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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band.

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das Publicum? endgiltig entschieden und der von dem sonst so verdienten
Mone aufgebrachte Irrthum, "daß die Zuschauer sich jedesmal zu der Ab-
theilung stellten, wo gespielt wurde und daß sie also mit dem Schauspiel
weiter rückten, wie es in eine andere Abtheilung ging" (Mone, Schauspiele
des Mittelalters II. S. 157) hinlänglich widerlegt.

Nach dieser Erläuterung wenden wir uns zu einer genaueren Betrachtung
des Spielplatzes selbst.

Hier sind zunächst die Begriffe "Ort oder Stand" und "Hof" zu
erklären, die unablässig wiederkehren und wie wichtig sie auch für das Ver¬
ständniß der scnenischen Darstellungen dieser Zeit sind, bis jetzt nicht genügend
erkannt worden sind.

Unter "Hof" versteht nämlich Cysat und mit ihm das geistliche Schau¬
spiel auch der früheren Jahrhunderte diejenige geschlossene Abtheilung,
in welcher sich die zu einer bestimmten Scene (auch "Figur" ge¬
nannt) gehörigen Personen vor ihrem Auftreten versammelt
halten.

Diese Höfe lagen rings um den Spielplatz herum, unmittelbar am Fuße
der Brügger, meist zu ebener Erde. Die Feststellung der Zahl der Höfe
und ihre Einrichtung nach der Menge der aufzunehmenden Personen, war,
wie aus Cysats schriftlichen Aufzeichnungen ersichtlich, eine der schwierigsten
und wichtigsten Arbeiten, da von ihrer glücklichen Erledigung der geordnete
Verlauf der Darstellung wesentlich abhing. Denn auf diese Weise allein
konnte der Regens vor Beginn einer jeden Scene das dazu nöthige Spiel¬
personal controliren, ohne den Gang der Darstellung zu unterbrechen. Zu
diesem Zwecke hatte er sich ein besonderes Verzeichnis) der Höfe am Platze
entworfen, nach diesem zeigt die Abtheilung des ersten Tags 62, die des
zweiten 24 Höfe.

Die Höfe sind also auf keine Weise als ein Theil der decorativer Aus¬
stattung des Spielplatzes aufzufassen, und da in ihnen selbst eine Handlung
nicht vorging, so ist die von Mone aufgeworfene Frage nach ihrer Durch¬
sichtigkeit völlig müßig. Sie haben mit unseren Coulissen nichts anders
gemein, als daß der Spieler aus ihnen vortritt und nach vollendeter Scene
sich in sie zurückzieht.

Häufige Verbote schärfen den Spielgenossen den ruhig abwartenden
Aufenthalt in diesen Höfen ein und untersagen ihnen namentlich das nicht
zum Spiel gehörige Zechen, womit sich wohl mancher biedere Mann mochte
das Lampenfieber vertreiben wollen. --

Verläßt der Spieler seinen ..Hof", so tritt er hinaus auf den Spielplatz.
Aber auch hier ist alles Festsetzung und Beschränkung. Nicht wo er will,


das Publicum? endgiltig entschieden und der von dem sonst so verdienten
Mone aufgebrachte Irrthum, „daß die Zuschauer sich jedesmal zu der Ab-
theilung stellten, wo gespielt wurde und daß sie also mit dem Schauspiel
weiter rückten, wie es in eine andere Abtheilung ging" (Mone, Schauspiele
des Mittelalters II. S. 157) hinlänglich widerlegt.

Nach dieser Erläuterung wenden wir uns zu einer genaueren Betrachtung
des Spielplatzes selbst.

Hier sind zunächst die Begriffe „Ort oder Stand" und „Hof" zu
erklären, die unablässig wiederkehren und wie wichtig sie auch für das Ver¬
ständniß der scnenischen Darstellungen dieser Zeit sind, bis jetzt nicht genügend
erkannt worden sind.

Unter „Hof" versteht nämlich Cysat und mit ihm das geistliche Schau¬
spiel auch der früheren Jahrhunderte diejenige geschlossene Abtheilung,
in welcher sich die zu einer bestimmten Scene (auch „Figur" ge¬
nannt) gehörigen Personen vor ihrem Auftreten versammelt
halten.

Diese Höfe lagen rings um den Spielplatz herum, unmittelbar am Fuße
der Brügger, meist zu ebener Erde. Die Feststellung der Zahl der Höfe
und ihre Einrichtung nach der Menge der aufzunehmenden Personen, war,
wie aus Cysats schriftlichen Aufzeichnungen ersichtlich, eine der schwierigsten
und wichtigsten Arbeiten, da von ihrer glücklichen Erledigung der geordnete
Verlauf der Darstellung wesentlich abhing. Denn auf diese Weise allein
konnte der Regens vor Beginn einer jeden Scene das dazu nöthige Spiel¬
personal controliren, ohne den Gang der Darstellung zu unterbrechen. Zu
diesem Zwecke hatte er sich ein besonderes Verzeichnis) der Höfe am Platze
entworfen, nach diesem zeigt die Abtheilung des ersten Tags 62, die des
zweiten 24 Höfe.

Die Höfe sind also auf keine Weise als ein Theil der decorativer Aus¬
stattung des Spielplatzes aufzufassen, und da in ihnen selbst eine Handlung
nicht vorging, so ist die von Mone aufgeworfene Frage nach ihrer Durch¬
sichtigkeit völlig müßig. Sie haben mit unseren Coulissen nichts anders
gemein, als daß der Spieler aus ihnen vortritt und nach vollendeter Scene
sich in sie zurückzieht.

Häufige Verbote schärfen den Spielgenossen den ruhig abwartenden
Aufenthalt in diesen Höfen ein und untersagen ihnen namentlich das nicht
zum Spiel gehörige Zechen, womit sich wohl mancher biedere Mann mochte
das Lampenfieber vertreiben wollen. —

Verläßt der Spieler seinen ..Hof", so tritt er hinaus auf den Spielplatz.
Aber auch hier ist alles Festsetzung und Beschränkung. Nicht wo er will,


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[0115] das Publicum? endgiltig entschieden und der von dem sonst so verdienten Mone aufgebrachte Irrthum, „daß die Zuschauer sich jedesmal zu der Ab- theilung stellten, wo gespielt wurde und daß sie also mit dem Schauspiel weiter rückten, wie es in eine andere Abtheilung ging" (Mone, Schauspiele des Mittelalters II. S. 157) hinlänglich widerlegt. Nach dieser Erläuterung wenden wir uns zu einer genaueren Betrachtung des Spielplatzes selbst. Hier sind zunächst die Begriffe „Ort oder Stand" und „Hof" zu erklären, die unablässig wiederkehren und wie wichtig sie auch für das Ver¬ ständniß der scnenischen Darstellungen dieser Zeit sind, bis jetzt nicht genügend erkannt worden sind. Unter „Hof" versteht nämlich Cysat und mit ihm das geistliche Schau¬ spiel auch der früheren Jahrhunderte diejenige geschlossene Abtheilung, in welcher sich die zu einer bestimmten Scene (auch „Figur" ge¬ nannt) gehörigen Personen vor ihrem Auftreten versammelt halten. Diese Höfe lagen rings um den Spielplatz herum, unmittelbar am Fuße der Brügger, meist zu ebener Erde. Die Feststellung der Zahl der Höfe und ihre Einrichtung nach der Menge der aufzunehmenden Personen, war, wie aus Cysats schriftlichen Aufzeichnungen ersichtlich, eine der schwierigsten und wichtigsten Arbeiten, da von ihrer glücklichen Erledigung der geordnete Verlauf der Darstellung wesentlich abhing. Denn auf diese Weise allein konnte der Regens vor Beginn einer jeden Scene das dazu nöthige Spiel¬ personal controliren, ohne den Gang der Darstellung zu unterbrechen. Zu diesem Zwecke hatte er sich ein besonderes Verzeichnis) der Höfe am Platze entworfen, nach diesem zeigt die Abtheilung des ersten Tags 62, die des zweiten 24 Höfe. Die Höfe sind also auf keine Weise als ein Theil der decorativer Aus¬ stattung des Spielplatzes aufzufassen, und da in ihnen selbst eine Handlung nicht vorging, so ist die von Mone aufgeworfene Frage nach ihrer Durch¬ sichtigkeit völlig müßig. Sie haben mit unseren Coulissen nichts anders gemein, als daß der Spieler aus ihnen vortritt und nach vollendeter Scene sich in sie zurückzieht. Häufige Verbote schärfen den Spielgenossen den ruhig abwartenden Aufenthalt in diesen Höfen ein und untersagen ihnen namentlich das nicht zum Spiel gehörige Zechen, womit sich wohl mancher biedere Mann mochte das Lampenfieber vertreiben wollen. — Verläßt der Spieler seinen ..Hof", so tritt er hinaus auf den Spielplatz. Aber auch hier ist alles Festsetzung und Beschränkung. Nicht wo er will,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123619/115>, abgerufen am 27.07.2024.