten Möglichkeiten, den Einwand abzulehnen, ein einziger
Grund zu Gebote stünde, der ihn niederschlüge; aber der Einwand scheint
mir doch auch zu wenig scharfe Zähne zu haben, um es nicht für genug zu
halten, seiner drohenden Geberde mit entsprechender Geberde zu begegnen.

Und nun, nachdem ich gezeigt zu haben glaube, daß keinem von beiden
Haupleinwänden, die sich gegen die Aechtheit unseres Bildes aufstellen ließen,
eine durchschlagende Kraft zukommt, halten wir denselben auch die positiven
Gründe gegenüber, die für die Aechtheit sprechen und jenen Einwänden mehr
als die Waage zu halten vermögen.

Erstens ist es die alte Tradition der Aechtheit, die zwar für sich allein
keine Sicherheit gewährt, aber doch gegen nicht minder unsichere Gegengründe
mit ins Gewicht fällt, und die historischen Data mindestens ebenso gut
als das Darmstädter Exemplar zu ihrer Stütze in Anspruch nehmen kann.

Zweitens ist schon erwähnt worden, daß man Gründe hat, die ursprüng¬
liche Entstehung zweier ächten Exemplare für wahrscheinlich zu halten, indeß
die großen Veränderungen, welche zwischen beiden Exemplaren bestehen, der
gegentheiligen Wahrscheinlichkeit, daß das Dresdener Exemplar eine betrüge¬
rische Copie des Darmstädter sei, widersprechen. Endlich drittens, -- und hierin
liegt ein Hauptgewicht -- wenn Holbein nicht der Künstler unseres Bildes
war, dasselbe eine Copie von fremder Hand ist, so weiß man diese fremde
Hand nicht zu finden, und sind die Gegner der Aechtheit unseres Bildes in
dieser Hinsicht in voller Verlegenheit geblieben; ja nach einem verunglückten
Versuche, den Wornum gemacht hat. hat man sich diese Verlegenheit selbst
eingestehen müssen. Nun ist es aber doch sehr mißlich, durchaus eine Copie
in unserem Bilde sehen zu wollen, und durchaus keinen Copisten dazu Aus¬
treiben zu können. Das heißt doch die Behauptung der Copie schwebt in
der Luft.

Und hierzu füge ich nun noch eine scheinbar unbedeutende Kleinigkeit,
in der ich doch, wie überhaupt in Kleinigkeiten öfters die stärksten Kriterien
liegen, die größte bindende Kraft für die Aechtheit unseres Bildes sehe. Es
ist erwähnt, daß das Kind der Darmstädter Madonna lächelt, während das der


Erklärung vielleicht darin, daß Holbein, nachdem er erst die malerische Wir¬
kung dieses rothen Bandes auf einem blauen Kleide erprobt, beim zweiten
Bilde meinte, es würde noch besser zu Grün stehen, dessen nachdunkeln frei¬
lich den ursprünglichen Erfolg nicht mehr recht beurtheilen läßt. Holbein
scheint sich überhaupt nicht gern in beiden Bildern ganz wiederholt zu haben,
und hatte natürlich in dieser Hinsicht gerade das entgegengesetzte Interesse,
als ein Copist.

Ich gebe zu, daß, da nach der Umkehrung eines bekannten Sprichwortes
viele Hasen nicht des Hundes Tod sind, es erwünschter wäre, wenn statt der
vielen unbestimmten Möglichkeiten, den Einwand abzulehnen, ein einziger
Grund zu Gebote stünde, der ihn niederschlüge; aber der Einwand scheint
mir doch auch zu wenig scharfe Zähne zu haben, um es nicht für genug zu
halten, seiner drohenden Geberde mit entsprechender Geberde zu begegnen.

Und nun, nachdem ich gezeigt zu haben glaube, daß keinem von beiden
Haupleinwänden, die sich gegen die Aechtheit unseres Bildes aufstellen ließen,
eine durchschlagende Kraft zukommt, halten wir denselben auch die positiven
Gründe gegenüber, die für die Aechtheit sprechen und jenen Einwänden mehr
als die Waage zu halten vermögen.

Erstens ist es die alte Tradition der Aechtheit, die zwar für sich allein
keine Sicherheit gewährt, aber doch gegen nicht minder unsichere Gegengründe
mit ins Gewicht fällt, und die historischen Data mindestens ebenso gut
als das Darmstädter Exemplar zu ihrer Stütze in Anspruch nehmen kann.

Zweitens ist schon erwähnt worden, daß man Gründe hat, die ursprüng¬
liche Entstehung zweier ächten Exemplare für wahrscheinlich zu halten, indeß
die großen Veränderungen, welche zwischen beiden Exemplaren bestehen, der
gegentheiligen Wahrscheinlichkeit, daß das Dresdener Exemplar eine betrüge¬
rische Copie des Darmstädter sei, widersprechen. Endlich drittens, — und hierin
liegt ein Hauptgewicht — wenn Holbein nicht der Künstler unseres Bildes
war, dasselbe eine Copie von fremder Hand ist, so weiß man diese fremde
Hand nicht zu finden, und sind die Gegner der Aechtheit unseres Bildes in
dieser Hinsicht in voller Verlegenheit geblieben; ja nach einem verunglückten
Versuche, den Wornum gemacht hat. hat man sich diese Verlegenheit selbst
eingestehen müssen. Nun ist es aber doch sehr mißlich, durchaus eine Copie
in unserem Bilde sehen zu wollen, und durchaus keinen Copisten dazu Aus¬
treiben zu können. Das heißt doch die Behauptung der Copie schwebt in
der Luft.

Und hierzu füge ich nun noch eine scheinbar unbedeutende Kleinigkeit,
in der ich doch, wie überhaupt in Kleinigkeiten öfters die stärksten Kriterien
liegen, die größte bindende Kraft für die Aechtheit unseres Bildes sehe. Es
ist erwähnt, daß das Kind der Darmstädter Madonna lächelt, während das der


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[0062] Erklärung vielleicht darin, daß Holbein, nachdem er erst die malerische Wir¬ kung dieses rothen Bandes auf einem blauen Kleide erprobt, beim zweiten Bilde meinte, es würde noch besser zu Grün stehen, dessen nachdunkeln frei¬ lich den ursprünglichen Erfolg nicht mehr recht beurtheilen läßt. Holbein scheint sich überhaupt nicht gern in beiden Bildern ganz wiederholt zu haben, und hatte natürlich in dieser Hinsicht gerade das entgegengesetzte Interesse, als ein Copist. Ich gebe zu, daß, da nach der Umkehrung eines bekannten Sprichwortes viele Hasen nicht des Hundes Tod sind, es erwünschter wäre, wenn statt der vielen unbestimmten Möglichkeiten, den Einwand abzulehnen, ein einziger Grund zu Gebote stünde, der ihn niederschlüge; aber der Einwand scheint mir doch auch zu wenig scharfe Zähne zu haben, um es nicht für genug zu halten, seiner drohenden Geberde mit entsprechender Geberde zu begegnen. Und nun, nachdem ich gezeigt zu haben glaube, daß keinem von beiden Haupleinwänden, die sich gegen die Aechtheit unseres Bildes aufstellen ließen, eine durchschlagende Kraft zukommt, halten wir denselben auch die positiven Gründe gegenüber, die für die Aechtheit sprechen und jenen Einwänden mehr als die Waage zu halten vermögen. Erstens ist es die alte Tradition der Aechtheit, die zwar für sich allein keine Sicherheit gewährt, aber doch gegen nicht minder unsichere Gegengründe mit ins Gewicht fällt, und die historischen Data mindestens ebenso gut als das Darmstädter Exemplar zu ihrer Stütze in Anspruch nehmen kann. Zweitens ist schon erwähnt worden, daß man Gründe hat, die ursprüng¬ liche Entstehung zweier ächten Exemplare für wahrscheinlich zu halten, indeß die großen Veränderungen, welche zwischen beiden Exemplaren bestehen, der gegentheiligen Wahrscheinlichkeit, daß das Dresdener Exemplar eine betrüge¬ rische Copie des Darmstädter sei, widersprechen. Endlich drittens, — und hierin liegt ein Hauptgewicht — wenn Holbein nicht der Künstler unseres Bildes war, dasselbe eine Copie von fremder Hand ist, so weiß man diese fremde Hand nicht zu finden, und sind die Gegner der Aechtheit unseres Bildes in dieser Hinsicht in voller Verlegenheit geblieben; ja nach einem verunglückten Versuche, den Wornum gemacht hat. hat man sich diese Verlegenheit selbst eingestehen müssen. Nun ist es aber doch sehr mißlich, durchaus eine Copie in unserem Bilde sehen zu wollen, und durchaus keinen Copisten dazu Aus¬ treiben zu können. Das heißt doch die Behauptung der Copie schwebt in der Luft. Und hierzu füge ich nun noch eine scheinbar unbedeutende Kleinigkeit, in der ich doch, wie überhaupt in Kleinigkeiten öfters die stärksten Kriterien liegen, die größte bindende Kraft für die Aechtheit unseres Bildes sehe. Es ist erwähnt, daß das Kind der Darmstädter Madonna lächelt, während das der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/62>, abgerufen am 01.09.2024.