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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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unterstützt von dem Umstände, daß den Kammern die nöthigen technischen
Kenntnisse abgingen, dem konstitutionellen Einfluß zu entziehen. Niemals
hat man dort in dem hellen Tageslicht gearbeitet, das die übrigen Theile
der Staatsmaschtne in Bayern beleuchtete und auch dem Laien zugänglich
machte. So Urtheils- und kritiklos stand das Land dem ganzen Getriebe
gegenüber, daß es 1859 und 1866 dem Kriege vertrauensvoll entgegensah.
Unter der Gunst dieser Verhältnisse nahm die Militärverwaltung um so
schneller einen schwerfälligen und energielosen Charakter an, als wir seit De-
cennien keinen Kriegsminister mehr aufzuweisen haben, der d"s Mittelmaß
auch nur in einem Punkt überschritten hätte. Von Seiten der Kammer be¬
schränkte man sich darauf, so wenig als möglich Geld zu bewilligen; was
dann mit diesem Geld geleistet wurde, blieb Sache des Kriegsministers.
Das Resultat hiervon war auf der einen Seite eine kleine Armee, auf der
anderen eine unverhältnißmäßige Anzahl höherer Chargen, Behörden und
Commissionen. Nun haben wir allerdings seit dem Jahre 1866 eine größere
und bessere Armee erhalten, in der zweiten Beziehung aber wurde in dem
alten Geleise weiter gefahren.

Wenn man, ohne irgend das unerreichbare Ideal des Milizsystems vor
Augen zu haben, unser Heerwesen von der finanziellen Seite aus betrachtet,
so sind es vorzüglich zwei Punkte, die den Unwillen des Landes stets heraus¬
gefordert haben: einmal die ungeschickte, mit Personal verschwenderisch dotirte
Oeconomieverwaltung, und ferner die große Anzahl von Generälen in der
Armee. Erstere liegt ganz in den Händen der sogenannten Quartiermeister,
einer Charge, die von den Offizieren und übrigen Militärbeamten in socialer
Beziehung nicht als gleichberechtigt angesehen wird, und in die einzutreten,
sich nur sehr wenige gebildete Leute entschließen konnten. Sie rekrutiren
sich aus den Unteroffizieren, ohne daß bisher irgend eine andere Vorbildung
gefordert worden wäre, als die, welche sie in den Schreibstuben erwerben
konnten. Daß diese Routiniers nicht das Material zu einer intelligenten
und umsichtigen Militäröconomieverwaltung sein können, und daß insbeson¬
dere von ihnen eine Reorganisation dieser Branche nicht erwartet werden
darf, wurde längst gefühlt; trotzdem erfolgte von Jahr zu Jahr eine Ver¬
mehrung derselben in solchen Dimensionen, daß wir gegenwärtig nach dem
Militär-Handbuch für 1869 342 Quartiermeister aller Chargen zählen, was
dem formationsmäßigen Offizierstand von fünf Jnfanteriereg inertem
entspricht. Ueberdies erfreuen sich dieselben eines schnelleren Avancements
als die Linie, und gelangen bei nur einiger Brauchbarkeit rasch in höhere
Posten, so daß mancher ältere Lieutenant oder Oberlieutenant in dem Regi-
ments-Quartiermeister mit Hauptmannsrang seinen früheren Bedienten zu
verehren hat.


unterstützt von dem Umstände, daß den Kammern die nöthigen technischen
Kenntnisse abgingen, dem konstitutionellen Einfluß zu entziehen. Niemals
hat man dort in dem hellen Tageslicht gearbeitet, das die übrigen Theile
der Staatsmaschtne in Bayern beleuchtete und auch dem Laien zugänglich
machte. So Urtheils- und kritiklos stand das Land dem ganzen Getriebe
gegenüber, daß es 1859 und 1866 dem Kriege vertrauensvoll entgegensah.
Unter der Gunst dieser Verhältnisse nahm die Militärverwaltung um so
schneller einen schwerfälligen und energielosen Charakter an, als wir seit De-
cennien keinen Kriegsminister mehr aufzuweisen haben, der d«s Mittelmaß
auch nur in einem Punkt überschritten hätte. Von Seiten der Kammer be¬
schränkte man sich darauf, so wenig als möglich Geld zu bewilligen; was
dann mit diesem Geld geleistet wurde, blieb Sache des Kriegsministers.
Das Resultat hiervon war auf der einen Seite eine kleine Armee, auf der
anderen eine unverhältnißmäßige Anzahl höherer Chargen, Behörden und
Commissionen. Nun haben wir allerdings seit dem Jahre 1866 eine größere
und bessere Armee erhalten, in der zweiten Beziehung aber wurde in dem
alten Geleise weiter gefahren.

Wenn man, ohne irgend das unerreichbare Ideal des Milizsystems vor
Augen zu haben, unser Heerwesen von der finanziellen Seite aus betrachtet,
so sind es vorzüglich zwei Punkte, die den Unwillen des Landes stets heraus¬
gefordert haben: einmal die ungeschickte, mit Personal verschwenderisch dotirte
Oeconomieverwaltung, und ferner die große Anzahl von Generälen in der
Armee. Erstere liegt ganz in den Händen der sogenannten Quartiermeister,
einer Charge, die von den Offizieren und übrigen Militärbeamten in socialer
Beziehung nicht als gleichberechtigt angesehen wird, und in die einzutreten,
sich nur sehr wenige gebildete Leute entschließen konnten. Sie rekrutiren
sich aus den Unteroffizieren, ohne daß bisher irgend eine andere Vorbildung
gefordert worden wäre, als die, welche sie in den Schreibstuben erwerben
konnten. Daß diese Routiniers nicht das Material zu einer intelligenten
und umsichtigen Militäröconomieverwaltung sein können, und daß insbeson¬
dere von ihnen eine Reorganisation dieser Branche nicht erwartet werden
darf, wurde längst gefühlt; trotzdem erfolgte von Jahr zu Jahr eine Ver¬
mehrung derselben in solchen Dimensionen, daß wir gegenwärtig nach dem
Militär-Handbuch für 1869 342 Quartiermeister aller Chargen zählen, was
dem formationsmäßigen Offizierstand von fünf Jnfanteriereg inertem
entspricht. Ueberdies erfreuen sich dieselben eines schnelleren Avancements
als die Linie, und gelangen bei nur einiger Brauchbarkeit rasch in höhere
Posten, so daß mancher ältere Lieutenant oder Oberlieutenant in dem Regi-
ments-Quartiermeister mit Hauptmannsrang seinen früheren Bedienten zu
verehren hat.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/132>, abgerufen am 27.07.2024.