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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Selbst bei der Abschlagszahlung vom 31. October 1837 wurde hierauf nicht
direct Rücksicht genommen. Jndirect aber enthielten die damals gemachten
Erhebungen das Material, aus dem die Wissenschaft auch die Nationalitäten¬
größen und ihre Verhältnisse ziffermäßig mit ziemlicher Verläßlichkeit dar¬
stellen kann.

Bei der Untersuchung, auf welche wir zunächst zurückgehen, ergab sich
denn als erstes Resultat, daß die deutsche Bevölkerung als einheimische,
ortszuständige, über alle Kronländer, allerdings in sehr verschiedener Jnten-
sivität, verbreitet ist. In 33 Kreisen bilden die Deutschen 1--3 Procent und
darüber, in 17 weiteren 3--10 Procent der einheimischen Bevölkerung. Hier
erscheinen die Reste der in früheren Jahrhunderten viel ausgebreiteteren deut¬
schen Ansiedlungen im Trienter Kreise, und das Hereinreichen deutschen
Lebens in den Slovenischen Theil Steiermarks, nach Krain und Görz be¬
sonders wichtig; das Hinüberwirken der ungarischen Colonisationsgruppe nach
Slavonien, auf die serbisch-banatische Militärgrenze u. f. w., der Nieder¬
lassungen auf dem siebenbürgischen Königsboten auf die Kreise Broos und
Karlsburg, die jetzt vielfach unterbrochene Reihe der einst zusammenhängen"
den Teutoniei von Ober-Ungarn, die "schwäbischen" Gemeinden der josephi-
nischen Periode in Galizien und in der Bukowina, die durch das deutsche
Hauptgebiet beeinflußten Comitate Preßburg, Ober- und Unter-Neutra, end¬
lich der im Caslauer Kreise Böhmens gelegene Theil der deutschen Sprach¬
insel von Iglau kommen in zweiter Reihe zur Geltung. Zwei weitere Stufen
reichen von 10 bis über 20 und von da bis 50 Proc. Sie fassen 29 Kreise
in sich, und werden gebildet durch Bestandtheile und Ausläufer der geschlosse¬
nen Hauptmassen des deutschen Gebietes in den Kreisen Pilsen, Pisek, Bud-
weis, Jttschin, Königgrätz und Chrudim, Olmütz, Neutitschein, Brünn und
Iglau, den Comitaten Oedenburg und Eisenburg; durch die Zipser Sachsen
und die ihnen benachbarten Oberdeutschen Gründner, durch die deutsche
Gruppe im pannonischen Gebirge und an der mittleren Donau bis an den
Zusammenfluß mit der Drau hinab; durch die josephinische Colonisirung der
serbischen Wojewodschaft und der Haupttheile des temeser Banats, endlich
durch die schon im 12. Jahrhundert berufenen siebenbürger Sachsen.

Zwischen der Hälfte und vier Fünftheilen ist die einheimische Bevölke¬
rung deutsch im böhmischen Bunzlauer Kreise, im Comitate Wieselburg, in
Kärnthen und Oberschlesien. Die nichtdeutsche Bevölkerung bildet etwa zehn
Procent der Gesammtbevölkerung in den böhmischen Kreisen Saaz, Leitmeritz
und Brixen; sie sinkt bis unter 3 Procent herab in dem böhmischen Kreise
Eger, und dem größten Theile des Landes unter der Enns. Die einheimi¬
sche Bevölkerung des Kreises ober dem Wiener Walde, der Kreise Brück,
Innsbruck, Bregenz, des Herzogthums Salzburg und Oestreichs ob der Enns


Selbst bei der Abschlagszahlung vom 31. October 1837 wurde hierauf nicht
direct Rücksicht genommen. Jndirect aber enthielten die damals gemachten
Erhebungen das Material, aus dem die Wissenschaft auch die Nationalitäten¬
größen und ihre Verhältnisse ziffermäßig mit ziemlicher Verläßlichkeit dar¬
stellen kann.

Bei der Untersuchung, auf welche wir zunächst zurückgehen, ergab sich
denn als erstes Resultat, daß die deutsche Bevölkerung als einheimische,
ortszuständige, über alle Kronländer, allerdings in sehr verschiedener Jnten-
sivität, verbreitet ist. In 33 Kreisen bilden die Deutschen 1—3 Procent und
darüber, in 17 weiteren 3—10 Procent der einheimischen Bevölkerung. Hier
erscheinen die Reste der in früheren Jahrhunderten viel ausgebreiteteren deut¬
schen Ansiedlungen im Trienter Kreise, und das Hereinreichen deutschen
Lebens in den Slovenischen Theil Steiermarks, nach Krain und Görz be¬
sonders wichtig; das Hinüberwirken der ungarischen Colonisationsgruppe nach
Slavonien, auf die serbisch-banatische Militärgrenze u. f. w., der Nieder¬
lassungen auf dem siebenbürgischen Königsboten auf die Kreise Broos und
Karlsburg, die jetzt vielfach unterbrochene Reihe der einst zusammenhängen«
den Teutoniei von Ober-Ungarn, die „schwäbischen" Gemeinden der josephi-
nischen Periode in Galizien und in der Bukowina, die durch das deutsche
Hauptgebiet beeinflußten Comitate Preßburg, Ober- und Unter-Neutra, end¬
lich der im Caslauer Kreise Böhmens gelegene Theil der deutschen Sprach¬
insel von Iglau kommen in zweiter Reihe zur Geltung. Zwei weitere Stufen
reichen von 10 bis über 20 und von da bis 50 Proc. Sie fassen 29 Kreise
in sich, und werden gebildet durch Bestandtheile und Ausläufer der geschlosse¬
nen Hauptmassen des deutschen Gebietes in den Kreisen Pilsen, Pisek, Bud-
weis, Jttschin, Königgrätz und Chrudim, Olmütz, Neutitschein, Brünn und
Iglau, den Comitaten Oedenburg und Eisenburg; durch die Zipser Sachsen
und die ihnen benachbarten Oberdeutschen Gründner, durch die deutsche
Gruppe im pannonischen Gebirge und an der mittleren Donau bis an den
Zusammenfluß mit der Drau hinab; durch die josephinische Colonisirung der
serbischen Wojewodschaft und der Haupttheile des temeser Banats, endlich
durch die schon im 12. Jahrhundert berufenen siebenbürger Sachsen.

Zwischen der Hälfte und vier Fünftheilen ist die einheimische Bevölke¬
rung deutsch im böhmischen Bunzlauer Kreise, im Comitate Wieselburg, in
Kärnthen und Oberschlesien. Die nichtdeutsche Bevölkerung bildet etwa zehn
Procent der Gesammtbevölkerung in den böhmischen Kreisen Saaz, Leitmeritz
und Brixen; sie sinkt bis unter 3 Procent herab in dem böhmischen Kreise
Eger, und dem größten Theile des Landes unter der Enns. Die einheimi¬
sche Bevölkerung des Kreises ober dem Wiener Walde, der Kreise Brück,
Innsbruck, Bregenz, des Herzogthums Salzburg und Oestreichs ob der Enns


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/72>, abgerufen am 26.06.2024.