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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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bestehen können, wenn alle Prätensionen des canonischen Rechts erfüllt wer¬
den sollten! Es war ferner in dem Concordat die Errichtung und Leitung
der geistlichen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten ausschließlich den Bischöfen
überlassen, dagegen die finanzielle Dotirung derselben dem Staate angesonnen.
Die Erzbischöfe und Bischöfe nebst ihren Domcapiteln wurden mit Einkünf¬
ten überreich bedacht (so bezieht der Erzbischof von München-Freysing in
Folge des Concordats für seine Person jährlich 20,000 si. aus der Staats¬
kasse)^ wobei auch noch die Fundirung auf Liegenschaften ausbedungen wurde.
Ein Theil der aufgehobenen Klöster sollte wieder hergestellt und angemessen
dotirt werden, dagegen ließ man die nach Rom zu zahlenden Annalen und
Canzleitaxen fortbestehen. Kein Meet, kein Oberaufsichts-Recht des Staates
mehr! Alle dem Concordat entgegenstehenden Gesetze sollten einer ausdrück¬
lichen Bestimmung gemäß für ausgehoben angesehen und dieses als Staats¬
grundgesetz erklärt werden. Der bayrische Unterhändler, der diesen Vertrag
am 5. Juni 1867 mit der Curie abschloß, war Freiherr von Häffelin, Bischof
von Gerpones. Ihn hatte die Regierung zur endlichen Ordnung der durch
die Säcularisation und die Verwaltung Montgelas außer Rand und Band
gebrachten kirchlichen Verhältnisse mit den ausgedehntesten Vollmachten nach
Rom geschickt, er verrieth seine Auftraggeber und sein Vaterland und ließ
sich dafür von der Curie mit dem Cardinals-Purpur belohnen. (Vgl. v.Spruner,
die Wandbilder des bayrischen National-Museums.)

Die Regierung, im Begriff die neue Verfassung zu erlassen, war in der
peinlichsten Verlegenheit. Ein - zweiter Unterhändler vermochte die Sache nicht
mehr auf besseren Weg zu bringen. Endlich fügte man, allerdings mit einer
flagranten Umgehung völkerrechtlicher Verbindlichkeiten, das Concordat der
Art in die Verfassungsurkunde ein. daß die Interpretation ein Verhältniß
der Unterordnung desselben unter das Religionsedict herausbringen mußte.
Und so wird das Concordat heutzutage allgemein in Bayern angesehen und
gehandhabt. Seine Bestimmungen gelten nur in soweit als sie denen des
Religionsedictes nicht widersprechen. Durch die unnatürliche Verkopplung
dieser beiden Urkunden hätte nothwendig der Grund zu einer endlosen Reihe
von Frictionen zwischen Kirche und Staat gelegt werden müssen, wenn der
tapferen Theorie der Verfassung die Praxis nur halbwegs entsprochen hätte.
Leider war dieß von jeher nicht der Fall. Von der ganz pfäffischen Periode
Ludwig des I. zu schweigen, war auch unter Maximilian II., der für seine
Person keineswegs in hierarchischen Vorstellungen befangen war, die Regierung,
den Schreck vor der Revolution in den Gliedern, gegenüber den Anforderungen
der Curie und der Bischöfe ungemein nachgiebig. Den Zorn des päpst¬
lichen Stuhles über die illegale Ausführung des Concordates suchte man
durch eine laxe Handhabung des Religionsedictes zu besänftigen.


bestehen können, wenn alle Prätensionen des canonischen Rechts erfüllt wer¬
den sollten! Es war ferner in dem Concordat die Errichtung und Leitung
der geistlichen Unterrichts- und Erziehungs-Anstalten ausschließlich den Bischöfen
überlassen, dagegen die finanzielle Dotirung derselben dem Staate angesonnen.
Die Erzbischöfe und Bischöfe nebst ihren Domcapiteln wurden mit Einkünf¬
ten überreich bedacht (so bezieht der Erzbischof von München-Freysing in
Folge des Concordats für seine Person jährlich 20,000 si. aus der Staats¬
kasse)^ wobei auch noch die Fundirung auf Liegenschaften ausbedungen wurde.
Ein Theil der aufgehobenen Klöster sollte wieder hergestellt und angemessen
dotirt werden, dagegen ließ man die nach Rom zu zahlenden Annalen und
Canzleitaxen fortbestehen. Kein Meet, kein Oberaufsichts-Recht des Staates
mehr! Alle dem Concordat entgegenstehenden Gesetze sollten einer ausdrück¬
lichen Bestimmung gemäß für ausgehoben angesehen und dieses als Staats¬
grundgesetz erklärt werden. Der bayrische Unterhändler, der diesen Vertrag
am 5. Juni 1867 mit der Curie abschloß, war Freiherr von Häffelin, Bischof
von Gerpones. Ihn hatte die Regierung zur endlichen Ordnung der durch
die Säcularisation und die Verwaltung Montgelas außer Rand und Band
gebrachten kirchlichen Verhältnisse mit den ausgedehntesten Vollmachten nach
Rom geschickt, er verrieth seine Auftraggeber und sein Vaterland und ließ
sich dafür von der Curie mit dem Cardinals-Purpur belohnen. (Vgl. v.Spruner,
die Wandbilder des bayrischen National-Museums.)

Die Regierung, im Begriff die neue Verfassung zu erlassen, war in der
peinlichsten Verlegenheit. Ein - zweiter Unterhändler vermochte die Sache nicht
mehr auf besseren Weg zu bringen. Endlich fügte man, allerdings mit einer
flagranten Umgehung völkerrechtlicher Verbindlichkeiten, das Concordat der
Art in die Verfassungsurkunde ein. daß die Interpretation ein Verhältniß
der Unterordnung desselben unter das Religionsedict herausbringen mußte.
Und so wird das Concordat heutzutage allgemein in Bayern angesehen und
gehandhabt. Seine Bestimmungen gelten nur in soweit als sie denen des
Religionsedictes nicht widersprechen. Durch die unnatürliche Verkopplung
dieser beiden Urkunden hätte nothwendig der Grund zu einer endlosen Reihe
von Frictionen zwischen Kirche und Staat gelegt werden müssen, wenn der
tapferen Theorie der Verfassung die Praxis nur halbwegs entsprochen hätte.
Leider war dieß von jeher nicht der Fall. Von der ganz pfäffischen Periode
Ludwig des I. zu schweigen, war auch unter Maximilian II., der für seine
Person keineswegs in hierarchischen Vorstellungen befangen war, die Regierung,
den Schreck vor der Revolution in den Gliedern, gegenüber den Anforderungen
der Curie und der Bischöfe ungemein nachgiebig. Den Zorn des päpst¬
lichen Stuhles über die illegale Ausführung des Concordates suchte man
durch eine laxe Handhabung des Religionsedictes zu besänftigen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/516>, abgerufen am 27.07.2024.