Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

but, ohne Lärm und Pomp, der die besten Pläne vereitelt, gleichsam mit
halbem Wind, mit schiefem Segel dahin zu gelangen, wozu man geraden
Laufs, mit vollen Segeln, auf offenem Reichstag nicht gelangen kann.

Was die Vorschläge im Einzelnen betrifft, so dringt Leibniz vor Allem
darauf, durch die neue Allianz dürfe keine Trennung im Reich verursacht
werden. Man darf den Bund im Bunde nicht so einrichten, daß ein Gegen-
bündniß entsteht. Es gilt vorsichtig und völlig unparteiisch zu Werk zu
gehen, sonst würde man denen, so sich auf des Reiches Sturz freuen, die ge¬
wünschte Gelegenheit und einen Schein des Rechts an die Hand geben, eine
Gegenallianz zu machen, Süddeutschland von Norddeutschland ((FörmamÄln
suxeriorem ad irckeriori) zu trennen und also der Republik unseres Reichs
die letzte Oelung zu geben. Vielmehr muß das Bündniß so eingerichtet sein,
daß jeder Stand des Reichs ohne Unterschied (nicht aber die Fremden) Macht
haben muß, in dasselbe zu treten, ohne Unterschied der Religion, Fürsten und
Städte, sie seien triplisch oder arti-triplisch gesinnt; die Deutsch-Gesinnten
und die Französisch-Gesinnten und endlich Oestreich selbst, wenngleich nur mit
seinen Erbländer, sie alle können allmälig beigezogen werden. Die Politik
dieses Bundes muß zunächst, im Interesse seiner Erstarkung, eine durchaus
friedliche und neutrale bleiben, es darf durch sie Frankreich keinerlei Anlaß
zu Feindseligkeiten gegeben werden. Man darf es Anfangs nicht sagen und
nicht verreven, was der wahre Zweck der Allianz sei, obgleich es sich von
selbst verstehet und zu seiner Zeit herausbrechen muß, daß die Allianz dem
lothringischen und burgundischen Kreis Garantie zu leisten Fug und Recht
habe. Ist aber die Allianz einmal so in aller Stille fertig, so wird es in Frank¬
reich wohl gar an Kräften mangeln, solche übern Haufen zu stoßen und
etwas, so dem Reich zuständig, als Niederland, Rheinstrom, Lothringen fer-
ner anzugreifen; oder aber wird es auf den Fall der Noth genugsam Wider-
stand finden. Sind wir denn endlich, ohne daß die Welt es merkte, zu einer
richtigen Form kommen, haben wir, wie das Reich als xersong. oivili3 es
braucht, ein beständiges Reichsheer (Gliedmaßen), einen beständigen Reichs¬
schatz (Blut), ein beständiges Reichsdtrectorium (Seele), alsdann werden un¬
sere Sachen überhaupt ein ander Aussehen haben. Die Herren Tripler. die
uns jetzt so vornehm behandeln, werden uns alsdann suchen; alle Potentaten,
auch so bisher unsere angebotene Nsäiationks und IvterxoLitiollkg verlacht,
werden wohl eine andere Reflexion auf uns machen müssen. Dann erst wird
man die Früchte des Friedens genießen können, wenn man im Frieden zum
Kriege geschickt ist. Alsdann wird Deutschland seine Macht erst kennen, wenn
es sich beisammen sieht, und Manchem andere Gedanken machen, der jetzo
nicht weiß, wie er verächtliche Worte genugsam zu dessen Beschimpfung zu-
fammenklauben kann . . . Deutschland ist der Erisapfel, wie anfangs Grie-


but, ohne Lärm und Pomp, der die besten Pläne vereitelt, gleichsam mit
halbem Wind, mit schiefem Segel dahin zu gelangen, wozu man geraden
Laufs, mit vollen Segeln, auf offenem Reichstag nicht gelangen kann.

Was die Vorschläge im Einzelnen betrifft, so dringt Leibniz vor Allem
darauf, durch die neue Allianz dürfe keine Trennung im Reich verursacht
werden. Man darf den Bund im Bunde nicht so einrichten, daß ein Gegen-
bündniß entsteht. Es gilt vorsichtig und völlig unparteiisch zu Werk zu
gehen, sonst würde man denen, so sich auf des Reiches Sturz freuen, die ge¬
wünschte Gelegenheit und einen Schein des Rechts an die Hand geben, eine
Gegenallianz zu machen, Süddeutschland von Norddeutschland ((FörmamÄln
suxeriorem ad irckeriori) zu trennen und also der Republik unseres Reichs
die letzte Oelung zu geben. Vielmehr muß das Bündniß so eingerichtet sein,
daß jeder Stand des Reichs ohne Unterschied (nicht aber die Fremden) Macht
haben muß, in dasselbe zu treten, ohne Unterschied der Religion, Fürsten und
Städte, sie seien triplisch oder arti-triplisch gesinnt; die Deutsch-Gesinnten
und die Französisch-Gesinnten und endlich Oestreich selbst, wenngleich nur mit
seinen Erbländer, sie alle können allmälig beigezogen werden. Die Politik
dieses Bundes muß zunächst, im Interesse seiner Erstarkung, eine durchaus
friedliche und neutrale bleiben, es darf durch sie Frankreich keinerlei Anlaß
zu Feindseligkeiten gegeben werden. Man darf es Anfangs nicht sagen und
nicht verreven, was der wahre Zweck der Allianz sei, obgleich es sich von
selbst verstehet und zu seiner Zeit herausbrechen muß, daß die Allianz dem
lothringischen und burgundischen Kreis Garantie zu leisten Fug und Recht
habe. Ist aber die Allianz einmal so in aller Stille fertig, so wird es in Frank¬
reich wohl gar an Kräften mangeln, solche übern Haufen zu stoßen und
etwas, so dem Reich zuständig, als Niederland, Rheinstrom, Lothringen fer-
ner anzugreifen; oder aber wird es auf den Fall der Noth genugsam Wider-
stand finden. Sind wir denn endlich, ohne daß die Welt es merkte, zu einer
richtigen Form kommen, haben wir, wie das Reich als xersong. oivili3 es
braucht, ein beständiges Reichsheer (Gliedmaßen), einen beständigen Reichs¬
schatz (Blut), ein beständiges Reichsdtrectorium (Seele), alsdann werden un¬
sere Sachen überhaupt ein ander Aussehen haben. Die Herren Tripler. die
uns jetzt so vornehm behandeln, werden uns alsdann suchen; alle Potentaten,
auch so bisher unsere angebotene Nsäiationks und IvterxoLitiollkg verlacht,
werden wohl eine andere Reflexion auf uns machen müssen. Dann erst wird
man die Früchte des Friedens genießen können, wenn man im Frieden zum
Kriege geschickt ist. Alsdann wird Deutschland seine Macht erst kennen, wenn
es sich beisammen sieht, und Manchem andere Gedanken machen, der jetzo
nicht weiß, wie er verächtliche Worte genugsam zu dessen Beschimpfung zu-
fammenklauben kann . . . Deutschland ist der Erisapfel, wie anfangs Grie-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0014" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123634"/>
          <p xml:id="ID_24" prev="#ID_23"> but, ohne Lärm und Pomp, der die besten Pläne vereitelt, gleichsam mit<lb/>
halbem Wind, mit schiefem Segel dahin zu gelangen, wozu man geraden<lb/>
Laufs, mit vollen Segeln, auf offenem Reichstag nicht gelangen kann.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_25" next="#ID_26"> Was die Vorschläge im Einzelnen betrifft, so dringt Leibniz vor Allem<lb/>
darauf, durch die neue Allianz dürfe keine Trennung im Reich verursacht<lb/>
werden. Man darf den Bund im Bunde nicht so einrichten, daß ein Gegen-<lb/>
bündniß entsteht. Es gilt vorsichtig und völlig unparteiisch zu Werk zu<lb/>
gehen, sonst würde man denen, so sich auf des Reiches Sturz freuen, die ge¬<lb/>
wünschte Gelegenheit und einen Schein des Rechts an die Hand geben, eine<lb/>
Gegenallianz zu machen, Süddeutschland von Norddeutschland ((FörmamÄln<lb/>
suxeriorem ad irckeriori) zu trennen und also der Republik unseres Reichs<lb/>
die letzte Oelung zu geben. Vielmehr muß das Bündniß so eingerichtet sein,<lb/>
daß jeder Stand des Reichs ohne Unterschied (nicht aber die Fremden) Macht<lb/>
haben muß, in dasselbe zu treten, ohne Unterschied der Religion, Fürsten und<lb/>
Städte, sie seien triplisch oder arti-triplisch gesinnt; die Deutsch-Gesinnten<lb/>
und die Französisch-Gesinnten und endlich Oestreich selbst, wenngleich nur mit<lb/>
seinen Erbländer, sie alle können allmälig beigezogen werden. Die Politik<lb/>
dieses Bundes muß zunächst, im Interesse seiner Erstarkung, eine durchaus<lb/>
friedliche und neutrale bleiben, es darf durch sie Frankreich keinerlei Anlaß<lb/>
zu Feindseligkeiten gegeben werden. Man darf es Anfangs nicht sagen und<lb/>
nicht verreven, was der wahre Zweck der Allianz sei, obgleich es sich von<lb/>
selbst verstehet und zu seiner Zeit herausbrechen muß, daß die Allianz dem<lb/>
lothringischen und burgundischen Kreis Garantie zu leisten Fug und Recht<lb/>
habe. Ist aber die Allianz einmal so in aller Stille fertig, so wird es in Frank¬<lb/>
reich wohl gar an Kräften mangeln, solche übern Haufen zu stoßen und<lb/>
etwas, so dem Reich zuständig, als Niederland, Rheinstrom, Lothringen fer-<lb/>
ner anzugreifen; oder aber wird es auf den Fall der Noth genugsam Wider-<lb/>
stand finden. Sind wir denn endlich, ohne daß die Welt es merkte, zu einer<lb/>
richtigen Form kommen, haben wir, wie das Reich als xersong. oivili3 es<lb/>
braucht, ein beständiges Reichsheer (Gliedmaßen), einen beständigen Reichs¬<lb/>
schatz (Blut), ein beständiges Reichsdtrectorium (Seele), alsdann werden un¬<lb/>
sere Sachen überhaupt ein ander Aussehen haben. Die Herren Tripler. die<lb/>
uns jetzt so vornehm behandeln, werden uns alsdann suchen; alle Potentaten,<lb/>
auch so bisher unsere angebotene Nsäiationks und IvterxoLitiollkg verlacht,<lb/>
werden wohl eine andere Reflexion auf uns machen müssen. Dann erst wird<lb/>
man die Früchte des Friedens genießen können, wenn man im Frieden zum<lb/>
Kriege geschickt ist. Alsdann wird Deutschland seine Macht erst kennen, wenn<lb/>
es sich beisammen sieht, und Manchem andere Gedanken machen, der jetzo<lb/>
nicht weiß, wie er verächtliche Worte genugsam zu dessen Beschimpfung zu-<lb/>
fammenklauben kann . . . Deutschland ist der Erisapfel, wie anfangs Grie-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0014] but, ohne Lärm und Pomp, der die besten Pläne vereitelt, gleichsam mit halbem Wind, mit schiefem Segel dahin zu gelangen, wozu man geraden Laufs, mit vollen Segeln, auf offenem Reichstag nicht gelangen kann. Was die Vorschläge im Einzelnen betrifft, so dringt Leibniz vor Allem darauf, durch die neue Allianz dürfe keine Trennung im Reich verursacht werden. Man darf den Bund im Bunde nicht so einrichten, daß ein Gegen- bündniß entsteht. Es gilt vorsichtig und völlig unparteiisch zu Werk zu gehen, sonst würde man denen, so sich auf des Reiches Sturz freuen, die ge¬ wünschte Gelegenheit und einen Schein des Rechts an die Hand geben, eine Gegenallianz zu machen, Süddeutschland von Norddeutschland ((FörmamÄln suxeriorem ad irckeriori) zu trennen und also der Republik unseres Reichs die letzte Oelung zu geben. Vielmehr muß das Bündniß so eingerichtet sein, daß jeder Stand des Reichs ohne Unterschied (nicht aber die Fremden) Macht haben muß, in dasselbe zu treten, ohne Unterschied der Religion, Fürsten und Städte, sie seien triplisch oder arti-triplisch gesinnt; die Deutsch-Gesinnten und die Französisch-Gesinnten und endlich Oestreich selbst, wenngleich nur mit seinen Erbländer, sie alle können allmälig beigezogen werden. Die Politik dieses Bundes muß zunächst, im Interesse seiner Erstarkung, eine durchaus friedliche und neutrale bleiben, es darf durch sie Frankreich keinerlei Anlaß zu Feindseligkeiten gegeben werden. Man darf es Anfangs nicht sagen und nicht verreven, was der wahre Zweck der Allianz sei, obgleich es sich von selbst verstehet und zu seiner Zeit herausbrechen muß, daß die Allianz dem lothringischen und burgundischen Kreis Garantie zu leisten Fug und Recht habe. Ist aber die Allianz einmal so in aller Stille fertig, so wird es in Frank¬ reich wohl gar an Kräften mangeln, solche übern Haufen zu stoßen und etwas, so dem Reich zuständig, als Niederland, Rheinstrom, Lothringen fer- ner anzugreifen; oder aber wird es auf den Fall der Noth genugsam Wider- stand finden. Sind wir denn endlich, ohne daß die Welt es merkte, zu einer richtigen Form kommen, haben wir, wie das Reich als xersong. oivili3 es braucht, ein beständiges Reichsheer (Gliedmaßen), einen beständigen Reichs¬ schatz (Blut), ein beständiges Reichsdtrectorium (Seele), alsdann werden un¬ sere Sachen überhaupt ein ander Aussehen haben. Die Herren Tripler. die uns jetzt so vornehm behandeln, werden uns alsdann suchen; alle Potentaten, auch so bisher unsere angebotene Nsäiationks und IvterxoLitiollkg verlacht, werden wohl eine andere Reflexion auf uns machen müssen. Dann erst wird man die Früchte des Friedens genießen können, wenn man im Frieden zum Kriege geschickt ist. Alsdann wird Deutschland seine Macht erst kennen, wenn es sich beisammen sieht, und Manchem andere Gedanken machen, der jetzo nicht weiß, wie er verächtliche Worte genugsam zu dessen Beschimpfung zu- fammenklauben kann . . . Deutschland ist der Erisapfel, wie anfangs Grie-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/14
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/14>, abgerufen am 27.07.2024.