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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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kann als der ungemischte Grundstock des Deutschen Stammes in Oestreich
gelten. -- Eine der Verbreitung der Deutschen einigermaßen ähnliche Aus¬
dehnung über viele weit auseinanderliegende Kreise des Staats kommt den
Czechen, Mähren und Slovaken zu, deren Sprachen nur dialektisch
von einander verschieden sind. Der Hauptsitz ihres Stammes ist ein zwie¬
facher: das Herzland Böhmens (die Kreise Prag, Castan und Tabor) und
das Centralgebiet des einstigen großmährischen Staates (der Hradischer
Kreis mit den Comitaten Trentschin, Urva-Thurocz, Liptau und Sohl). Er¬
sterem schließt sich der Iglauer Kreis, letzterem Ober-Neutra an, so daß die
Beimischung anderer Stammesgenossen häufig noch nicht 18 Procent über¬
schreitet. In den übrigen Theilen Böhmens, Mährens und des Preßburger
Verwaltungsbezirks, in Schlesien und den sechs nordwestlichen Comitaten des
Kaschauer Gebietes mindert sich der Procentsatz czechisch-mährisch-slovakischer
Bevölkerung bis zu 10 Procent und das Hereinreichen der Czechen in den
Kreis ober, der Slovaken in den Kreis unter dem Mauhartsberge beschränkt
sich auf noch weit niedrigere Ziffern.

Im Gegensatz zu diesen Stämmen nehmen die Polen nur einen Theil
Galiziens und Schlesiens ein. Aber auch hier überragt das polnische Ele¬
ment die anderen Nationalitäten nur in den Gebieten, welche zu dem alten
Klein-Polen gehörten oder mit diesem Lande staatsrechtlich zusammenhingen.
Hierher gehören die Kreise Krakau, Bochnia, Wadowice, Tarnow und Rzes-
zow. Im Niederschlesischen beträgt das polnische Element kaum zwei Fünf¬
theile der Bevölkerung, in seinen Ausläufern in der Bukowina und einigen
ungarischen Comitaten sinkt es noch unter den fünften Theil herab.

Das östliche Galizien ist vorwiegend von Ruthen en (Klein-Russen)
bewohnt, welche in sieben Kreisen des Lemberger Verwaltungsbezirkes mehr
als vier Fünftheile, in fünf anderen mehr als die Hälfte der einheimischen
Bevölkerung bilden, und auch in einigen ungarischen Bezirken zweifellos
überwiegen.

Krain und der Marburger Kreis sind fast ausschließlich von Slovenen
bevölkert. In Görz sind zwei Drittheile der einheimischen Bevölkerung, in
Kärnthen kaum ein Viertel Slovenen. Auch in Jstrien, dem Eisenburger
und Zalaer Comitate, vereinzelt in Friaul and im Grätzer Kreise finden sich
Slovenen neben Kroaten und von diesen sprachlich nur wenig verschieden
Serben, welch' letztere namentlich die kroatisch-slavonische Militärgrenze,
dann zum Theil Kroatien, Dalmatien, Slavonien, die Wojwodina, Ungarn und
das Banat bevölkern. Im Banat finden sich in geringer Anzahl auch Bul¬
garen, welche Kaiser Karl VI. in das Banat aufnahm, sowie namentlich
Romanen (Rumänen), welche in verschiedenen Graden der Dichtigkeit auch
über die südöstlichen Comitate Ungarns, über Siebenbürgen und die Bulo-


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kann als der ungemischte Grundstock des Deutschen Stammes in Oestreich
gelten. — Eine der Verbreitung der Deutschen einigermaßen ähnliche Aus¬
dehnung über viele weit auseinanderliegende Kreise des Staats kommt den
Czechen, Mähren und Slovaken zu, deren Sprachen nur dialektisch
von einander verschieden sind. Der Hauptsitz ihres Stammes ist ein zwie¬
facher: das Herzland Böhmens (die Kreise Prag, Castan und Tabor) und
das Centralgebiet des einstigen großmährischen Staates (der Hradischer
Kreis mit den Comitaten Trentschin, Urva-Thurocz, Liptau und Sohl). Er¬
sterem schließt sich der Iglauer Kreis, letzterem Ober-Neutra an, so daß die
Beimischung anderer Stammesgenossen häufig noch nicht 18 Procent über¬
schreitet. In den übrigen Theilen Böhmens, Mährens und des Preßburger
Verwaltungsbezirks, in Schlesien und den sechs nordwestlichen Comitaten des
Kaschauer Gebietes mindert sich der Procentsatz czechisch-mährisch-slovakischer
Bevölkerung bis zu 10 Procent und das Hereinreichen der Czechen in den
Kreis ober, der Slovaken in den Kreis unter dem Mauhartsberge beschränkt
sich auf noch weit niedrigere Ziffern.

Im Gegensatz zu diesen Stämmen nehmen die Polen nur einen Theil
Galiziens und Schlesiens ein. Aber auch hier überragt das polnische Ele¬
ment die anderen Nationalitäten nur in den Gebieten, welche zu dem alten
Klein-Polen gehörten oder mit diesem Lande staatsrechtlich zusammenhingen.
Hierher gehören die Kreise Krakau, Bochnia, Wadowice, Tarnow und Rzes-
zow. Im Niederschlesischen beträgt das polnische Element kaum zwei Fünf¬
theile der Bevölkerung, in seinen Ausläufern in der Bukowina und einigen
ungarischen Comitaten sinkt es noch unter den fünften Theil herab.

Das östliche Galizien ist vorwiegend von Ruthen en (Klein-Russen)
bewohnt, welche in sieben Kreisen des Lemberger Verwaltungsbezirkes mehr
als vier Fünftheile, in fünf anderen mehr als die Hälfte der einheimischen
Bevölkerung bilden, und auch in einigen ungarischen Bezirken zweifellos
überwiegen.

Krain und der Marburger Kreis sind fast ausschließlich von Slovenen
bevölkert. In Görz sind zwei Drittheile der einheimischen Bevölkerung, in
Kärnthen kaum ein Viertel Slovenen. Auch in Jstrien, dem Eisenburger
und Zalaer Comitate, vereinzelt in Friaul and im Grätzer Kreise finden sich
Slovenen neben Kroaten und von diesen sprachlich nur wenig verschieden
Serben, welch' letztere namentlich die kroatisch-slavonische Militärgrenze,
dann zum Theil Kroatien, Dalmatien, Slavonien, die Wojwodina, Ungarn und
das Banat bevölkern. Im Banat finden sich in geringer Anzahl auch Bul¬
garen, welche Kaiser Karl VI. in das Banat aufnahm, sowie namentlich
Romanen (Rumänen), welche in verschiedenen Graden der Dichtigkeit auch
über die südöstlichen Comitate Ungarns, über Siebenbürgen und die Bulo-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/73>, abgerufen am 26.06.2024.