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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Vertrag und Gesetzparagraphen wenig, der malerische, dramatische Eindruck
der Stunde wirkt lange nach; nur was gefällt oder imponirt, gewinnt Be¬
deutung. Nicht geringer war die Einwirkung der Reise auf die Deutschen
im Orient, auch sie wurden sich fröhlich bewußt, daß sie seit dem Jahre 1866
Bürger eines Staates geworden sind, der in der Fremde geachtet ist, weil
er sich Berücksichtigung erzwingen kann. Ueberall wurden die Besucher von den
deutschen Colonisten mit besonderem Enthusiasmus empfangen, der deutsche
Thronerbe, umgeben von einem schönen Geschwader streitbarer Schiffe, erschien
ihnen als glänzender und ruhmvoller Vertreter ihrer Heimath, sie hoben sich
plötzlich ab von der Masse, in der sie gelebt, und sie empfanden alle Huldi¬
gungen und Artigkeiten, welche dem heimischen Fürsten erwiesen wurden, als
Gewinn und Ehre, die ihnen selbst zu Theil wurde. Denn jeder Colonist
und Fremde wird dort nur so weit geachtet, als das Vaterland, dem er an¬
gehört, ihn stützt und trägt. Die große Mehrzahl der Deutschen im Orient
sind Süddeutsche und Protestanten. Sie Alle erkennen, durch die stärksten
Motive der Vaterlandsliebe und des eigenen Nutzens getrieben, die Einigung
Deutschlands und das Haus der Hohenzollern als einen Segen für ihr Da¬
sein und stützen sich aus ganzem Herzen auf die Institute des norddeutschen
Bundes. Für uns im Heimathlande ist eine erfreuliche Wahrnehmung,
welche Aufregung die Erscheinung des Prinzen, die Kanonen feiner Schiffe
und die vielbeleumdete Pickelhaube seines kriegerischen Gefolges erregte. Es
gab dort nicht nur lauten Ruf begeisterten Grußes, zuweilen auch Freuden¬
thränen.

In Athen, wo der Kronprinz zuerst anfuhr, ist das deutsche Element
schwach vertreten, das moderne Hellas ist kein reichlich producirendes Land
und der Grieche selbst ist ein zu guter Kaufmann und Geldmann, um dem
Fremden ein großes Wirkungsfeld zu lassen. Der Besuch dort war, wie
es scheint, die Idylle der Reise, ein kurzes freundliches Zusammensein mit
der königlichen Familie und ein Versenken in die großen Erinnerungen der
Landschaft und die Trümmer alter Kunstherrlichkeit, an deren Erforschung
deutsche Gelehrte und die Geldmittel, welche von dem Könige von Preußen
zur Disposition gestellt wurden, namhaften Antheil haben. Anders zeigte
sich Constantinopel. In dieser Weltstation des Handels ist für alle streb¬
samen Kräfte Raum und Gelegenheit zu lohnender Thätigkeit und Söhne
aller Nationen tummeln sich hier im regen Verkehr. Dort war auch der
Empfang des Kronprinzen durch die Deutschen massenhafter. In gedrängter
Schaar hatten sie einen Lloyddampser gemiethet und kamen unter nord¬
deutscher Flagge, das Schiff mit allen deutschen Wimpeln und Flaggen ge¬
schmückt, dem Kronprinzen bei seiner Umfahrt entgegen. Und derselben nord-


Vertrag und Gesetzparagraphen wenig, der malerische, dramatische Eindruck
der Stunde wirkt lange nach; nur was gefällt oder imponirt, gewinnt Be¬
deutung. Nicht geringer war die Einwirkung der Reise auf die Deutschen
im Orient, auch sie wurden sich fröhlich bewußt, daß sie seit dem Jahre 1866
Bürger eines Staates geworden sind, der in der Fremde geachtet ist, weil
er sich Berücksichtigung erzwingen kann. Ueberall wurden die Besucher von den
deutschen Colonisten mit besonderem Enthusiasmus empfangen, der deutsche
Thronerbe, umgeben von einem schönen Geschwader streitbarer Schiffe, erschien
ihnen als glänzender und ruhmvoller Vertreter ihrer Heimath, sie hoben sich
plötzlich ab von der Masse, in der sie gelebt, und sie empfanden alle Huldi¬
gungen und Artigkeiten, welche dem heimischen Fürsten erwiesen wurden, als
Gewinn und Ehre, die ihnen selbst zu Theil wurde. Denn jeder Colonist
und Fremde wird dort nur so weit geachtet, als das Vaterland, dem er an¬
gehört, ihn stützt und trägt. Die große Mehrzahl der Deutschen im Orient
sind Süddeutsche und Protestanten. Sie Alle erkennen, durch die stärksten
Motive der Vaterlandsliebe und des eigenen Nutzens getrieben, die Einigung
Deutschlands und das Haus der Hohenzollern als einen Segen für ihr Da¬
sein und stützen sich aus ganzem Herzen auf die Institute des norddeutschen
Bundes. Für uns im Heimathlande ist eine erfreuliche Wahrnehmung,
welche Aufregung die Erscheinung des Prinzen, die Kanonen feiner Schiffe
und die vielbeleumdete Pickelhaube seines kriegerischen Gefolges erregte. Es
gab dort nicht nur lauten Ruf begeisterten Grußes, zuweilen auch Freuden¬
thränen.

In Athen, wo der Kronprinz zuerst anfuhr, ist das deutsche Element
schwach vertreten, das moderne Hellas ist kein reichlich producirendes Land
und der Grieche selbst ist ein zu guter Kaufmann und Geldmann, um dem
Fremden ein großes Wirkungsfeld zu lassen. Der Besuch dort war, wie
es scheint, die Idylle der Reise, ein kurzes freundliches Zusammensein mit
der königlichen Familie und ein Versenken in die großen Erinnerungen der
Landschaft und die Trümmer alter Kunstherrlichkeit, an deren Erforschung
deutsche Gelehrte und die Geldmittel, welche von dem Könige von Preußen
zur Disposition gestellt wurden, namhaften Antheil haben. Anders zeigte
sich Constantinopel. In dieser Weltstation des Handels ist für alle streb¬
samen Kräfte Raum und Gelegenheit zu lohnender Thätigkeit und Söhne
aller Nationen tummeln sich hier im regen Verkehr. Dort war auch der
Empfang des Kronprinzen durch die Deutschen massenhafter. In gedrängter
Schaar hatten sie einen Lloyddampser gemiethet und kamen unter nord¬
deutscher Flagge, das Schiff mit allen deutschen Wimpeln und Flaggen ge¬
schmückt, dem Kronprinzen bei seiner Umfahrt entgegen. Und derselben nord-


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[0089] Vertrag und Gesetzparagraphen wenig, der malerische, dramatische Eindruck der Stunde wirkt lange nach; nur was gefällt oder imponirt, gewinnt Be¬ deutung. Nicht geringer war die Einwirkung der Reise auf die Deutschen im Orient, auch sie wurden sich fröhlich bewußt, daß sie seit dem Jahre 1866 Bürger eines Staates geworden sind, der in der Fremde geachtet ist, weil er sich Berücksichtigung erzwingen kann. Ueberall wurden die Besucher von den deutschen Colonisten mit besonderem Enthusiasmus empfangen, der deutsche Thronerbe, umgeben von einem schönen Geschwader streitbarer Schiffe, erschien ihnen als glänzender und ruhmvoller Vertreter ihrer Heimath, sie hoben sich plötzlich ab von der Masse, in der sie gelebt, und sie empfanden alle Huldi¬ gungen und Artigkeiten, welche dem heimischen Fürsten erwiesen wurden, als Gewinn und Ehre, die ihnen selbst zu Theil wurde. Denn jeder Colonist und Fremde wird dort nur so weit geachtet, als das Vaterland, dem er an¬ gehört, ihn stützt und trägt. Die große Mehrzahl der Deutschen im Orient sind Süddeutsche und Protestanten. Sie Alle erkennen, durch die stärksten Motive der Vaterlandsliebe und des eigenen Nutzens getrieben, die Einigung Deutschlands und das Haus der Hohenzollern als einen Segen für ihr Da¬ sein und stützen sich aus ganzem Herzen auf die Institute des norddeutschen Bundes. Für uns im Heimathlande ist eine erfreuliche Wahrnehmung, welche Aufregung die Erscheinung des Prinzen, die Kanonen feiner Schiffe und die vielbeleumdete Pickelhaube seines kriegerischen Gefolges erregte. Es gab dort nicht nur lauten Ruf begeisterten Grußes, zuweilen auch Freuden¬ thränen. In Athen, wo der Kronprinz zuerst anfuhr, ist das deutsche Element schwach vertreten, das moderne Hellas ist kein reichlich producirendes Land und der Grieche selbst ist ein zu guter Kaufmann und Geldmann, um dem Fremden ein großes Wirkungsfeld zu lassen. Der Besuch dort war, wie es scheint, die Idylle der Reise, ein kurzes freundliches Zusammensein mit der königlichen Familie und ein Versenken in die großen Erinnerungen der Landschaft und die Trümmer alter Kunstherrlichkeit, an deren Erforschung deutsche Gelehrte und die Geldmittel, welche von dem Könige von Preußen zur Disposition gestellt wurden, namhaften Antheil haben. Anders zeigte sich Constantinopel. In dieser Weltstation des Handels ist für alle streb¬ samen Kräfte Raum und Gelegenheit zu lohnender Thätigkeit und Söhne aller Nationen tummeln sich hier im regen Verkehr. Dort war auch der Empfang des Kronprinzen durch die Deutschen massenhafter. In gedrängter Schaar hatten sie einen Lloyddampser gemiethet und kamen unter nord¬ deutscher Flagge, das Schiff mit allen deutschen Wimpeln und Flaggen ge¬ schmückt, dem Kronprinzen bei seiner Umfahrt entgegen. Und derselben nord-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/89>, abgerufen am 26.06.2024.