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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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Würde keinen Eintrag, daß sie sich als wohlhabende Schweizer Patricier ge-
kleidet, ein pelzverbrämtes Wamms mit Schwert angelegt und ein Federba¬
rett aufs Haupt gesetzt haben.

Wieder ein König! Ein blutrother Bannerträger geht vor ihm her,
geleitet von gleichfalls blutrothen Fahnenwächtern. Es ist Herodes mit
seiner üppigen Tochter. Die Dame ist für die Jahreszeit etwas leicht ge¬
kleidet, man sieht, sie hat auf das Tanzen gerechnet.

Rascher fliegt der Blick an den nun folgenden Personen vorüber:
Marschalk und Longinus; ein Zug Juden; 3 Täuflinge; 2 Bahr-
träger mit dem Aufschließer des Gefängnisses Johannis, der Salvator
an der Spitze von acht paarweise geordneten Jüngern; Lazarus und
Martha mit Mägden; Methusalem auf einen Knecht gestützt; der
Apotheker und Matthäus; Zachäus und ein Schriftgelehrter;
Aussätzige und Blinde; Rahel und die Samariterin: endlich nach
diesen Demüthigen noch ein Geschwader von Fürsten in eine Wolke von
Reisigen gehüllt: Pilatus. Nero, Cyrus, Hercules, Clymax und
Agrippa.

Den Schluß der Spielgenossen machen 6 Teufel und die Schlange,
die, wie vor dem Fluche am ersten Tage aufwärts gerichtet, mit ihnen marschirt.
Den Schluß des ganzen Zuges bilden die paarweise geordneten Sänger,
ferner die Trabanten des Proclamators, zwischen ihnen des Rectors
Cysat dienender Knabe, darauf der Rector selbst im höchsten Glänze
seiner Amtstracht mit einem Scepter in der Hand, zuletzt der Proclamator
mit seinem Gefolge.

Als der Zug einmal den Platz umzogen hatte und die Vordersten wieder
beim Hause zur Sonnen angekommen waren, trat Cysat aus der Reihe der
Uebrigen heraus und winkte mit seinem Scepter. Der Zug stand, die Musik
schwieg und vier Harsthörner aus der Cantorei ließen sich allein vernehmen.

Aus dieses Zeichen löste sich der ganze geschlossene Zug aus und jede
Spielgruppe begab sich in ihren Hof, wo sie fortan so lange still zu warten
hatte, bis ihre Scene heran kam.

?g.ter aöwi'nus ging unter dem Gesänge der Engel die Leiter hinauf,
stieg in den Himmel und zog den blauen mit Sternen besetzten Vorhang
hinter sich zu.

Zum andern Male winkte Cysat. Zum andern Male erschollen die
Harsthörner, und der Proclamator, hoch auf weißem Roß, in ganzer Rüstung,
darüber ein weißes zerhauenes Wappenröcklein, auf dem Haupte ein weißes
Barett mit wallender Feder, umritt langsam den Platz. Vor ihm her schritten
sein Schildknabe und Fähndrich, hinter ihm vier Trabanten, für diesen Tag
alle ganz in Weiß gekleidet.

Und zum dritten Male winkte Cysat. Zum dritten Male erschollen die


Würde keinen Eintrag, daß sie sich als wohlhabende Schweizer Patricier ge-
kleidet, ein pelzverbrämtes Wamms mit Schwert angelegt und ein Federba¬
rett aufs Haupt gesetzt haben.

Wieder ein König! Ein blutrother Bannerträger geht vor ihm her,
geleitet von gleichfalls blutrothen Fahnenwächtern. Es ist Herodes mit
seiner üppigen Tochter. Die Dame ist für die Jahreszeit etwas leicht ge¬
kleidet, man sieht, sie hat auf das Tanzen gerechnet.

Rascher fliegt der Blick an den nun folgenden Personen vorüber:
Marschalk und Longinus; ein Zug Juden; 3 Täuflinge; 2 Bahr-
träger mit dem Aufschließer des Gefängnisses Johannis, der Salvator
an der Spitze von acht paarweise geordneten Jüngern; Lazarus und
Martha mit Mägden; Methusalem auf einen Knecht gestützt; der
Apotheker und Matthäus; Zachäus und ein Schriftgelehrter;
Aussätzige und Blinde; Rahel und die Samariterin: endlich nach
diesen Demüthigen noch ein Geschwader von Fürsten in eine Wolke von
Reisigen gehüllt: Pilatus. Nero, Cyrus, Hercules, Clymax und
Agrippa.

Den Schluß der Spielgenossen machen 6 Teufel und die Schlange,
die, wie vor dem Fluche am ersten Tage aufwärts gerichtet, mit ihnen marschirt.
Den Schluß des ganzen Zuges bilden die paarweise geordneten Sänger,
ferner die Trabanten des Proclamators, zwischen ihnen des Rectors
Cysat dienender Knabe, darauf der Rector selbst im höchsten Glänze
seiner Amtstracht mit einem Scepter in der Hand, zuletzt der Proclamator
mit seinem Gefolge.

Als der Zug einmal den Platz umzogen hatte und die Vordersten wieder
beim Hause zur Sonnen angekommen waren, trat Cysat aus der Reihe der
Uebrigen heraus und winkte mit seinem Scepter. Der Zug stand, die Musik
schwieg und vier Harsthörner aus der Cantorei ließen sich allein vernehmen.

Aus dieses Zeichen löste sich der ganze geschlossene Zug aus und jede
Spielgruppe begab sich in ihren Hof, wo sie fortan so lange still zu warten
hatte, bis ihre Scene heran kam.

?g.ter aöwi'nus ging unter dem Gesänge der Engel die Leiter hinauf,
stieg in den Himmel und zog den blauen mit Sternen besetzten Vorhang
hinter sich zu.

Zum andern Male winkte Cysat. Zum andern Male erschollen die
Harsthörner, und der Proclamator, hoch auf weißem Roß, in ganzer Rüstung,
darüber ein weißes zerhauenes Wappenröcklein, auf dem Haupte ein weißes
Barett mit wallender Feder, umritt langsam den Platz. Vor ihm her schritten
sein Schildknabe und Fähndrich, hinter ihm vier Trabanten, für diesen Tag
alle ganz in Weiß gekleidet.

Und zum dritten Male winkte Cysat. Zum dritten Male erschollen die


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[0120] Würde keinen Eintrag, daß sie sich als wohlhabende Schweizer Patricier ge- kleidet, ein pelzverbrämtes Wamms mit Schwert angelegt und ein Federba¬ rett aufs Haupt gesetzt haben. Wieder ein König! Ein blutrother Bannerträger geht vor ihm her, geleitet von gleichfalls blutrothen Fahnenwächtern. Es ist Herodes mit seiner üppigen Tochter. Die Dame ist für die Jahreszeit etwas leicht ge¬ kleidet, man sieht, sie hat auf das Tanzen gerechnet. Rascher fliegt der Blick an den nun folgenden Personen vorüber: Marschalk und Longinus; ein Zug Juden; 3 Täuflinge; 2 Bahr- träger mit dem Aufschließer des Gefängnisses Johannis, der Salvator an der Spitze von acht paarweise geordneten Jüngern; Lazarus und Martha mit Mägden; Methusalem auf einen Knecht gestützt; der Apotheker und Matthäus; Zachäus und ein Schriftgelehrter; Aussätzige und Blinde; Rahel und die Samariterin: endlich nach diesen Demüthigen noch ein Geschwader von Fürsten in eine Wolke von Reisigen gehüllt: Pilatus. Nero, Cyrus, Hercules, Clymax und Agrippa. Den Schluß der Spielgenossen machen 6 Teufel und die Schlange, die, wie vor dem Fluche am ersten Tage aufwärts gerichtet, mit ihnen marschirt. Den Schluß des ganzen Zuges bilden die paarweise geordneten Sänger, ferner die Trabanten des Proclamators, zwischen ihnen des Rectors Cysat dienender Knabe, darauf der Rector selbst im höchsten Glänze seiner Amtstracht mit einem Scepter in der Hand, zuletzt der Proclamator mit seinem Gefolge. Als der Zug einmal den Platz umzogen hatte und die Vordersten wieder beim Hause zur Sonnen angekommen waren, trat Cysat aus der Reihe der Uebrigen heraus und winkte mit seinem Scepter. Der Zug stand, die Musik schwieg und vier Harsthörner aus der Cantorei ließen sich allein vernehmen. Aus dieses Zeichen löste sich der ganze geschlossene Zug aus und jede Spielgruppe begab sich in ihren Hof, wo sie fortan so lange still zu warten hatte, bis ihre Scene heran kam. ?g.ter aöwi'nus ging unter dem Gesänge der Engel die Leiter hinauf, stieg in den Himmel und zog den blauen mit Sternen besetzten Vorhang hinter sich zu. Zum andern Male winkte Cysat. Zum andern Male erschollen die Harsthörner, und der Proclamator, hoch auf weißem Roß, in ganzer Rüstung, darüber ein weißes zerhauenes Wappenröcklein, auf dem Haupte ein weißes Barett mit wallender Feder, umritt langsam den Platz. Vor ihm her schritten sein Schildknabe und Fähndrich, hinter ihm vier Trabanten, für diesen Tag alle ganz in Weiß gekleidet. Und zum dritten Male winkte Cysat. Zum dritten Male erschollen die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/120>, abgerufen am 18.12.2024.