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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Lande von unzerstörbaren Hilfsquellen wird der Ackerbau wohl stets den Ein¬
geborenen gehören, Handel und Gewerbe aber stehen allen Fremden offen
und gewähren um so reicheren Lohn, je mehr die productive Kraft des Bodens
sich entfaltet. Wer darf leugnen, daß es dort seit Mehemed Alt trotz allem
Despotismus schnell vorwärts gegangen ist. Das Nilthal zeigt bis an den
Rand der Wüste überall die Spuren europäischer Cultur, Cairo ist fast eine
europäische Stadt geworden, und Alerandrien hat die Physiognomie eines
Welthandelsplatzes. Der Kronprinz fand in Cairo eine deutsche Colonie von
mehreren hundert Köpfen. Fackelzug und Lied huldigten ihm nach deutscher
Weise am Abende nach seiner Ankunft und es war für alle Anwesenden ein
fröhlicher Eindruck, bei dieser Gelegenheit deutsche Melodien eines kräftigen
Männerchors im Lande der Pharaonen, der Pyramiden und Palmen zu hören.
Am folgenden Tage legte der Fürst den Grundstein zur ersten protestanti¬
schen Kirche in Cairo und gewährte im Namen seines Vaters die Mittel,
mit dem Baue sofort zu beginnen. -- Zu Alerandrien ist im Vergleich zu der
großen Zahl von 80,000 Fremden die deutsche Colonie klein, sie zählt nur
nach Hunderten. Doch auch diese, welchem Einzelstaate sie angehören moch¬
ten, thaten sich zusammen, um den Besuch des preußischen Thronerben mit
Lied und Fackelzug zu feiern, in ihm die Idee der deutschen Einheit. Und
wir dürfen mit Freude rühmen, daß auch in Egypten die Vertretung des
deutschen Staates eine würdige und bedeutungsvolle geworden ist. Bei der
Eröffnung des Suezcanals war die norddeutsche Kriegscorvette Hertha das
erste größere Kriegsschiff, welches die neue Weltstraße befuhr. Möge dies
ein gutes Vorzeichen für unsere Marine, aber auch für das großartige Werk
des Canals sein. Unsere Flotte wie der Canal sind noch im Werden, beide
werden noch viel Geld kosten, ehe sie fertig sind, aber für wirkliche Bedürf¬
nisse der Menschheit hat es auf die Länge noch nie an Gelde gefehlt. Nicht
weniger als die Flotte imponirte dort die kräftige schöne Gestalt des Thron¬
erben im frischen Glänze des Feldherrnruhmes. Wie der Orient dergleichen
auffaßt, zeigt folgende uns mitgetheilte Erzählung. Als der Kronprinz drei
Wochen nach dem Kaiser von Oestreich die Pyramiden besuchte, frug einer
der Araberhäuptlinge, welche herangeritten waren: "Ist das der, welcher den
Kaiser geschlagen hat?" "Ja." Der Araber sah nach dem Prinzen: "Er sieht
so aus, aber so groß, wie man erzählte, ist er doch nicht; er sollte zehn
Ellen hoch sein."

So war die Reise des Kronprinzen, welche ihm selbst einen Reichthum
neuer, prachtvoller Anschauungen und lehrreicher Beobachtungen gewährt hat,
auch nicht ohne Nutzen für unseren Staat, denn sie hat wesentlich die Ein¬
heit und das Selbstgefühl der Deutschen im Orient gekräftigt und unserem
Volksthum bei den Fremden achtungsvolle Scheu erweckt.


Lande von unzerstörbaren Hilfsquellen wird der Ackerbau wohl stets den Ein¬
geborenen gehören, Handel und Gewerbe aber stehen allen Fremden offen
und gewähren um so reicheren Lohn, je mehr die productive Kraft des Bodens
sich entfaltet. Wer darf leugnen, daß es dort seit Mehemed Alt trotz allem
Despotismus schnell vorwärts gegangen ist. Das Nilthal zeigt bis an den
Rand der Wüste überall die Spuren europäischer Cultur, Cairo ist fast eine
europäische Stadt geworden, und Alerandrien hat die Physiognomie eines
Welthandelsplatzes. Der Kronprinz fand in Cairo eine deutsche Colonie von
mehreren hundert Köpfen. Fackelzug und Lied huldigten ihm nach deutscher
Weise am Abende nach seiner Ankunft und es war für alle Anwesenden ein
fröhlicher Eindruck, bei dieser Gelegenheit deutsche Melodien eines kräftigen
Männerchors im Lande der Pharaonen, der Pyramiden und Palmen zu hören.
Am folgenden Tage legte der Fürst den Grundstein zur ersten protestanti¬
schen Kirche in Cairo und gewährte im Namen seines Vaters die Mittel,
mit dem Baue sofort zu beginnen. — Zu Alerandrien ist im Vergleich zu der
großen Zahl von 80,000 Fremden die deutsche Colonie klein, sie zählt nur
nach Hunderten. Doch auch diese, welchem Einzelstaate sie angehören moch¬
ten, thaten sich zusammen, um den Besuch des preußischen Thronerben mit
Lied und Fackelzug zu feiern, in ihm die Idee der deutschen Einheit. Und
wir dürfen mit Freude rühmen, daß auch in Egypten die Vertretung des
deutschen Staates eine würdige und bedeutungsvolle geworden ist. Bei der
Eröffnung des Suezcanals war die norddeutsche Kriegscorvette Hertha das
erste größere Kriegsschiff, welches die neue Weltstraße befuhr. Möge dies
ein gutes Vorzeichen für unsere Marine, aber auch für das großartige Werk
des Canals sein. Unsere Flotte wie der Canal sind noch im Werden, beide
werden noch viel Geld kosten, ehe sie fertig sind, aber für wirkliche Bedürf¬
nisse der Menschheit hat es auf die Länge noch nie an Gelde gefehlt. Nicht
weniger als die Flotte imponirte dort die kräftige schöne Gestalt des Thron¬
erben im frischen Glänze des Feldherrnruhmes. Wie der Orient dergleichen
auffaßt, zeigt folgende uns mitgetheilte Erzählung. Als der Kronprinz drei
Wochen nach dem Kaiser von Oestreich die Pyramiden besuchte, frug einer
der Araberhäuptlinge, welche herangeritten waren: „Ist das der, welcher den
Kaiser geschlagen hat?" „Ja." Der Araber sah nach dem Prinzen: „Er sieht
so aus, aber so groß, wie man erzählte, ist er doch nicht; er sollte zehn
Ellen hoch sein."

So war die Reise des Kronprinzen, welche ihm selbst einen Reichthum
neuer, prachtvoller Anschauungen und lehrreicher Beobachtungen gewährt hat,
auch nicht ohne Nutzen für unseren Staat, denn sie hat wesentlich die Ein¬
heit und das Selbstgefühl der Deutschen im Orient gekräftigt und unserem
Volksthum bei den Fremden achtungsvolle Scheu erweckt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/93>, abgerufen am 26.06.2024.