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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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dornenvollen Postens gesehnt hatte. Dieses Erfolgs also kann sich die pa¬
triotische Partei rühmen. Doch die Freude sollte ihr erheblich verkümmert
werden durch die Ernennung des Mannes, der die Erbschaft des Herrn
v. Wagner zu übernehmen bestimmt war.

Der König hatte sich zuerst an den ritterschaftlichen Abgeordneten Frei-
Herrn v. Wiederholt gewandt, der bis zum Mai 1866 Kriegsminister war
und damals zurücktrat, weil er die Verantwortung für die frivole Kriegs-
Politik nicht übernehmen wollte. Freimüthig hat er jederzeit seine nationale
Gesinnung bekannt, auch jetzt wollte er den Auftrag nur annehmen, wenn
ein durchgreifender und eclatanter Systemwechsel damit verbunden wäre. Er
stellte zur Bedingung seines Eintritts die Entlassung der Herren Varnbüler,
Miltnacht und Gotther, und den Erlaß einer königl. Proklamation an das
würtenbergische Volk im Sinn des entschiedenen Anschlusses an den nord¬
deutschen Bund. Ohne Zweifel wäre dies die erwünschteste Lösung gewesen.
Vielleicht hätte gerade die Größe dieses Entschlusses rasch eine Umstimmung
des Landes herbeigeführt. Aber vor einem so heroischen Mittel schreckte man
an höchster Stelle doch zurück, dazu schien in der jetzigen Lage, wofern man
dem Wunsch der Kammermehrheit entgegenkommen konnte, noch keine Nöthi"
Kürg zu liegen. Aber man suchte den neuen Kriegsminister in demselben
Lager, und man traf eine Wahl, die in mancher Beziehung noch bezeichnen¬
der war.

Der Nachfolger des Frhrn. v. Wagner ist der Generalmajor v. Succow,
ein verhältnißmäßig noch junger Officier, ein ganzer Soldat, herrisch, mehr
gefürchtet als beliebt, aber ausgezeichnet durch den Schwung seiner Ideen
und Adel der Gesinnung, wie durch unbeugsame Willenskraft, schon seit dem
Jahr 1866 um seiner rücksichtslos bekannten Neigung zu Preußen willen ein
Dorn im Auge der Demokratie, deren Presse den Mann mit der derben
Faust und dem eisernen Nacken als eine Art von Ungeheuer, als lebendige
Jncarnation des Militärteufels den schaudernden Parteigenossrn auf dem
Lande zu beschreiben pflegte. Ein freimüthiger Bericht, den er über den
Mainfeldzug dem König vorlegte, gab den ersten Anstoß zu der Umwand¬
lung unseres Heerwesens nach dem preußischen System. Seitdem war er
als Adjutant, dann als Chef des Generalstabs der vertraute Rathgeber des
Generals v. Wagner, dessen rechter Arm bei der Durchführung der neuen
Heereseinrichtungen. Aus seiner Verachtung der süddeutschen Demokratie
hat er nie ein Hehl gemacht, und im Frühjahr 1868, als der "Beobachter"
das Land mit dem Areolay-Schwindel in Allarm zu setzen versuchte, schrieb
Succow die bekannte Flugschrift: "Wo Süddeutschland Schutz für sein Da¬
sein findet?", eine Schrift, die überzeugend und mir begeisterter Rede aus-


Grenzboten II. 1870. 4

dornenvollen Postens gesehnt hatte. Dieses Erfolgs also kann sich die pa¬
triotische Partei rühmen. Doch die Freude sollte ihr erheblich verkümmert
werden durch die Ernennung des Mannes, der die Erbschaft des Herrn
v. Wagner zu übernehmen bestimmt war.

Der König hatte sich zuerst an den ritterschaftlichen Abgeordneten Frei-
Herrn v. Wiederholt gewandt, der bis zum Mai 1866 Kriegsminister war
und damals zurücktrat, weil er die Verantwortung für die frivole Kriegs-
Politik nicht übernehmen wollte. Freimüthig hat er jederzeit seine nationale
Gesinnung bekannt, auch jetzt wollte er den Auftrag nur annehmen, wenn
ein durchgreifender und eclatanter Systemwechsel damit verbunden wäre. Er
stellte zur Bedingung seines Eintritts die Entlassung der Herren Varnbüler,
Miltnacht und Gotther, und den Erlaß einer königl. Proklamation an das
würtenbergische Volk im Sinn des entschiedenen Anschlusses an den nord¬
deutschen Bund. Ohne Zweifel wäre dies die erwünschteste Lösung gewesen.
Vielleicht hätte gerade die Größe dieses Entschlusses rasch eine Umstimmung
des Landes herbeigeführt. Aber vor einem so heroischen Mittel schreckte man
an höchster Stelle doch zurück, dazu schien in der jetzigen Lage, wofern man
dem Wunsch der Kammermehrheit entgegenkommen konnte, noch keine Nöthi«
Kürg zu liegen. Aber man suchte den neuen Kriegsminister in demselben
Lager, und man traf eine Wahl, die in mancher Beziehung noch bezeichnen¬
der war.

Der Nachfolger des Frhrn. v. Wagner ist der Generalmajor v. Succow,
ein verhältnißmäßig noch junger Officier, ein ganzer Soldat, herrisch, mehr
gefürchtet als beliebt, aber ausgezeichnet durch den Schwung seiner Ideen
und Adel der Gesinnung, wie durch unbeugsame Willenskraft, schon seit dem
Jahr 1866 um seiner rücksichtslos bekannten Neigung zu Preußen willen ein
Dorn im Auge der Demokratie, deren Presse den Mann mit der derben
Faust und dem eisernen Nacken als eine Art von Ungeheuer, als lebendige
Jncarnation des Militärteufels den schaudernden Parteigenossrn auf dem
Lande zu beschreiben pflegte. Ein freimüthiger Bericht, den er über den
Mainfeldzug dem König vorlegte, gab den ersten Anstoß zu der Umwand¬
lung unseres Heerwesens nach dem preußischen System. Seitdem war er
als Adjutant, dann als Chef des Generalstabs der vertraute Rathgeber des
Generals v. Wagner, dessen rechter Arm bei der Durchführung der neuen
Heereseinrichtungen. Aus seiner Verachtung der süddeutschen Demokratie
hat er nie ein Hehl gemacht, und im Frühjahr 1868, als der „Beobachter"
das Land mit dem Areolay-Schwindel in Allarm zu setzen versuchte, schrieb
Succow die bekannte Flugschrift: „Wo Süddeutschland Schutz für sein Da¬
sein findet?", eine Schrift, die überzeugend und mir begeisterter Rede aus-


Grenzboten II. 1870. 4
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/31>, abgerufen am 27.07.2024.