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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Eine noch gedankenlosere Geldverschwendung findet in der Generalität
statt. Bei einem Friedensstand von 48.000 Mann hat die Bayrische Armee
84 active und 47 pensionirte Generale auf ihrem Etat. Von den 6 wirk¬
lichen Generälen der Infanterie und Cavallerie haben nur 2, von 17 General¬
lieutenants nur 6, von 31 Generalmajoren nur 17 ein wirkliches Commando,
während die übrigen entweder reine Sinecuren genießen, oder an der Spitze
von Militärbehörden und Commissionen stehen, welche in den meisten Fällen
eines Offiziers gar nicht bedürfen. Für alle Militärbildungs-Anstalten, für
die Gewehrfabrik, für die Montur- und Rüstungsdepots, für das Gendarme-
rieeorps, für das Generalauditoriat. für die Militärrechnungskammer!c. et.
sind nach der, bisherigen Auffassung des Kriegsministeriums Generale noth¬
wendig. Selbst der Operationscursus für Militärärzte kann ohne einen
solchen nicht auskommen. Hierzu kommt noch die ungebührliche Verwendung
höherer Offiziere im reinen Hofdienst. Ein Heer von General- und Flügel¬
adjutanten, Prinzenmarschällen, Prinzenbegleitern, Prinzencavalieren, Prinzen¬
erziehern steht auf der Rechnung des Staats, ohne demselben irgend welche
Dienste zu leisten. In welchem Maße hier der Staatssäckel in Anspruch
genommen wird, zeigt am Besten ein kleines Beispiel. Wir wissen nicht, ob
es außer Landes gebührend bekannt ist, daß auch wir in Bayern unsere
Centgards, Hartschiere genannt, haben. Stille Leute, welche als Bierkieser
ein wohl verdientes Ronommi in München genießen und beliebt sind. Diesem
Hofinstitut auf Staatskosten, wurde bisher von den Kammern durch die
Finger gesehen, weil man es für eine Versorgungsanstalt für verdiente ältere
Unteroffiziere ansah, und gegen diese Auffassung läßt sich wohl nichts ein¬
wenden. Entschieden aber hätte es die Kammer nicht dulden dürfen, daß
diese 100 alten Leute von einem wirklichen General der Cavallerie als Capitän,
von einem Generallieutenant als Premierlieutenant und von einem General¬
major als Secondelieutenant commandirt werden, und doch verweigerten,
die Leiche König Ludwigs aus Italien abzuholen, wenn ihnen kein Bier auf
die Reise mitgegeben würde.

Ein kostspieliger Mißstand besteht ferner darin, daß jedem Armeecorps-
und Divisionscommandanten ein weiterer General "g,ä latus" beigegeben ist,
dessen wirkliche Beschäftigung Kolb in seinem Referate "unauffindbar" nennt.
Daß jeder dieser Hof- und schreibenden Generäle einen oder zwei Adjutanten
zur Seite hat, und Fourage für Reit- und Wagenpferde bezieht, macht die
Sache nur noch ärgerlicher.

Insofern nun die Patrioten im Anschluß an das Referat Kolb's die
entschiedene Verminderung der Zahl der höheren Offiziere und die Verbesserung
der Oeconomie, wenn sie außerdem Neuregulirung des Avancements- und
Pensionswesens, Beschränkung der Neubauten fordern und mit der unzugäng-


Eine noch gedankenlosere Geldverschwendung findet in der Generalität
statt. Bei einem Friedensstand von 48.000 Mann hat die Bayrische Armee
84 active und 47 pensionirte Generale auf ihrem Etat. Von den 6 wirk¬
lichen Generälen der Infanterie und Cavallerie haben nur 2, von 17 General¬
lieutenants nur 6, von 31 Generalmajoren nur 17 ein wirkliches Commando,
während die übrigen entweder reine Sinecuren genießen, oder an der Spitze
von Militärbehörden und Commissionen stehen, welche in den meisten Fällen
eines Offiziers gar nicht bedürfen. Für alle Militärbildungs-Anstalten, für
die Gewehrfabrik, für die Montur- und Rüstungsdepots, für das Gendarme-
rieeorps, für das Generalauditoriat. für die Militärrechnungskammer!c. et.
sind nach der, bisherigen Auffassung des Kriegsministeriums Generale noth¬
wendig. Selbst der Operationscursus für Militärärzte kann ohne einen
solchen nicht auskommen. Hierzu kommt noch die ungebührliche Verwendung
höherer Offiziere im reinen Hofdienst. Ein Heer von General- und Flügel¬
adjutanten, Prinzenmarschällen, Prinzenbegleitern, Prinzencavalieren, Prinzen¬
erziehern steht auf der Rechnung des Staats, ohne demselben irgend welche
Dienste zu leisten. In welchem Maße hier der Staatssäckel in Anspruch
genommen wird, zeigt am Besten ein kleines Beispiel. Wir wissen nicht, ob
es außer Landes gebührend bekannt ist, daß auch wir in Bayern unsere
Centgards, Hartschiere genannt, haben. Stille Leute, welche als Bierkieser
ein wohl verdientes Ronommi in München genießen und beliebt sind. Diesem
Hofinstitut auf Staatskosten, wurde bisher von den Kammern durch die
Finger gesehen, weil man es für eine Versorgungsanstalt für verdiente ältere
Unteroffiziere ansah, und gegen diese Auffassung läßt sich wohl nichts ein¬
wenden. Entschieden aber hätte es die Kammer nicht dulden dürfen, daß
diese 100 alten Leute von einem wirklichen General der Cavallerie als Capitän,
von einem Generallieutenant als Premierlieutenant und von einem General¬
major als Secondelieutenant commandirt werden, und doch verweigerten,
die Leiche König Ludwigs aus Italien abzuholen, wenn ihnen kein Bier auf
die Reise mitgegeben würde.

Ein kostspieliger Mißstand besteht ferner darin, daß jedem Armeecorps-
und Divisionscommandanten ein weiterer General „g,ä latus" beigegeben ist,
dessen wirkliche Beschäftigung Kolb in seinem Referate „unauffindbar" nennt.
Daß jeder dieser Hof- und schreibenden Generäle einen oder zwei Adjutanten
zur Seite hat, und Fourage für Reit- und Wagenpferde bezieht, macht die
Sache nur noch ärgerlicher.

Insofern nun die Patrioten im Anschluß an das Referat Kolb's die
entschiedene Verminderung der Zahl der höheren Offiziere und die Verbesserung
der Oeconomie, wenn sie außerdem Neuregulirung des Avancements- und
Pensionswesens, Beschränkung der Neubauten fordern und mit der unzugäng-


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[0133] Eine noch gedankenlosere Geldverschwendung findet in der Generalität statt. Bei einem Friedensstand von 48.000 Mann hat die Bayrische Armee 84 active und 47 pensionirte Generale auf ihrem Etat. Von den 6 wirk¬ lichen Generälen der Infanterie und Cavallerie haben nur 2, von 17 General¬ lieutenants nur 6, von 31 Generalmajoren nur 17 ein wirkliches Commando, während die übrigen entweder reine Sinecuren genießen, oder an der Spitze von Militärbehörden und Commissionen stehen, welche in den meisten Fällen eines Offiziers gar nicht bedürfen. Für alle Militärbildungs-Anstalten, für die Gewehrfabrik, für die Montur- und Rüstungsdepots, für das Gendarme- rieeorps, für das Generalauditoriat. für die Militärrechnungskammer!c. et. sind nach der, bisherigen Auffassung des Kriegsministeriums Generale noth¬ wendig. Selbst der Operationscursus für Militärärzte kann ohne einen solchen nicht auskommen. Hierzu kommt noch die ungebührliche Verwendung höherer Offiziere im reinen Hofdienst. Ein Heer von General- und Flügel¬ adjutanten, Prinzenmarschällen, Prinzenbegleitern, Prinzencavalieren, Prinzen¬ erziehern steht auf der Rechnung des Staats, ohne demselben irgend welche Dienste zu leisten. In welchem Maße hier der Staatssäckel in Anspruch genommen wird, zeigt am Besten ein kleines Beispiel. Wir wissen nicht, ob es außer Landes gebührend bekannt ist, daß auch wir in Bayern unsere Centgards, Hartschiere genannt, haben. Stille Leute, welche als Bierkieser ein wohl verdientes Ronommi in München genießen und beliebt sind. Diesem Hofinstitut auf Staatskosten, wurde bisher von den Kammern durch die Finger gesehen, weil man es für eine Versorgungsanstalt für verdiente ältere Unteroffiziere ansah, und gegen diese Auffassung läßt sich wohl nichts ein¬ wenden. Entschieden aber hätte es die Kammer nicht dulden dürfen, daß diese 100 alten Leute von einem wirklichen General der Cavallerie als Capitän, von einem Generallieutenant als Premierlieutenant und von einem General¬ major als Secondelieutenant commandirt werden, und doch verweigerten, die Leiche König Ludwigs aus Italien abzuholen, wenn ihnen kein Bier auf die Reise mitgegeben würde. Ein kostspieliger Mißstand besteht ferner darin, daß jedem Armeecorps- und Divisionscommandanten ein weiterer General „g,ä latus" beigegeben ist, dessen wirkliche Beschäftigung Kolb in seinem Referate „unauffindbar" nennt. Daß jeder dieser Hof- und schreibenden Generäle einen oder zwei Adjutanten zur Seite hat, und Fourage für Reit- und Wagenpferde bezieht, macht die Sache nur noch ärgerlicher. Insofern nun die Patrioten im Anschluß an das Referat Kolb's die entschiedene Verminderung der Zahl der höheren Offiziere und die Verbesserung der Oeconomie, wenn sie außerdem Neuregulirung des Avancements- und Pensionswesens, Beschränkung der Neubauten fordern und mit der unzugäng-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/133>, abgerufen am 01.09.2024.