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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Anordnung und im Einstudiren fand man immer Behagen, und die Tendenz
seiner Leitung wirkte immer erfreulich, der gewissenhafte Ernst, in welchem
er die Bühne und ihre schöne Kunst als ein großes Culturmittel zur Ver-
edlung des Geschmacks und zur Bildung des Gemüths auffaßt.

Es ist nicht unbekannt, in welch verstörtem Zustande sich das Karls¬
ruher Hoftheater befand, als Ed. Devrient im Jahre 1862 die Reorganisation
desselben übernahm. Der gräuliche Brand im Jahre 1847 hatte das Gebäude
vernichtet, seit fünf Jahren war die Bühne in einem ehemaligen Orangerie¬
gebäude aufgeschlagen. Durch Krieg und manches Unglück im Fürstenhause
waren die Interessen des Hofes und der Gesellschaft dem Theater entfremdet.
Das Kunstpersonal war bei den Gehaltreductionen im Kriege vermindert
und der besten Kräfte beraubt worden. Das aus dem Brande gerettete
Inventarium war in jeder Weise ungenügend für das neue Haus, das im
Bau begriffen der Vollendung nahe war. Die ungeeignete Leitung und
Autorität hatte den ganzen künstlerischen Betrieb aufs Aeußerste verwildert
und die moralische Haltung verwahrlost. Das Repertoir war gemäß dem
allgemeinen Zustande, die italienischen Opern und Gesangspossen dem Publi-
cum zur Lieblingskost geworden.

Gluck war der Karlsruher Oper ein Fremdling. Shakespeare war dem
Publieum nur als seltene Erscheinung durch die gewöhnlichen Gastspielstücke
bekannt. Bei Annahme moderner Gedichte folgte man dem Vorgange anderer
Bühnen. Die Mühe der Prüfung aller erscheinenden Novitäten ersparte
man sich, deshalb auch den Vortritt mit irgend einer Aufführung.

Der Cotterie und Geltendmachung des Sonderwesens war Thür und
Thor geöffnet.

Der damalige Prinz und Regent Friedrich von Baden berief Devrient,
der ihm wohl nur durch seine Schriften bekannt war, um dieser Anarchie
und Demoralisation seines Theaters vor dem noch unentweihten neuen
Hause ein Ende zu machen und in seiner Bühne seiner Hauptstadt eine wahre
Kunstanstalt, ein neues Culturmittel zu schaffen. Er wollte den Versuch
wagen, das Ideal der Devrient'schen Lehre zu verwirklichen und dem Her¬
kommen zum Trotz einen Bürgerlichen und Fachmann unmittelbar von der
Bühne hinweg an die Spitze zu stellen.

Im October 1862 begann Eduard D. noch mit dem alten Bestände
des Personals und in dem alten Noththeater die Arbeit seiner Reorgani¬
sation. Die innere Einrichtung des neuen Hauses, das leider im Wesent¬
lichen fertig war, konnte er nur in Kleinigkeiten noch corrigiren. Ein fast
gänzlich neues Inventarium an Decorationen und Costümen mußte beschafft
und bei den geringen Geldmitteln die zweckmäßige Verwendbarkeit jedes
Stückes sür mannigfachsten Gebrauch berücksichtigt werden.


Anordnung und im Einstudiren fand man immer Behagen, und die Tendenz
seiner Leitung wirkte immer erfreulich, der gewissenhafte Ernst, in welchem
er die Bühne und ihre schöne Kunst als ein großes Culturmittel zur Ver-
edlung des Geschmacks und zur Bildung des Gemüths auffaßt.

Es ist nicht unbekannt, in welch verstörtem Zustande sich das Karls¬
ruher Hoftheater befand, als Ed. Devrient im Jahre 1862 die Reorganisation
desselben übernahm. Der gräuliche Brand im Jahre 1847 hatte das Gebäude
vernichtet, seit fünf Jahren war die Bühne in einem ehemaligen Orangerie¬
gebäude aufgeschlagen. Durch Krieg und manches Unglück im Fürstenhause
waren die Interessen des Hofes und der Gesellschaft dem Theater entfremdet.
Das Kunstpersonal war bei den Gehaltreductionen im Kriege vermindert
und der besten Kräfte beraubt worden. Das aus dem Brande gerettete
Inventarium war in jeder Weise ungenügend für das neue Haus, das im
Bau begriffen der Vollendung nahe war. Die ungeeignete Leitung und
Autorität hatte den ganzen künstlerischen Betrieb aufs Aeußerste verwildert
und die moralische Haltung verwahrlost. Das Repertoir war gemäß dem
allgemeinen Zustande, die italienischen Opern und Gesangspossen dem Publi-
cum zur Lieblingskost geworden.

Gluck war der Karlsruher Oper ein Fremdling. Shakespeare war dem
Publieum nur als seltene Erscheinung durch die gewöhnlichen Gastspielstücke
bekannt. Bei Annahme moderner Gedichte folgte man dem Vorgange anderer
Bühnen. Die Mühe der Prüfung aller erscheinenden Novitäten ersparte
man sich, deshalb auch den Vortritt mit irgend einer Aufführung.

Der Cotterie und Geltendmachung des Sonderwesens war Thür und
Thor geöffnet.

Der damalige Prinz und Regent Friedrich von Baden berief Devrient,
der ihm wohl nur durch seine Schriften bekannt war, um dieser Anarchie
und Demoralisation seines Theaters vor dem noch unentweihten neuen
Hause ein Ende zu machen und in seiner Bühne seiner Hauptstadt eine wahre
Kunstanstalt, ein neues Culturmittel zu schaffen. Er wollte den Versuch
wagen, das Ideal der Devrient'schen Lehre zu verwirklichen und dem Her¬
kommen zum Trotz einen Bürgerlichen und Fachmann unmittelbar von der
Bühne hinweg an die Spitze zu stellen.

Im October 1862 begann Eduard D. noch mit dem alten Bestände
des Personals und in dem alten Noththeater die Arbeit seiner Reorgani¬
sation. Die innere Einrichtung des neuen Hauses, das leider im Wesent¬
lichen fertig war, konnte er nur in Kleinigkeiten noch corrigiren. Ein fast
gänzlich neues Inventarium an Decorationen und Costümen mußte beschafft
und bei den geringen Geldmitteln die zweckmäßige Verwendbarkeit jedes
Stückes sür mannigfachsten Gebrauch berücksichtigt werden.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/168>, abgerufen am 18.12.2024.