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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Militärbudget, insbesondere durch Herabsetzung der Präsenzzeit verlangte und
die Regierung ersuchte, sofort die entsprechenden Veränderungen einzuleiten.
Der Antrag war am 11. März eingebracht worden. Am 17. März wurde
er durch Probst, den Führer der Patrioten, begründet und zwar dahin er¬
läutert, daß eine einjährige Präsenz für Infanterie und Artillerie, eine zwei¬
jährige für die Reiterei, und im ganzen ein Ersparnis; von S--600,000 si.
begehrt wurde, -- bescheidene Forderungen im Vergleich zu der Sprache,
die gleichzeitig auf Hunderten von Volksversammlungen im Lande geführt
wurde; auch waren sie absichtlich nicht mit politischen, sondern möglichst un¬
schuldig, lediglich mit wirthschaftlichen und finanziellen Gründen belegt. Der
Antrag, dessen Unterzeichner bereits die Mehrheit der Kammermitglieder aus¬
machten, wurde der am gleichen Tag gewählten Finanzcommission übergeben,
und diese beauftragte den unvermeidlichen Referenten Moritz Mohl mit der
schleunigen Berichterstattung. Diesmal leistete auch Mohl in der That das
Unglaubliche. Die Schnelligkeit seiner Feder, die trotzdem eine untadelhafte
Batterie von Zahlen ausführte, ließ nichts zu wünschen! übrig. Nur um
so tragischer war das ^ Geschick, dem gleichwohl dieser Mohl'sche Bericht
nicht entgehen konnte. Auch er sollte aus der Druckerei erst hervorgehen,
nachdem ihn der Laus der Weltgeschichte grausam überholt hatte. Zur Stunde
da er an die Kammermitglieder vertheilt werden sollte, genossen diese bereits
am häuslichen Heerde die Freuden der Vertagung. Sobald nämlich bekannt
geworden war, daß der Mohl'sche Entwurf, der im Wesentlichen jenen An¬
trag befürwortete, die Mehrheit der Commissionsmitglieder erhalten hatte,
brach im Schoß des Ministeriums die Krisis aus. Um der Opposition die
Spitze abzubrechen, oder -- wie seit geraumer Zeit verlautet hatte, -- ins¬
geheim mit den Führern der Patrioten einverstanden, drängten Varnbüler
und Mittnacht in den Kriegsminister, daß er entsprechend dem Verlangen der
Commission seinen Etat um ^ Mill. si. verkürze. Frhr. v. Wagner, der
seinen Etat auss Sparsamste eingerichtet hatte -- er allein von allen Ministern
trat im Budgetentwurf mit einer namhaften Reduction gegen den vorigen
Etat vor die Kammer -- erklärte weitere Reductionen für schlechterdings
unmöglich. So war der Conflict blosgelegt, das Gesammtministerium reichte
dem König seine Entlassung ein, drei Tage später erfolgte die Entscheidung,
die am Morgen des 24. wie eine Bombe in den Halbmondsaal schlug.

Die Vertagung der Kammer war damit motivirt, daß der Hauptfinanz¬
etat für 1870--1873 "behufs möglichster Ersparnisse, besonders im Kriegs¬
departement" einer erneuten Prüfung unterzogen werden solle. In dieser
Zusicherung lag das Entgegenkommen gegen die Kammermehrheit. Gleich¬
bedeutend damit war die Entlassung des Generals v. Wagner, der mit seinem
Budget stand und fiel, und der sich längst nach der Niederlegung seines


Militärbudget, insbesondere durch Herabsetzung der Präsenzzeit verlangte und
die Regierung ersuchte, sofort die entsprechenden Veränderungen einzuleiten.
Der Antrag war am 11. März eingebracht worden. Am 17. März wurde
er durch Probst, den Führer der Patrioten, begründet und zwar dahin er¬
läutert, daß eine einjährige Präsenz für Infanterie und Artillerie, eine zwei¬
jährige für die Reiterei, und im ganzen ein Ersparnis; von S—600,000 si.
begehrt wurde, — bescheidene Forderungen im Vergleich zu der Sprache,
die gleichzeitig auf Hunderten von Volksversammlungen im Lande geführt
wurde; auch waren sie absichtlich nicht mit politischen, sondern möglichst un¬
schuldig, lediglich mit wirthschaftlichen und finanziellen Gründen belegt. Der
Antrag, dessen Unterzeichner bereits die Mehrheit der Kammermitglieder aus¬
machten, wurde der am gleichen Tag gewählten Finanzcommission übergeben,
und diese beauftragte den unvermeidlichen Referenten Moritz Mohl mit der
schleunigen Berichterstattung. Diesmal leistete auch Mohl in der That das
Unglaubliche. Die Schnelligkeit seiner Feder, die trotzdem eine untadelhafte
Batterie von Zahlen ausführte, ließ nichts zu wünschen! übrig. Nur um
so tragischer war das ^ Geschick, dem gleichwohl dieser Mohl'sche Bericht
nicht entgehen konnte. Auch er sollte aus der Druckerei erst hervorgehen,
nachdem ihn der Laus der Weltgeschichte grausam überholt hatte. Zur Stunde
da er an die Kammermitglieder vertheilt werden sollte, genossen diese bereits
am häuslichen Heerde die Freuden der Vertagung. Sobald nämlich bekannt
geworden war, daß der Mohl'sche Entwurf, der im Wesentlichen jenen An¬
trag befürwortete, die Mehrheit der Commissionsmitglieder erhalten hatte,
brach im Schoß des Ministeriums die Krisis aus. Um der Opposition die
Spitze abzubrechen, oder — wie seit geraumer Zeit verlautet hatte, — ins¬
geheim mit den Führern der Patrioten einverstanden, drängten Varnbüler
und Mittnacht in den Kriegsminister, daß er entsprechend dem Verlangen der
Commission seinen Etat um ^ Mill. si. verkürze. Frhr. v. Wagner, der
seinen Etat auss Sparsamste eingerichtet hatte — er allein von allen Ministern
trat im Budgetentwurf mit einer namhaften Reduction gegen den vorigen
Etat vor die Kammer — erklärte weitere Reductionen für schlechterdings
unmöglich. So war der Conflict blosgelegt, das Gesammtministerium reichte
dem König seine Entlassung ein, drei Tage später erfolgte die Entscheidung,
die am Morgen des 24. wie eine Bombe in den Halbmondsaal schlug.

Die Vertagung der Kammer war damit motivirt, daß der Hauptfinanz¬
etat für 1870—1873 „behufs möglichster Ersparnisse, besonders im Kriegs¬
departement" einer erneuten Prüfung unterzogen werden solle. In dieser
Zusicherung lag das Entgegenkommen gegen die Kammermehrheit. Gleich¬
bedeutend damit war die Entlassung des Generals v. Wagner, der mit seinem
Budget stand und fiel, und der sich längst nach der Niederlegung seines


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/30>, abgerufen am 27.07.2024.