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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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das ergangene Urtheil in der Appellationsanzeige angreist, weiter aber wird
sich aus den Satz des römischen Rechtes gestützt, daß man einen Bürgen nicht
verklagen könne, so lange der Hauptschuldner am Leben und vermögend sei;
die Parteien und das Landgericht hatten von diesem Satze nichts gewußt;
er war darum auch früher nicht zur Sprache gekommen. Engelländer, eben¬
falls römischer Jurist, vermag die Geltung des Satzes nicht zu bestreiten,
behauptet aber, er vertrage der Klage des Kauf gegenüber keine Anwendung,
weil diese Klage nicht daraus gerichtet gewesen sei, daß Appel die 23 si.
bezahle, sondern nur darauf, festzustellen, ob Appel Bürge sei. In drei
weiteren Schriften lassen sich beide Anwälte über diesen Punkt des Breitern
aus. Das Gericht geht auf Ortolffs Ausführung ein und verlangt von
seiner Partei den Beweis, daß Elise Werner, für welche Bürgschaft geschehen
sein sollte, im Stande ist, die 23 si. selbst zu bezahlen. Appel benannte drei
Zeugen aus Hochstadt und erwählt zu Commissarien, die sie vernehmen sollen,
den Dr. Ludwig zum Paradies, jüngst von Kaiser Max als erster ge¬
lehrter Schultheiß zu Frankfurt ernannt, und die zwei Frankfurter Stadt¬
schreiber, Meister Heinrich Orteberg und Melchior Schwartzenberg. Aber
die Commissäre halten die ihnen gesteckte Monatsfrist nicht ein und Appel
bittet deshalb um neue Frist und um andre Commissäre, die ihm nun der
Kammerrichter, Markgraf Jacob von Baden, in der Person zweier Kammer¬
gerichtsmitglieder, des Herrn Richard Gratman von Vockedich, Official (also
geistlicher Beamter) zu Coblenz und des Herrn Dietrich von Pleningen be¬
stellt. Durch kaiserliche Ladung vom 14. April 1497, ausgefertigt vom
Canzler Dr. leZum Georg von Helle Namens des Erzcanzlers, Erzbischofs
von Mainz, und vom Reichskammergerichtsprotonotar Joh. Storch, werden
die Zeugen auf den 18. April "an die gewöhnliche Kammergerichtsstatt all-
hier zu Frankfurt" geladen. Die Vernehmung erfolgt am genannten Tage
durch den Protonotar Storch vor den beiden Commissaren und ergibt, daß
Elfe Werner allerdings hinreichendes Vermögen besitzt, um 23 si. zu bezahlen.
Das Zeugenverhörsprotocoll wird versiegelt dem Kammergertcht überreicht;
die Eröffnung und Versetzung erfolgt auf Antrag des Ortolff in einem wet-
teren Termine; die Anwälte wechseln dann noch vier Schriften darüber, ob
die Aussage der Zeugen genüge, Engelländer versteigt sich dabei in echt roma-
nisirender Tendenz soweit, daß er die Zeugen zu römischen Sclaven (servi)
macht, welche kein Zeugniß ablegen könnten; worauf Ortolff nicht etwa her¬
vorhebt, daß die deutschen Hörigen himmelweit verschieden seien von den
römischen Sclaven*), sondern nur sagt, sie seien nicht für solche Eigen-Leute zu
halten, welche von Ehren gesetzt wären.



-) Eine unsvorliegende Urkunde des Jahres 16S6 nennt z. B. als die Verpflichtungen eines
Eigcnmannes in oberhessischen Gebietstheilen Folgendes: drei Tage ackern mit dem Pflug, wie der

das ergangene Urtheil in der Appellationsanzeige angreist, weiter aber wird
sich aus den Satz des römischen Rechtes gestützt, daß man einen Bürgen nicht
verklagen könne, so lange der Hauptschuldner am Leben und vermögend sei;
die Parteien und das Landgericht hatten von diesem Satze nichts gewußt;
er war darum auch früher nicht zur Sprache gekommen. Engelländer, eben¬
falls römischer Jurist, vermag die Geltung des Satzes nicht zu bestreiten,
behauptet aber, er vertrage der Klage des Kauf gegenüber keine Anwendung,
weil diese Klage nicht daraus gerichtet gewesen sei, daß Appel die 23 si.
bezahle, sondern nur darauf, festzustellen, ob Appel Bürge sei. In drei
weiteren Schriften lassen sich beide Anwälte über diesen Punkt des Breitern
aus. Das Gericht geht auf Ortolffs Ausführung ein und verlangt von
seiner Partei den Beweis, daß Elise Werner, für welche Bürgschaft geschehen
sein sollte, im Stande ist, die 23 si. selbst zu bezahlen. Appel benannte drei
Zeugen aus Hochstadt und erwählt zu Commissarien, die sie vernehmen sollen,
den Dr. Ludwig zum Paradies, jüngst von Kaiser Max als erster ge¬
lehrter Schultheiß zu Frankfurt ernannt, und die zwei Frankfurter Stadt¬
schreiber, Meister Heinrich Orteberg und Melchior Schwartzenberg. Aber
die Commissäre halten die ihnen gesteckte Monatsfrist nicht ein und Appel
bittet deshalb um neue Frist und um andre Commissäre, die ihm nun der
Kammerrichter, Markgraf Jacob von Baden, in der Person zweier Kammer¬
gerichtsmitglieder, des Herrn Richard Gratman von Vockedich, Official (also
geistlicher Beamter) zu Coblenz und des Herrn Dietrich von Pleningen be¬
stellt. Durch kaiserliche Ladung vom 14. April 1497, ausgefertigt vom
Canzler Dr. leZum Georg von Helle Namens des Erzcanzlers, Erzbischofs
von Mainz, und vom Reichskammergerichtsprotonotar Joh. Storch, werden
die Zeugen auf den 18. April „an die gewöhnliche Kammergerichtsstatt all-
hier zu Frankfurt" geladen. Die Vernehmung erfolgt am genannten Tage
durch den Protonotar Storch vor den beiden Commissaren und ergibt, daß
Elfe Werner allerdings hinreichendes Vermögen besitzt, um 23 si. zu bezahlen.
Das Zeugenverhörsprotocoll wird versiegelt dem Kammergertcht überreicht;
die Eröffnung und Versetzung erfolgt auf Antrag des Ortolff in einem wet-
teren Termine; die Anwälte wechseln dann noch vier Schriften darüber, ob
die Aussage der Zeugen genüge, Engelländer versteigt sich dabei in echt roma-
nisirender Tendenz soweit, daß er die Zeugen zu römischen Sclaven (servi)
macht, welche kein Zeugniß ablegen könnten; worauf Ortolff nicht etwa her¬
vorhebt, daß die deutschen Hörigen himmelweit verschieden seien von den
römischen Sclaven*), sondern nur sagt, sie seien nicht für solche Eigen-Leute zu
halten, welche von Ehren gesetzt wären.



-) Eine unsvorliegende Urkunde des Jahres 16S6 nennt z. B. als die Verpflichtungen eines
Eigcnmannes in oberhessischen Gebietstheilen Folgendes: drei Tage ackern mit dem Pflug, wie der
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/142>, abgerufen am 18.12.2024.