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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Auch diesmal aber lag dem König der Rhein näher als der Nil. Im
September 1688. vier Jahre nach dem Regensburger Uebereinkommen, brach
Ludwig den 20 jährigen Waffenstillstand, indem er gleichzeitig mit seiner
Kriegserklärung den Rhein überfiel und mit seinen Banden den fränkischen
und schwäbischen Kreis überschwemmte. Das zerstörte Schloß von Heidel¬
berg, die Niederbrennung von Worms. die Plünderung von Speier mit den
geschändeten Kaisergräbern sind die unverlöschlichem Erinnerungen an diesen
Ueberfall. Jetzt galt Leibnizens Feder selbstverständlich wieder der Sache
des Kriegs. Gegen die übermüthige französische Kriegserklärung schrieb er
das kaiserliche Antwortsmanifest. Bekanntlich hat schon Guhrauer als dessen
Verfasser Leibniz in Anspruch genommen; Klopp findet die Gründe nicht be¬
weisend, während Pfleiderer wieder die Einwendungen Klopps als un¬
zutreffend zurückweist. Gleichzeitig verfaßt Leibniz die für die Höfe bestimm¬
ten R6üöxiovs Lur 1a äsdaiÄtiou as 1a suerrs, die unzweifelhaft von Leib¬
niz herrühren und ein ausführlicher Commentar zum Manifest, ein um¬
fassender Anklageact gegen Ludwigs Eroberungspolitik sind. Wir heben nur
die eine Stelle heraus: "das französische Manifest sagt, diese Abtretungen
(von Straßburg und Luxemburg) werden alle Ursache des Mißverständnisses
zwischen Deutschland und Frankreich aus dem Wege räumen. Allein da fehlt
es doch weit. Ist dieser Uebermuth, der alle Geduldfäden reißen macht,
nicht vielmehr das, was die gemäßigtsten Geister, welche noch einen Funken
von Ehre im Leibe haben, nur erbittern muß, statt die Mißverständnisse zu
heben? Das ist am Tag. es gibt in Ewigkeit keine Ruhe zwischen Deutsch¬
land und Frankreich, wenn dieses nicht seine unerträglichen Räubereien wieder
gut macht. Ist es doch wahrlich keine Kleinigkeit, deren beständige Ab¬
tretung Frankreich uns zumuthet. Ueberhaupt kann man das Lachen nicht
halten, wenn man die Franzosen den sehnlicher Wunsch nach einem bestän¬
digen Frieden aussprechen und sich beklagen hört, daß wir so wenig Neigung
zu einem so großem Gute haben. Wenn diese Herren den Frieden predigen,
so ist das fast wie die Predigt, welche Reineke Fuchs unterwegs auf seiner
Pilgerfahrt einem Hühnerhofe hielt. Dahin muß man sie schicken, wo's aller¬
dings einen ewigen Frieden gibt -- auf den Kirchhof! . . . Das deutsche
Volk ist mit einer noch nie erhörten Unverschämtheit behandelt worden; die
Schmach desselben wird ewig bleiben, wenn sie nicht abgewaschen wird --
im Blut der Feinde. Finden wir kein Mittel, die Quartiere jenseits des
Rheins aufzuschlagen, und den Schrecken ins Feindesland selbst zu tragen,
s° braucht man kein Prophet oder Prophetenschüler zu sein, um einen für
uns schimpflichen Frieden vorauszusagen. Wenn aber Frankreich sich dies¬
mal in seinem Raub erhält, dann gute Nacht Unabhängigkeit von Europa!"
Die Schrift führt dann noch aus, daß jetzt Alles günstig liege, und schließt


Auch diesmal aber lag dem König der Rhein näher als der Nil. Im
September 1688. vier Jahre nach dem Regensburger Uebereinkommen, brach
Ludwig den 20 jährigen Waffenstillstand, indem er gleichzeitig mit seiner
Kriegserklärung den Rhein überfiel und mit seinen Banden den fränkischen
und schwäbischen Kreis überschwemmte. Das zerstörte Schloß von Heidel¬
berg, die Niederbrennung von Worms. die Plünderung von Speier mit den
geschändeten Kaisergräbern sind die unverlöschlichem Erinnerungen an diesen
Ueberfall. Jetzt galt Leibnizens Feder selbstverständlich wieder der Sache
des Kriegs. Gegen die übermüthige französische Kriegserklärung schrieb er
das kaiserliche Antwortsmanifest. Bekanntlich hat schon Guhrauer als dessen
Verfasser Leibniz in Anspruch genommen; Klopp findet die Gründe nicht be¬
weisend, während Pfleiderer wieder die Einwendungen Klopps als un¬
zutreffend zurückweist. Gleichzeitig verfaßt Leibniz die für die Höfe bestimm¬
ten R6üöxiovs Lur 1a äsdaiÄtiou as 1a suerrs, die unzweifelhaft von Leib¬
niz herrühren und ein ausführlicher Commentar zum Manifest, ein um¬
fassender Anklageact gegen Ludwigs Eroberungspolitik sind. Wir heben nur
die eine Stelle heraus: „das französische Manifest sagt, diese Abtretungen
(von Straßburg und Luxemburg) werden alle Ursache des Mißverständnisses
zwischen Deutschland und Frankreich aus dem Wege räumen. Allein da fehlt
es doch weit. Ist dieser Uebermuth, der alle Geduldfäden reißen macht,
nicht vielmehr das, was die gemäßigtsten Geister, welche noch einen Funken
von Ehre im Leibe haben, nur erbittern muß, statt die Mißverständnisse zu
heben? Das ist am Tag. es gibt in Ewigkeit keine Ruhe zwischen Deutsch¬
land und Frankreich, wenn dieses nicht seine unerträglichen Räubereien wieder
gut macht. Ist es doch wahrlich keine Kleinigkeit, deren beständige Ab¬
tretung Frankreich uns zumuthet. Ueberhaupt kann man das Lachen nicht
halten, wenn man die Franzosen den sehnlicher Wunsch nach einem bestän¬
digen Frieden aussprechen und sich beklagen hört, daß wir so wenig Neigung
zu einem so großem Gute haben. Wenn diese Herren den Frieden predigen,
so ist das fast wie die Predigt, welche Reineke Fuchs unterwegs auf seiner
Pilgerfahrt einem Hühnerhofe hielt. Dahin muß man sie schicken, wo's aller¬
dings einen ewigen Frieden gibt — auf den Kirchhof! . . . Das deutsche
Volk ist mit einer noch nie erhörten Unverschämtheit behandelt worden; die
Schmach desselben wird ewig bleiben, wenn sie nicht abgewaschen wird —
im Blut der Feinde. Finden wir kein Mittel, die Quartiere jenseits des
Rheins aufzuschlagen, und den Schrecken ins Feindesland selbst zu tragen,
s° braucht man kein Prophet oder Prophetenschüler zu sein, um einen für
uns schimpflichen Frieden vorauszusagen. Wenn aber Frankreich sich dies¬
mal in seinem Raub erhält, dann gute Nacht Unabhängigkeit von Europa!"
Die Schrift führt dann noch aus, daß jetzt Alles günstig liege, und schließt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/21>, abgerufen am 27.07.2024.