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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Kröger-Lockwisch, Carstens-Rugensdorf, Freitag. Gr. Rünz. Schulze Joach.
Holst-Carlow, Retelsdorf°Gr. Mist und Damm-Sülsdorf. Aber auch von
den übrigen Vertretern hatte die Majorität der landvogteilichen Einladung
keine Folge gegeben. Ausgeblieben waren die Besitzer der drei Allodialgüter,
der Amtmann (Domanial-Pächter) Kaiser-stove, der Hauswirth Joh. Stamer-
Mannhagen und der Propst Rußwurm-Ratzeburg. Die drei Gutsbesitzer
wohnen außer Landes in Mecklenburg-Schwerin und resp, auf ihren als En¬
claven im Lauenburgischen gelegenen Gütern und die letzten drei namentlich
ausgeführten Landtagsmitglieder scheinen es vorgezogen zu haben, durch im"
provisirte Reisen sich der Alternative zu entziehen, entweder der an sie ergange-
nen Einladung Folge zu leisten, oder obigen Protest zu unterschreiben. Mit
was für Augen der Herr Ober-Landdrost die gehorsamlich erschienenen Herren
Pastoren, nämlich den Archivrath Maseh-Deinem, Pastor pria. Kämpffer-
Schönberg, die Amtleute Drews-Bauhof Schönberg und Wicke-Deinem und
den Senator Spehr als Vertreter des Schönberger Magistrats begrüßt haben
mag, davon schweigt die Geschichte. Da nach §. 6. der Verfassung minde¬
stens 11 Mitglieder anwesend sein mußten, blieb die Versammlung beschlu߬
unfähig.

Welche Mittel die großherzogliche Regierung versuchen wird, eine be¬
schlußfähige Landtagsversammlung zu Stande zu bringen, ob Neuwahlen,
Strafmandate oder was sonst, das steht einstweilen dahin. Doch glauben
wir ohne große Sehergabe voraussagen zu dürfen, daß man am liebsten die
Sache auf sich beruhen lassen wird. Wollen die Ratzeburger keine Stände¬
versammlung, wie die nach der Verfassung vom 6. November 1869 gewahrte,
gut, so mögen sie sich ohne solche zufrieden geben und Alles bleibt beim Al¬
ten. Daß die Unterzeichner des Protestes von der angehängten Bitte selbst
keinen Erfolg erwarten konnten, muß jedem zweifellos sein, der da weiß, daß
derartige oder ähnliche Bitten bei der Strelitzer Regierung überhaupt auf
kein Gehör zu rechnen haben. Würde aber die Regierung sich zur Ausschrei¬
bung von Neuwahlen entschließen, so würde sie bald inne werden, daß sie
aus solchem Wege nicht zum Ziele gelangt. Der norddeutsche Bauer ist zähe
und es fehlt ihm auch nicht so sehr, wie oft behauptet wird, an politischem
Interesse sür Fragen, die ihn speciell angehen. Daß es der Regierung ge¬
lingen werde, die trefflich disciplinirte Opposition zu brechen, bezweifeln wir
ernstlich.

In Ländern, die an konstitutionelle Einrichtungen gewöhnt sind, wird
man es kaum für möglich halten, daß man eine Verordnung als Verfassung
zu octroyiren wagt, die zu solchen Ausstellungen Anlaß gibt, wie sie im Pro¬
test der acht Bauern und der beiden Schönberger Bürger enthalten sind.
Wir haben den Text derselben vollständig mitgetheilt, um den Lesern der


Kröger-Lockwisch, Carstens-Rugensdorf, Freitag. Gr. Rünz. Schulze Joach.
Holst-Carlow, Retelsdorf°Gr. Mist und Damm-Sülsdorf. Aber auch von
den übrigen Vertretern hatte die Majorität der landvogteilichen Einladung
keine Folge gegeben. Ausgeblieben waren die Besitzer der drei Allodialgüter,
der Amtmann (Domanial-Pächter) Kaiser-stove, der Hauswirth Joh. Stamer-
Mannhagen und der Propst Rußwurm-Ratzeburg. Die drei Gutsbesitzer
wohnen außer Landes in Mecklenburg-Schwerin und resp, auf ihren als En¬
claven im Lauenburgischen gelegenen Gütern und die letzten drei namentlich
ausgeführten Landtagsmitglieder scheinen es vorgezogen zu haben, durch im«
provisirte Reisen sich der Alternative zu entziehen, entweder der an sie ergange-
nen Einladung Folge zu leisten, oder obigen Protest zu unterschreiben. Mit
was für Augen der Herr Ober-Landdrost die gehorsamlich erschienenen Herren
Pastoren, nämlich den Archivrath Maseh-Deinem, Pastor pria. Kämpffer-
Schönberg, die Amtleute Drews-Bauhof Schönberg und Wicke-Deinem und
den Senator Spehr als Vertreter des Schönberger Magistrats begrüßt haben
mag, davon schweigt die Geschichte. Da nach §. 6. der Verfassung minde¬
stens 11 Mitglieder anwesend sein mußten, blieb die Versammlung beschlu߬
unfähig.

Welche Mittel die großherzogliche Regierung versuchen wird, eine be¬
schlußfähige Landtagsversammlung zu Stande zu bringen, ob Neuwahlen,
Strafmandate oder was sonst, das steht einstweilen dahin. Doch glauben
wir ohne große Sehergabe voraussagen zu dürfen, daß man am liebsten die
Sache auf sich beruhen lassen wird. Wollen die Ratzeburger keine Stände¬
versammlung, wie die nach der Verfassung vom 6. November 1869 gewahrte,
gut, so mögen sie sich ohne solche zufrieden geben und Alles bleibt beim Al¬
ten. Daß die Unterzeichner des Protestes von der angehängten Bitte selbst
keinen Erfolg erwarten konnten, muß jedem zweifellos sein, der da weiß, daß
derartige oder ähnliche Bitten bei der Strelitzer Regierung überhaupt auf
kein Gehör zu rechnen haben. Würde aber die Regierung sich zur Ausschrei¬
bung von Neuwahlen entschließen, so würde sie bald inne werden, daß sie
aus solchem Wege nicht zum Ziele gelangt. Der norddeutsche Bauer ist zähe
und es fehlt ihm auch nicht so sehr, wie oft behauptet wird, an politischem
Interesse sür Fragen, die ihn speciell angehen. Daß es der Regierung ge¬
lingen werde, die trefflich disciplinirte Opposition zu brechen, bezweifeln wir
ernstlich.

In Ländern, die an konstitutionelle Einrichtungen gewöhnt sind, wird
man es kaum für möglich halten, daß man eine Verordnung als Verfassung
zu octroyiren wagt, die zu solchen Ausstellungen Anlaß gibt, wie sie im Pro¬
test der acht Bauern und der beiden Schönberger Bürger enthalten sind.
Wir haben den Text derselben vollständig mitgetheilt, um den Lesern der


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[0485] Kröger-Lockwisch, Carstens-Rugensdorf, Freitag. Gr. Rünz. Schulze Joach. Holst-Carlow, Retelsdorf°Gr. Mist und Damm-Sülsdorf. Aber auch von den übrigen Vertretern hatte die Majorität der landvogteilichen Einladung keine Folge gegeben. Ausgeblieben waren die Besitzer der drei Allodialgüter, der Amtmann (Domanial-Pächter) Kaiser-stove, der Hauswirth Joh. Stamer- Mannhagen und der Propst Rußwurm-Ratzeburg. Die drei Gutsbesitzer wohnen außer Landes in Mecklenburg-Schwerin und resp, auf ihren als En¬ claven im Lauenburgischen gelegenen Gütern und die letzten drei namentlich ausgeführten Landtagsmitglieder scheinen es vorgezogen zu haben, durch im« provisirte Reisen sich der Alternative zu entziehen, entweder der an sie ergange- nen Einladung Folge zu leisten, oder obigen Protest zu unterschreiben. Mit was für Augen der Herr Ober-Landdrost die gehorsamlich erschienenen Herren Pastoren, nämlich den Archivrath Maseh-Deinem, Pastor pria. Kämpffer- Schönberg, die Amtleute Drews-Bauhof Schönberg und Wicke-Deinem und den Senator Spehr als Vertreter des Schönberger Magistrats begrüßt haben mag, davon schweigt die Geschichte. Da nach §. 6. der Verfassung minde¬ stens 11 Mitglieder anwesend sein mußten, blieb die Versammlung beschlu߬ unfähig. Welche Mittel die großherzogliche Regierung versuchen wird, eine be¬ schlußfähige Landtagsversammlung zu Stande zu bringen, ob Neuwahlen, Strafmandate oder was sonst, das steht einstweilen dahin. Doch glauben wir ohne große Sehergabe voraussagen zu dürfen, daß man am liebsten die Sache auf sich beruhen lassen wird. Wollen die Ratzeburger keine Stände¬ versammlung, wie die nach der Verfassung vom 6. November 1869 gewahrte, gut, so mögen sie sich ohne solche zufrieden geben und Alles bleibt beim Al¬ ten. Daß die Unterzeichner des Protestes von der angehängten Bitte selbst keinen Erfolg erwarten konnten, muß jedem zweifellos sein, der da weiß, daß derartige oder ähnliche Bitten bei der Strelitzer Regierung überhaupt auf kein Gehör zu rechnen haben. Würde aber die Regierung sich zur Ausschrei¬ bung von Neuwahlen entschließen, so würde sie bald inne werden, daß sie aus solchem Wege nicht zum Ziele gelangt. Der norddeutsche Bauer ist zähe und es fehlt ihm auch nicht so sehr, wie oft behauptet wird, an politischem Interesse sür Fragen, die ihn speciell angehen. Daß es der Regierung ge¬ lingen werde, die trefflich disciplinirte Opposition zu brechen, bezweifeln wir ernstlich. In Ländern, die an konstitutionelle Einrichtungen gewöhnt sind, wird man es kaum für möglich halten, daß man eine Verordnung als Verfassung zu octroyiren wagt, die zu solchen Ausstellungen Anlaß gibt, wie sie im Pro¬ test der acht Bauern und der beiden Schönberger Bürger enthalten sind. Wir haben den Text derselben vollständig mitgetheilt, um den Lesern der

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/485>, abgerufen am 27.07.2024.