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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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noch Niemand versucht und es mag mit daher rühren, daß selbst bei gebil¬
deten Kennern der deutschen und speciell der preußischen Geschichte nicht
immer klare Einsicht in den Bildungszuwachs ihres Staates angetroffen
wird. Wie es in dieser Hinsicht in dem weiteren gebildeten Publicum stand,
bedarf keiner Ausführung.

Wir hoffen aber, daß jeder aus dieser exacten, lichtvollen und re¬
lativ so knappen Darstellung die Lücken seines Wissens möglichst ergänzen
möge. Der Verfasser hat es verstanden, die beiden Hauptmomente, welche
gründliche Forschung und klares Denken als die eigentlichen Lebensmo¬
mente in der Bildungsgeschichte des preußischen Staates mit Nothwendig¬
keit herausfinden muß, seine leibliche und geistige Zugehörigkeit zu dem all¬
gemein deutschen Wesen und seine von Anfang an daneben und darin noch
feststehende Eigenart in ihrer gegenseitigen Beschränkung und Bedingung, in
ihrer fortwährenden Wechselbeziehung scharf und sicher herauszuarbeiten, und
er hat damit nicht blos für seinen speciellen Zweck, sondern für das Ver¬
ständniß der deutschen geschichtlichen Entwickelung überhaupt sich ein unbe¬
streitbares Verdienst erworben. Dabei können wir den Wunsch nicht unter¬
drücken, daß es ihm oder einem anderen Berufenen gefallen möge, uns an
der Stelle dieser Skizze eine mit farbenreichen Pinsel ausgeführte preußische
Staats- und Rechtsgeschichte zu geben. Deutsche Staats- und Rechtsge¬
schichten besitzen wir in fast erschrecklicher Masse, gute und minder gute zu¬
sammengerechnet. Doch auch an wirklich guten ist kein Mangel und ein
halbes Dutzend solcher kann Jeder an den Fingern herzählen. Gewiß ließe
sich auch hier trotz des Guten noch etwas Besseres schaffen und ebenso gewiß
ist es, daß bet alledem manche Seiten der deutschen rechtsgeschtchtlichen Ent¬
wickelung noch immer nur kärglich, manche so gut wie gar nicht dargestellt
sind, z. B. die Geschichte der deutschen privatrechtlichen Institute in ihrem
Verhältnisse zu der Culturgeschichte des deutschen Volkes.

Trotzdem aber dürften wir noch auf eine Reihe von Jahren mit dem
bisher geleisteten uns genügen lassen, wenn wir dafür die Kraft unserer
Rechtshistoriker auf die Bestellung des relativ so viel wichtigeren und jeden¬
falls fruchtbareren Feldes, das wir bezeichnet haben, hingewendet sähen. Daß
es bis jetzt nicht geschehen ist, mag aus demselben Grunde erklärt werden,
aus dem sich der gänzliche Mangel systematischer Arbeiten auf dem theoreti¬
schen Gebiete des preußischen Staatsrechtes erklärt. Heute aber ist dieser
Grund hinfällig geworden, Jeder, der nicht vorsätzlich die Augen schließt,
muß sehen, zu welchem realen Ziel diese preußische Staatskraft seit den
Zeiten des großen Kurfürsten hinstrebte. Denn es würde in der Hauptsache
genügen, wenn man eine solche historische Darstellung der preußischen Staats¬
entwickelung mit diesem Vater des preußischen Staats der Neuzeit begönne.


noch Niemand versucht und es mag mit daher rühren, daß selbst bei gebil¬
deten Kennern der deutschen und speciell der preußischen Geschichte nicht
immer klare Einsicht in den Bildungszuwachs ihres Staates angetroffen
wird. Wie es in dieser Hinsicht in dem weiteren gebildeten Publicum stand,
bedarf keiner Ausführung.

Wir hoffen aber, daß jeder aus dieser exacten, lichtvollen und re¬
lativ so knappen Darstellung die Lücken seines Wissens möglichst ergänzen
möge. Der Verfasser hat es verstanden, die beiden Hauptmomente, welche
gründliche Forschung und klares Denken als die eigentlichen Lebensmo¬
mente in der Bildungsgeschichte des preußischen Staates mit Nothwendig¬
keit herausfinden muß, seine leibliche und geistige Zugehörigkeit zu dem all¬
gemein deutschen Wesen und seine von Anfang an daneben und darin noch
feststehende Eigenart in ihrer gegenseitigen Beschränkung und Bedingung, in
ihrer fortwährenden Wechselbeziehung scharf und sicher herauszuarbeiten, und
er hat damit nicht blos für seinen speciellen Zweck, sondern für das Ver¬
ständniß der deutschen geschichtlichen Entwickelung überhaupt sich ein unbe¬
streitbares Verdienst erworben. Dabei können wir den Wunsch nicht unter¬
drücken, daß es ihm oder einem anderen Berufenen gefallen möge, uns an
der Stelle dieser Skizze eine mit farbenreichen Pinsel ausgeführte preußische
Staats- und Rechtsgeschichte zu geben. Deutsche Staats- und Rechtsge¬
schichten besitzen wir in fast erschrecklicher Masse, gute und minder gute zu¬
sammengerechnet. Doch auch an wirklich guten ist kein Mangel und ein
halbes Dutzend solcher kann Jeder an den Fingern herzählen. Gewiß ließe
sich auch hier trotz des Guten noch etwas Besseres schaffen und ebenso gewiß
ist es, daß bet alledem manche Seiten der deutschen rechtsgeschtchtlichen Ent¬
wickelung noch immer nur kärglich, manche so gut wie gar nicht dargestellt
sind, z. B. die Geschichte der deutschen privatrechtlichen Institute in ihrem
Verhältnisse zu der Culturgeschichte des deutschen Volkes.

Trotzdem aber dürften wir noch auf eine Reihe von Jahren mit dem
bisher geleisteten uns genügen lassen, wenn wir dafür die Kraft unserer
Rechtshistoriker auf die Bestellung des relativ so viel wichtigeren und jeden¬
falls fruchtbareren Feldes, das wir bezeichnet haben, hingewendet sähen. Daß
es bis jetzt nicht geschehen ist, mag aus demselben Grunde erklärt werden,
aus dem sich der gänzliche Mangel systematischer Arbeiten auf dem theoreti¬
schen Gebiete des preußischen Staatsrechtes erklärt. Heute aber ist dieser
Grund hinfällig geworden, Jeder, der nicht vorsätzlich die Augen schließt,
muß sehen, zu welchem realen Ziel diese preußische Staatskraft seit den
Zeiten des großen Kurfürsten hinstrebte. Denn es würde in der Hauptsache
genügen, wenn man eine solche historische Darstellung der preußischen Staats¬
entwickelung mit diesem Vater des preußischen Staats der Neuzeit begönne.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/398>, abgerufen am 18.12.2024.