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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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noch die Beschränkung der Lehrfreiheit durch die Bischöfe vertrug und die
Männer dieser Richtung eine Annäherung an den Staat suchen mußten.

Inzwischen ließen die Conflicte zwischen der Staatsgewalt und dem EM.
copate nicht lange auf sich warten. Wenn nicht eine Generation staatsseind-
licher Priester um die andere aufwachsen sollte, so war es die nächste Auf¬
gabe des Ministeriums, für sich einen größeren Einfluß auf die Bildung der
Theologen zu gewinnen. Zu diesem Zwecke mußten die theologischen Bie.
dungs-Anstalten der Bischöfe möglichst hintangehalten, und der Grundsatz
zur Geltung gebracht werden, daß alle Geistlichen ihre Studien an den Lan¬
desuniversitäten -- also an Staatsanstalten -- zu machen hätten. Die
Bischöfe opponirten heftig. Nachdem sie lange über die außerkirchliche Stellung
der theologischen Facultäten Klage geführt und sich durch die Besetzung der
vacanten Lehrstühle überzeugt hatten, daß die deutsche Richtung, die bisher
in Würzburg! keine Vertreter gehabt hatte, auch" dort einzuziehen drohte,
suchten sie nun ihre Candidaten vom Besuch der Universitäten ganz abzu¬
halten. Der Bischof von Speyer verlangte zu diesem Zwecke auf Grund
des Concordats die Errichtung und Dotirung einer theologischen Lehranstalt
an seinem Bischofssitze und gründete, als ihm dieses verweigert wurde, aus
eigenen Mitteln, wie er sagte, oder richtiger aus den durch die Besteuerung
seines Clerus zusammengebrachten Geldern selbst eine solche. Herr v. Koch
schloß dieses Institut, zu dessen Errichtung nach dem Religionsedicte die
staatliche Genehmigung erforderlich gewesen wäre, um so unbedenklicher, als
auch seine geistlichen Rathgeber sich gegen solche romanistische "Winkelanstalt"
ausgesprochen hatten. Die Candidaten wurden aus Speyer ausgewiesen.

Aus demselben Grunde erneuerte das Ministerium eine ältere Verord¬
nung, der zufolge in Zukunft nur je zwei Candidaten der Theologie aus
jeder Dtöcese das collegium gerwamcuw zu Rom frequentiren durften.
Daß die deutsch-theologische Schule bei Besetzung kirchlicher Stellen, auf
welche der Staat Einfluß hatte, eine besondere Berücksichtigung erfuhr, war
eben so sehr ein Erforderniß der politischen Raison, als die gebotene Aner¬
kennung ihrer hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen. Leider war das
Ministerium Koch von sehr kurzer Dauer. Der Minister starb nach kaum
zweijähriger Amtsführung schon Anfang des Jahres 1866, und das Portefeuille
kam nach längerem Interim in die Hände des Herrn v. Gresser. Sein Werk
ist der bekannte Schulgesetz-Entwurf, ein verzweifelter Hieb nach dem ultra¬
montanen Clerus, leider auf Kosten der Schule. Denn daß diese bei dem
jetzigen Bildungszustand, der Lehrer, durch den projectirten Wegfall der
Loealaufsicht der Geistlichen, wenigstens für die nächste Zukunft schlechter statt
besser geworden, kann man kaum bestreiten. Wäre der Clerus nicht fast
durchaus von staatsfeindlichen Gesinnungen erfüllt gewesen, vom technischen


noch die Beschränkung der Lehrfreiheit durch die Bischöfe vertrug und die
Männer dieser Richtung eine Annäherung an den Staat suchen mußten.

Inzwischen ließen die Conflicte zwischen der Staatsgewalt und dem EM.
copate nicht lange auf sich warten. Wenn nicht eine Generation staatsseind-
licher Priester um die andere aufwachsen sollte, so war es die nächste Auf¬
gabe des Ministeriums, für sich einen größeren Einfluß auf die Bildung der
Theologen zu gewinnen. Zu diesem Zwecke mußten die theologischen Bie.
dungs-Anstalten der Bischöfe möglichst hintangehalten, und der Grundsatz
zur Geltung gebracht werden, daß alle Geistlichen ihre Studien an den Lan¬
desuniversitäten — also an Staatsanstalten — zu machen hätten. Die
Bischöfe opponirten heftig. Nachdem sie lange über die außerkirchliche Stellung
der theologischen Facultäten Klage geführt und sich durch die Besetzung der
vacanten Lehrstühle überzeugt hatten, daß die deutsche Richtung, die bisher
in Würzburg! keine Vertreter gehabt hatte, auch" dort einzuziehen drohte,
suchten sie nun ihre Candidaten vom Besuch der Universitäten ganz abzu¬
halten. Der Bischof von Speyer verlangte zu diesem Zwecke auf Grund
des Concordats die Errichtung und Dotirung einer theologischen Lehranstalt
an seinem Bischofssitze und gründete, als ihm dieses verweigert wurde, aus
eigenen Mitteln, wie er sagte, oder richtiger aus den durch die Besteuerung
seines Clerus zusammengebrachten Geldern selbst eine solche. Herr v. Koch
schloß dieses Institut, zu dessen Errichtung nach dem Religionsedicte die
staatliche Genehmigung erforderlich gewesen wäre, um so unbedenklicher, als
auch seine geistlichen Rathgeber sich gegen solche romanistische „Winkelanstalt"
ausgesprochen hatten. Die Candidaten wurden aus Speyer ausgewiesen.

Aus demselben Grunde erneuerte das Ministerium eine ältere Verord¬
nung, der zufolge in Zukunft nur je zwei Candidaten der Theologie aus
jeder Dtöcese das collegium gerwamcuw zu Rom frequentiren durften.
Daß die deutsch-theologische Schule bei Besetzung kirchlicher Stellen, auf
welche der Staat Einfluß hatte, eine besondere Berücksichtigung erfuhr, war
eben so sehr ein Erforderniß der politischen Raison, als die gebotene Aner¬
kennung ihrer hervorragenden wissenschaftlichen Leistungen. Leider war das
Ministerium Koch von sehr kurzer Dauer. Der Minister starb nach kaum
zweijähriger Amtsführung schon Anfang des Jahres 1866, und das Portefeuille
kam nach längerem Interim in die Hände des Herrn v. Gresser. Sein Werk
ist der bekannte Schulgesetz-Entwurf, ein verzweifelter Hieb nach dem ultra¬
montanen Clerus, leider auf Kosten der Schule. Denn daß diese bei dem
jetzigen Bildungszustand, der Lehrer, durch den projectirten Wegfall der
Loealaufsicht der Geistlichen, wenigstens für die nächste Zukunft schlechter statt
besser geworden, kann man kaum bestreiten. Wäre der Clerus nicht fast
durchaus von staatsfeindlichen Gesinnungen erfüllt gewesen, vom technischen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/520>, abgerufen am 01.09.2024.