Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Zu bedauern ist, daß man gezwungen war, Mietsparteien und sogar einem
Wirth im Hause Quartier zu geben; so mancher sonstigen Uebelstände nicht
zu gedenken, für die man hoffentlich in der nächsten Ferienzeit Abhilfe finden
wird. Der beabsichtigte Zweck, durch eine recht in die Augen fallende Pracht
die Masse des Publicums anzuziehen, ist für die Dauer sehr problematisch
und erinnert an ähnliche prunkvolle Unternehmungen, denen der Wiener von
jeher, durch neue Erscheinungen geblendet, ebenso rasch den Rücken kehrte.
Man denke nur an den seiner Zeit so berühmten Apollosaal. Gerade wie
heute nach der ausgiebigen Lection bei Königgrätz und dem gegenwärtigen
politisch und finanziell zerrütteten Zustand der Monarchie großartige Unter¬
nehmungen ins Leben treten und die auf allen noch freien Plätzen zahllos
auftauchenden Bauten Wiens Zeugniß von der Unverwüstlichkeit des Reiches
ablegen, öffneten sich im Jahre 1805 nach dem Friedensabschluß von Preßburg
alle Schleusen der Wiener Vergnügungssucht. Unter andern unternahm
ein reicher Bürger, der Mechaniker Wolfssohn, in der Vorstadt Schottenfeld
den Bau eines Tanzlocales, wie Wien bis dahin noch keins gesehen.
Schottenfeld wurde damals "der Brillantengrund" genannt und die Fabriks¬
herren jener Vorstadt wußten diese Benennung zur Wahrheit zu machen. Mit
Stolz sahen sie in ihrer Mitte ein Gebäude entstehen, das mit Sardanapali-
scher Pracht hinanstrebte. Tausende von Kerzen beleuchteten den riesigen
Haupt- und den kleineren Tanzsaal, den Speisecircus, den griechischen Banket-
saal und eine Reihe einzelner Gemächer. In der Mitte lag ein blühender,
mit Glas überwölbter Garten mit drei großen Glashäusern, eine Allee von
duftigen Rosen und ein krystallner Corridor führten von da zum Riesensaal, ^
der mit orientalischem Luxus ausgestattet war. Möbel von Mahagony- und
Ebenholz, Canapees mit Sammt und schweren Seidenstoffen, die Tische mit
feinstem Leinendamast gedeckt, auf denen kolossale Aufsätze von feinstem Silber
prangten, welche allein ein Gewicht von zwanzig Centner betrugen; ein Ge-
woge von vielen Tausenden von Menschen, die selbst der Eintrittspreis von
30 si. nicht abschreckte, die Pracht mit eigenen Augen anzusehen und ihre
Brillanten, schwere Goldketten und sonstigen Schmuck zur Schau zu tragen
-- dieses Bild bot der ehemalige Apollos aal. Am Eröffnungstage,
10. Januar 1808, bedürfte es einer Eskadron Husaren, um die Passage frei
zu halten; Wagen an Wagen reihte sich an, immer wieder neue Gäste zu¬
führend. Im Banketsaal saßen Minister, Fürsten, Fabrikantenfamilien in
bunter Reihe und die Letzteren zeigten sich beim Verschwenden als die Ersten.
Der Wein wurde aus den feinsten Gläsern getrunken, der Champagner in
silbernen Gefäßen eingekühlt und in den Nebenlvcalitäten, wo geraucht wurde,
kam es wohl vor, daß einer der Fabriksherrnsöhne im Uebermuth dem An¬
dern die Pfeife mit einem Hundertgulden-Bankozettel anzündete. Selbst


Zu bedauern ist, daß man gezwungen war, Mietsparteien und sogar einem
Wirth im Hause Quartier zu geben; so mancher sonstigen Uebelstände nicht
zu gedenken, für die man hoffentlich in der nächsten Ferienzeit Abhilfe finden
wird. Der beabsichtigte Zweck, durch eine recht in die Augen fallende Pracht
die Masse des Publicums anzuziehen, ist für die Dauer sehr problematisch
und erinnert an ähnliche prunkvolle Unternehmungen, denen der Wiener von
jeher, durch neue Erscheinungen geblendet, ebenso rasch den Rücken kehrte.
Man denke nur an den seiner Zeit so berühmten Apollosaal. Gerade wie
heute nach der ausgiebigen Lection bei Königgrätz und dem gegenwärtigen
politisch und finanziell zerrütteten Zustand der Monarchie großartige Unter¬
nehmungen ins Leben treten und die auf allen noch freien Plätzen zahllos
auftauchenden Bauten Wiens Zeugniß von der Unverwüstlichkeit des Reiches
ablegen, öffneten sich im Jahre 1805 nach dem Friedensabschluß von Preßburg
alle Schleusen der Wiener Vergnügungssucht. Unter andern unternahm
ein reicher Bürger, der Mechaniker Wolfssohn, in der Vorstadt Schottenfeld
den Bau eines Tanzlocales, wie Wien bis dahin noch keins gesehen.
Schottenfeld wurde damals „der Brillantengrund" genannt und die Fabriks¬
herren jener Vorstadt wußten diese Benennung zur Wahrheit zu machen. Mit
Stolz sahen sie in ihrer Mitte ein Gebäude entstehen, das mit Sardanapali-
scher Pracht hinanstrebte. Tausende von Kerzen beleuchteten den riesigen
Haupt- und den kleineren Tanzsaal, den Speisecircus, den griechischen Banket-
saal und eine Reihe einzelner Gemächer. In der Mitte lag ein blühender,
mit Glas überwölbter Garten mit drei großen Glashäusern, eine Allee von
duftigen Rosen und ein krystallner Corridor führten von da zum Riesensaal, ^
der mit orientalischem Luxus ausgestattet war. Möbel von Mahagony- und
Ebenholz, Canapees mit Sammt und schweren Seidenstoffen, die Tische mit
feinstem Leinendamast gedeckt, auf denen kolossale Aufsätze von feinstem Silber
prangten, welche allein ein Gewicht von zwanzig Centner betrugen; ein Ge-
woge von vielen Tausenden von Menschen, die selbst der Eintrittspreis von
30 si. nicht abschreckte, die Pracht mit eigenen Augen anzusehen und ihre
Brillanten, schwere Goldketten und sonstigen Schmuck zur Schau zu tragen
— dieses Bild bot der ehemalige Apollos aal. Am Eröffnungstage,
10. Januar 1808, bedürfte es einer Eskadron Husaren, um die Passage frei
zu halten; Wagen an Wagen reihte sich an, immer wieder neue Gäste zu¬
führend. Im Banketsaal saßen Minister, Fürsten, Fabrikantenfamilien in
bunter Reihe und die Letzteren zeigten sich beim Verschwenden als die Ersten.
Der Wein wurde aus den feinsten Gläsern getrunken, der Champagner in
silbernen Gefäßen eingekühlt und in den Nebenlvcalitäten, wo geraucht wurde,
kam es wohl vor, daß einer der Fabriksherrnsöhne im Uebermuth dem An¬
dern die Pfeife mit einem Hundertgulden-Bankozettel anzündete. Selbst


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0458" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/124078"/>
            <p xml:id="ID_1373" prev="#ID_1372" next="#ID_1374"> Zu bedauern ist, daß man gezwungen war, Mietsparteien und sogar einem<lb/>
Wirth im Hause Quartier zu geben; so mancher sonstigen Uebelstände nicht<lb/>
zu gedenken, für die man hoffentlich in der nächsten Ferienzeit Abhilfe finden<lb/>
wird.  Der beabsichtigte Zweck, durch eine recht in die Augen fallende Pracht<lb/>
die Masse des Publicums anzuziehen, ist für die Dauer sehr problematisch<lb/>
und erinnert an ähnliche prunkvolle Unternehmungen, denen der Wiener von<lb/>
jeher, durch neue Erscheinungen geblendet, ebenso rasch den Rücken kehrte.<lb/>
Man denke nur an den seiner Zeit so berühmten Apollosaal.  Gerade wie<lb/>
heute nach der ausgiebigen Lection bei Königgrätz und dem gegenwärtigen<lb/>
politisch und finanziell zerrütteten Zustand der Monarchie großartige Unter¬<lb/>
nehmungen ins Leben treten und die auf allen noch freien Plätzen zahllos<lb/>
auftauchenden Bauten Wiens Zeugniß von der Unverwüstlichkeit des Reiches<lb/>
ablegen, öffneten sich im Jahre 1805 nach dem Friedensabschluß von Preßburg<lb/>
alle Schleusen der Wiener Vergnügungssucht.  Unter andern unternahm<lb/>
ein reicher Bürger, der Mechaniker Wolfssohn, in der Vorstadt Schottenfeld<lb/>
den Bau eines Tanzlocales, wie Wien bis dahin noch keins gesehen.<lb/>
Schottenfeld wurde damals &#x201E;der Brillantengrund" genannt und die Fabriks¬<lb/>
herren jener Vorstadt wußten diese Benennung zur Wahrheit zu machen. Mit<lb/>
Stolz sahen sie in ihrer Mitte ein Gebäude entstehen, das mit Sardanapali-<lb/>
scher Pracht hinanstrebte.  Tausende von Kerzen beleuchteten den riesigen<lb/>
Haupt- und den kleineren Tanzsaal, den Speisecircus, den griechischen Banket-<lb/>
saal und eine Reihe einzelner Gemächer.  In der Mitte lag ein blühender,<lb/>
mit Glas überwölbter Garten mit drei großen Glashäusern, eine Allee von<lb/>
duftigen Rosen und ein krystallner Corridor führten von da zum Riesensaal, ^<lb/>
der mit orientalischem Luxus ausgestattet war.  Möbel von Mahagony- und<lb/>
Ebenholz, Canapees mit Sammt und schweren Seidenstoffen, die Tische mit<lb/>
feinstem Leinendamast gedeckt, auf denen kolossale Aufsätze von feinstem Silber<lb/>
prangten, welche allein ein Gewicht von zwanzig Centner betrugen; ein Ge-<lb/>
woge von vielen Tausenden von Menschen, die selbst der Eintrittspreis von<lb/>
30 si. nicht abschreckte, die Pracht mit eigenen Augen anzusehen und ihre<lb/>
Brillanten, schwere Goldketten und sonstigen Schmuck zur Schau zu tragen<lb/>
&#x2014; dieses Bild bot der ehemalige Apollos aal.  Am Eröffnungstage,<lb/>
10. Januar 1808, bedürfte es einer Eskadron Husaren, um die Passage frei<lb/>
zu halten; Wagen an Wagen reihte sich an, immer wieder neue Gäste zu¬<lb/>
führend.  Im Banketsaal saßen Minister, Fürsten, Fabrikantenfamilien in<lb/>
bunter Reihe und die Letzteren zeigten sich beim Verschwenden als die Ersten.<lb/>
Der Wein wurde aus den feinsten Gläsern getrunken, der Champagner in<lb/>
silbernen Gefäßen eingekühlt und in den Nebenlvcalitäten, wo geraucht wurde,<lb/>
kam es wohl vor, daß einer der Fabriksherrnsöhne im Uebermuth dem An¬<lb/>
dern die Pfeife mit einem Hundertgulden-Bankozettel anzündete. Selbst</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0458] Zu bedauern ist, daß man gezwungen war, Mietsparteien und sogar einem Wirth im Hause Quartier zu geben; so mancher sonstigen Uebelstände nicht zu gedenken, für die man hoffentlich in der nächsten Ferienzeit Abhilfe finden wird. Der beabsichtigte Zweck, durch eine recht in die Augen fallende Pracht die Masse des Publicums anzuziehen, ist für die Dauer sehr problematisch und erinnert an ähnliche prunkvolle Unternehmungen, denen der Wiener von jeher, durch neue Erscheinungen geblendet, ebenso rasch den Rücken kehrte. Man denke nur an den seiner Zeit so berühmten Apollosaal. Gerade wie heute nach der ausgiebigen Lection bei Königgrätz und dem gegenwärtigen politisch und finanziell zerrütteten Zustand der Monarchie großartige Unter¬ nehmungen ins Leben treten und die auf allen noch freien Plätzen zahllos auftauchenden Bauten Wiens Zeugniß von der Unverwüstlichkeit des Reiches ablegen, öffneten sich im Jahre 1805 nach dem Friedensabschluß von Preßburg alle Schleusen der Wiener Vergnügungssucht. Unter andern unternahm ein reicher Bürger, der Mechaniker Wolfssohn, in der Vorstadt Schottenfeld den Bau eines Tanzlocales, wie Wien bis dahin noch keins gesehen. Schottenfeld wurde damals „der Brillantengrund" genannt und die Fabriks¬ herren jener Vorstadt wußten diese Benennung zur Wahrheit zu machen. Mit Stolz sahen sie in ihrer Mitte ein Gebäude entstehen, das mit Sardanapali- scher Pracht hinanstrebte. Tausende von Kerzen beleuchteten den riesigen Haupt- und den kleineren Tanzsaal, den Speisecircus, den griechischen Banket- saal und eine Reihe einzelner Gemächer. In der Mitte lag ein blühender, mit Glas überwölbter Garten mit drei großen Glashäusern, eine Allee von duftigen Rosen und ein krystallner Corridor führten von da zum Riesensaal, ^ der mit orientalischem Luxus ausgestattet war. Möbel von Mahagony- und Ebenholz, Canapees mit Sammt und schweren Seidenstoffen, die Tische mit feinstem Leinendamast gedeckt, auf denen kolossale Aufsätze von feinstem Silber prangten, welche allein ein Gewicht von zwanzig Centner betrugen; ein Ge- woge von vielen Tausenden von Menschen, die selbst der Eintrittspreis von 30 si. nicht abschreckte, die Pracht mit eigenen Augen anzusehen und ihre Brillanten, schwere Goldketten und sonstigen Schmuck zur Schau zu tragen — dieses Bild bot der ehemalige Apollos aal. Am Eröffnungstage, 10. Januar 1808, bedürfte es einer Eskadron Husaren, um die Passage frei zu halten; Wagen an Wagen reihte sich an, immer wieder neue Gäste zu¬ führend. Im Banketsaal saßen Minister, Fürsten, Fabrikantenfamilien in bunter Reihe und die Letzteren zeigten sich beim Verschwenden als die Ersten. Der Wein wurde aus den feinsten Gläsern getrunken, der Champagner in silbernen Gefäßen eingekühlt und in den Nebenlvcalitäten, wo geraucht wurde, kam es wohl vor, daß einer der Fabriksherrnsöhne im Uebermuth dem An¬ dern die Pfeife mit einem Hundertgulden-Bankozettel anzündete. Selbst

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/458
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/458>, abgerufen am 01.09.2024.