Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.chenland und hernach Italien. Deutschland ist der Ball, den einander zu¬ Es ist eine merkwürdige Kraft und Sicherheit des politischen Denkens Zwei Dinge standen bei Leibniz fest und bildeten den Ausgangspunkt seiner Grenzbotcn II. 1870. 2
chenland und hernach Italien. Deutschland ist der Ball, den einander zu¬ Es ist eine merkwürdige Kraft und Sicherheit des politischen Denkens Zwei Dinge standen bei Leibniz fest und bildeten den Ausgangspunkt seiner Grenzbotcn II. 1870. 2
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0015" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123635"/> <p xml:id="ID_26" prev="#ID_25"> chenland und hernach Italien. Deutschland ist der Ball, den einander zu¬<lb/> geworfen, die um die Monarchie gespielt, Deutschland ist der Kampfplatz,<lb/> darauf um die Meisterschaft von Europa gefochten. Kürzlich, Deutschland<lb/> wird nicht aufhören, seines und fremden Blutvergießens Materie zu sein, bis<lb/> es aufgewacht, sich recolligirt, sich vereinigt und allen Freiern die Hoffnung<lb/> es zu gewinnen, abgeschnitten. — Leibniz schließt die Schrift mit einem gro߬<lb/> artigen Ausblick auf die Aera des Friedens, die sich mit der Sammlung und<lb/> Kräftigung Deutschlands eröffnen werde, auf die Zeit, da jedes Volk seinen<lb/> Wirkungskreis findet, Frankreich die Plane seines ruhelosen Ehrgeizes und<lb/> seine überschüssigen Kräfte nach dem Orient trägt, der Kaiser aber im Verein<lb/> mit dem geistlichen Haupt der Christenheit sein Amt als Advocat der ganzen<lb/> umfassenden Kirche wirklich exerciren, das allgemeine Beste der gesammten<lb/> Christenheit suchen und ohne Schwertstreich die Schwerter in der Scheide<lb/> halten wird.</p><lb/> <p xml:id="ID_27"> Es ist eine merkwürdige Kraft und Sicherheit des politischen Denkens<lb/> in dieser Staatsschrift, die damals nicht gedruckt wurde, aber bestimmt war,<lb/> von den verschiedenen Gesandten und Fürsten gelesen zu werden. In der<lb/> Motivirung des Einzelnen ist Vieles veraltet und einen unmittelbaren Erfolg<lb/> hat die Schrift bekanntlich nicht gehabt; schmählich scheiterten die schwachen<lb/> Versuche eine ähnliche Allianz wirklich durchzuführen. Aber die Grund¬<lb/> gedanken haben sich doch bewährt, obwol Leibniz zu jener Zeit seinen Stand¬<lb/> ort noch in der Mainzer Politik hatte, und Kurmainz, das damals das<lb/> Reichsdirectorium führte, als Kern der neuen Retchsbildung mittelst eines<lb/> Partieularbündnisses betrachtete.</p><lb/> <p xml:id="ID_28" next="#ID_29"> Zwei Dinge standen bei Leibniz fest und bildeten den Ausgangspunkt seiner<lb/> Entwürfe: die überschüssige Kraft Frankreichs verlangt eine Ablenkung nach<lb/> außen, und Deutschland ist in seiner gegenwärtigen Verfassung dem Anprall<lb/> Frankreichs nicht gewachsen. Daraus entstand der vielberufene egyptische<lb/> Vorschlag, der in der Zeit reifte, als der holländische Krieg schon im Gang,<lb/> das deutsche Reich aber in denselben noch nicht eingetreten war. Im Keim<lb/> war der Vorschlag schon im „Bedenken von der öffentlichen Sicherheit" ent¬<lb/> halten, seine Ausführung beschäftigt Leibniz in den folgenden Jahren. Er<lb/> selbst begibt sich, um ihn persönlich zu betreiben, im Jahre 1672 nach Paris,<lb/> wo er, einen Aufenthalt in London abgerechnet, bis zum Jahr 1676 ver¬<lb/> weilt. Seitdem die authentischen Actenstücke über diesen Plan durch Ouro<lb/> Klopp veröffentlicht sind, ist man einig darüber, daß derselbe keineswegs so<lb/> chimärisch war, als früher geglaubt wurde. Am wenigsten aber kann das<lb/> patriotische Motiv verkannt werden, das Leibniz trieb, einen solchen Plan<lb/> nicht blos auszuarbeiten, sondern auch persönlich in Paris zu betreiben und<lb/> noch später gelegentlich daraus zurückzukommen. Es ist eine Fülle von ge-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grenzbotcn II. 1870. 2</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0015]
chenland und hernach Italien. Deutschland ist der Ball, den einander zu¬
geworfen, die um die Monarchie gespielt, Deutschland ist der Kampfplatz,
darauf um die Meisterschaft von Europa gefochten. Kürzlich, Deutschland
wird nicht aufhören, seines und fremden Blutvergießens Materie zu sein, bis
es aufgewacht, sich recolligirt, sich vereinigt und allen Freiern die Hoffnung
es zu gewinnen, abgeschnitten. — Leibniz schließt die Schrift mit einem gro߬
artigen Ausblick auf die Aera des Friedens, die sich mit der Sammlung und
Kräftigung Deutschlands eröffnen werde, auf die Zeit, da jedes Volk seinen
Wirkungskreis findet, Frankreich die Plane seines ruhelosen Ehrgeizes und
seine überschüssigen Kräfte nach dem Orient trägt, der Kaiser aber im Verein
mit dem geistlichen Haupt der Christenheit sein Amt als Advocat der ganzen
umfassenden Kirche wirklich exerciren, das allgemeine Beste der gesammten
Christenheit suchen und ohne Schwertstreich die Schwerter in der Scheide
halten wird.
Es ist eine merkwürdige Kraft und Sicherheit des politischen Denkens
in dieser Staatsschrift, die damals nicht gedruckt wurde, aber bestimmt war,
von den verschiedenen Gesandten und Fürsten gelesen zu werden. In der
Motivirung des Einzelnen ist Vieles veraltet und einen unmittelbaren Erfolg
hat die Schrift bekanntlich nicht gehabt; schmählich scheiterten die schwachen
Versuche eine ähnliche Allianz wirklich durchzuführen. Aber die Grund¬
gedanken haben sich doch bewährt, obwol Leibniz zu jener Zeit seinen Stand¬
ort noch in der Mainzer Politik hatte, und Kurmainz, das damals das
Reichsdirectorium führte, als Kern der neuen Retchsbildung mittelst eines
Partieularbündnisses betrachtete.
Zwei Dinge standen bei Leibniz fest und bildeten den Ausgangspunkt seiner
Entwürfe: die überschüssige Kraft Frankreichs verlangt eine Ablenkung nach
außen, und Deutschland ist in seiner gegenwärtigen Verfassung dem Anprall
Frankreichs nicht gewachsen. Daraus entstand der vielberufene egyptische
Vorschlag, der in der Zeit reifte, als der holländische Krieg schon im Gang,
das deutsche Reich aber in denselben noch nicht eingetreten war. Im Keim
war der Vorschlag schon im „Bedenken von der öffentlichen Sicherheit" ent¬
halten, seine Ausführung beschäftigt Leibniz in den folgenden Jahren. Er
selbst begibt sich, um ihn persönlich zu betreiben, im Jahre 1672 nach Paris,
wo er, einen Aufenthalt in London abgerechnet, bis zum Jahr 1676 ver¬
weilt. Seitdem die authentischen Actenstücke über diesen Plan durch Ouro
Klopp veröffentlicht sind, ist man einig darüber, daß derselbe keineswegs so
chimärisch war, als früher geglaubt wurde. Am wenigsten aber kann das
patriotische Motiv verkannt werden, das Leibniz trieb, einen solchen Plan
nicht blos auszuarbeiten, sondern auch persönlich in Paris zu betreiben und
noch später gelegentlich daraus zurückzukommen. Es ist eine Fülle von ge-
Grenzbotcn II. 1870. 2
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |