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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Eduard Wevrient als Theaterdirector.

Der verehrte Mann, welcher nach vieljähriger erfolgreicher Thätigkeit
die Leitung der Karlsruher Hofbühne aufgegeben hat, ist dem Vernehmen
nach damit beschäftigt, seine Theater-Erinnerungen aus den letzten Decennien
niederzuschreiben, wir wissen nicht, ob als Fortsetzung seiner Geschichte des
deutschen Theaters, ob in Memoirenform als persönliche Erlebnisse. Einen
Wunsch möchten wir dazu auf seinen Arbeitstisch senden: daß es ihm gefallen
möge, nicht nur die Grundsätze, nach denen er sein Theater geleitet hat,
sondern auch die technische Einrichtung, welche sich unter seiner Leitung bewährt
hat, recht reichlich und ausführlich darzustellen; vor allem, was seiner Bühne
bei Annahme der Stücke, bei Aptirung, Proben, scenischem Arrangement eigen¬
thümlich war. Wir meinen, daß in unserer Zeit gerade die administrative
und technische Behandlung dieser großen Culturanstalten ein Gegenstand allge¬
meinen Interesses sein müßte, wir glauben, daß man bei Schilderung der
Methode nicht leicht zu weitläufig werden kann, und daß solcher Bericht sich
sogar über die einzelnen großen Repertoirstücke Shakespeares, Schillers, Goethes
bis auf Striche, Arrangement der Hauptseenen und Besetzung der Hauptrollen
erstrecken sollte. Nur in dieser Weise vermag Devrient seine Thätigkeit, das
ehrliche, gewissenhafte, deutsche Streben und die gute Culturwirkung seiner
Bühne zu einem Gewinn für andere Theater und für das Kunstverständniß
unserer Zeit zu machen.

Unterdeß sei hier eine kurze Schilderung seiner Directorial-Leistungen
versucht. Seit dem Jahre 1862 ist auch von dieser Stelle aus seine mühevolle
Arbeit mit warmem Antheil verfolgt worden. Bei jedem Besuch in Karlsruhe
hat Schreiber dieser Zeilen das Theater mit Vergnügen und Nutzen besucht.
Es war besondere Freude, einen ganzen Mann zu sehen, der mit unermüd¬
licher Pflichttreue seine idealen 'Forderungen gegenüber schlechter Tagespro.
duetion, gegen die Kritik und die Gewöhnungen seines Publicums aufrecht
erhielt. War auch einmal eine Aufführung, wie das überall zu gehen pflegt,
nicht auf der Höhe, die vor Allen er selbst sich wünschte; an Einzelheiten in


Grenzboten II. 1870. 21
Eduard Wevrient als Theaterdirector.

Der verehrte Mann, welcher nach vieljähriger erfolgreicher Thätigkeit
die Leitung der Karlsruher Hofbühne aufgegeben hat, ist dem Vernehmen
nach damit beschäftigt, seine Theater-Erinnerungen aus den letzten Decennien
niederzuschreiben, wir wissen nicht, ob als Fortsetzung seiner Geschichte des
deutschen Theaters, ob in Memoirenform als persönliche Erlebnisse. Einen
Wunsch möchten wir dazu auf seinen Arbeitstisch senden: daß es ihm gefallen
möge, nicht nur die Grundsätze, nach denen er sein Theater geleitet hat,
sondern auch die technische Einrichtung, welche sich unter seiner Leitung bewährt
hat, recht reichlich und ausführlich darzustellen; vor allem, was seiner Bühne
bei Annahme der Stücke, bei Aptirung, Proben, scenischem Arrangement eigen¬
thümlich war. Wir meinen, daß in unserer Zeit gerade die administrative
und technische Behandlung dieser großen Culturanstalten ein Gegenstand allge¬
meinen Interesses sein müßte, wir glauben, daß man bei Schilderung der
Methode nicht leicht zu weitläufig werden kann, und daß solcher Bericht sich
sogar über die einzelnen großen Repertoirstücke Shakespeares, Schillers, Goethes
bis auf Striche, Arrangement der Hauptseenen und Besetzung der Hauptrollen
erstrecken sollte. Nur in dieser Weise vermag Devrient seine Thätigkeit, das
ehrliche, gewissenhafte, deutsche Streben und die gute Culturwirkung seiner
Bühne zu einem Gewinn für andere Theater und für das Kunstverständniß
unserer Zeit zu machen.

Unterdeß sei hier eine kurze Schilderung seiner Directorial-Leistungen
versucht. Seit dem Jahre 1862 ist auch von dieser Stelle aus seine mühevolle
Arbeit mit warmem Antheil verfolgt worden. Bei jedem Besuch in Karlsruhe
hat Schreiber dieser Zeilen das Theater mit Vergnügen und Nutzen besucht.
Es war besondere Freude, einen ganzen Mann zu sehen, der mit unermüd¬
licher Pflichttreue seine idealen 'Forderungen gegenüber schlechter Tagespro.
duetion, gegen die Kritik und die Gewöhnungen seines Publicums aufrecht
erhielt. War auch einmal eine Aufführung, wie das überall zu gehen pflegt,
nicht auf der Höhe, die vor Allen er selbst sich wünschte; an Einzelheiten in


Grenzboten II. 1870. 21
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[0167] Eduard Wevrient als Theaterdirector. Der verehrte Mann, welcher nach vieljähriger erfolgreicher Thätigkeit die Leitung der Karlsruher Hofbühne aufgegeben hat, ist dem Vernehmen nach damit beschäftigt, seine Theater-Erinnerungen aus den letzten Decennien niederzuschreiben, wir wissen nicht, ob als Fortsetzung seiner Geschichte des deutschen Theaters, ob in Memoirenform als persönliche Erlebnisse. Einen Wunsch möchten wir dazu auf seinen Arbeitstisch senden: daß es ihm gefallen möge, nicht nur die Grundsätze, nach denen er sein Theater geleitet hat, sondern auch die technische Einrichtung, welche sich unter seiner Leitung bewährt hat, recht reichlich und ausführlich darzustellen; vor allem, was seiner Bühne bei Annahme der Stücke, bei Aptirung, Proben, scenischem Arrangement eigen¬ thümlich war. Wir meinen, daß in unserer Zeit gerade die administrative und technische Behandlung dieser großen Culturanstalten ein Gegenstand allge¬ meinen Interesses sein müßte, wir glauben, daß man bei Schilderung der Methode nicht leicht zu weitläufig werden kann, und daß solcher Bericht sich sogar über die einzelnen großen Repertoirstücke Shakespeares, Schillers, Goethes bis auf Striche, Arrangement der Hauptseenen und Besetzung der Hauptrollen erstrecken sollte. Nur in dieser Weise vermag Devrient seine Thätigkeit, das ehrliche, gewissenhafte, deutsche Streben und die gute Culturwirkung seiner Bühne zu einem Gewinn für andere Theater und für das Kunstverständniß unserer Zeit zu machen. Unterdeß sei hier eine kurze Schilderung seiner Directorial-Leistungen versucht. Seit dem Jahre 1862 ist auch von dieser Stelle aus seine mühevolle Arbeit mit warmem Antheil verfolgt worden. Bei jedem Besuch in Karlsruhe hat Schreiber dieser Zeilen das Theater mit Vergnügen und Nutzen besucht. Es war besondere Freude, einen ganzen Mann zu sehen, der mit unermüd¬ licher Pflichttreue seine idealen 'Forderungen gegenüber schlechter Tagespro. duetion, gegen die Kritik und die Gewöhnungen seines Publicums aufrecht erhielt. War auch einmal eine Aufführung, wie das überall zu gehen pflegt, nicht auf der Höhe, die vor Allen er selbst sich wünschte; an Einzelheiten in Grenzboten II. 1870. 21

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/167>, abgerufen am 18.12.2024.