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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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waltungsbehörde, ernannt werden. Daß auch die beiden anderen Abgeord¬
neten der Stadt Schönberg aus dem Kreise der ruhigsten und gesetztesten
Bürger hervorgehen, das bezweckt die Bestimmung, daß dieselben nur von
den mit Häusern angesessenen Bürgern und aus deren Mitte gewählt werden
sollen. Solcher Hausbesitzer gibt es in Schönberg unter 2000 Einwohnern
etwa 200.

Die Zahl der den 400 Bauern und bäuerlichen Erbpächtern zugestande¬
nen Vertreter ist, verglichen mit dem Zahlenverhältniß bei den anderen Classen,
eine auffallend geringe.

Welches besondere Standesinteresse die drei Vertreter der Pächter der
landesherrlichen Meiereien und Mühlen repräsentiren sollen, möchte schwer
anzugeben sein. Der Geist politischer Unabhängigkeit in der Versammlung
wird aus dem Hinzutritt dieser, durch kurze Pachtperioden stets an die bevor¬
stehende Neuverpachtung erinnerten Männer kaum einen Gewinn ziehen.

An der Bildung der Vertretung sind ungefähr 623 Personen betheiligt,
während die Listen für die Reichstagswahlen 2714 Wahlberechtigte im Für-
stenthum ergaben. Ausgeschlossen von dem Wahlrecht für die Landesver¬
tretung sind die Gutsleute auf den drei Rittergütern, die sämmtlichen Ein¬
wohner der Stadt Schönberg, welche nicht hausangesessene Bürger sind, die
Bewohner des Domhofes der Stadt Ratzeburg, die Advocaten, Aerzte, Leh¬
rer, Kaufleute, Handwerker, Büdner und Tagelöhner im ganzen Lande.

Daß die Mitglieder der Vertretung keine Tagegelder oder sonstige Ent¬
schädigung erhalten sollen, steht mit dem Charakter der Verfassung in vollem
Einklange. Nur die Mitglieder des ständigen Ausschusses, welcher von der
Vertretung alljährlich zu erwählen ist und aus einem städtischen, einem bäuer¬
lichen und einem Pächter-Vertreter besteht, erhalten für ihre Mühwaltung
eine Vergütung.

Damit die Vertretung dem bureaukratischen Gängelbande nicht entwachse,
ist bestimmt, daß der Vorsitzende der obersten Verwaltungsbehörde des
Landes, der Landvogtei, in ihren Versammlungen den Vorsitz führt. Er er¬
öffnet, leitet und schließt die Sitzungen und ihm liegt es ob, auf Ordnung
bei den Berathungen zu halten. Beschlußfähig ist die Versammlung nur,
wenn er zugegen ist. Von einem Recht der Vertretung, die Legitimation
ihrer Mitglieder zu prüfen und die Geschäftsordnung festzustellen, enthält
die Verfassung nichts; alles dies besorgt der Vorsitzende Oberlanddrost, welcher
auch das Protocoll in den Versammlungen zu leiten hat.

Dieser bescheidenen Stellung der Vertretung in der Ordnung ihrer
eigenen Angelegenheiten entspricht der geringe Umfang, welcher ihrem
Wirkungskreise bezüglich der Landesangelegenheiten angewiesen wird. Die


waltungsbehörde, ernannt werden. Daß auch die beiden anderen Abgeord¬
neten der Stadt Schönberg aus dem Kreise der ruhigsten und gesetztesten
Bürger hervorgehen, das bezweckt die Bestimmung, daß dieselben nur von
den mit Häusern angesessenen Bürgern und aus deren Mitte gewählt werden
sollen. Solcher Hausbesitzer gibt es in Schönberg unter 2000 Einwohnern
etwa 200.

Die Zahl der den 400 Bauern und bäuerlichen Erbpächtern zugestande¬
nen Vertreter ist, verglichen mit dem Zahlenverhältniß bei den anderen Classen,
eine auffallend geringe.

Welches besondere Standesinteresse die drei Vertreter der Pächter der
landesherrlichen Meiereien und Mühlen repräsentiren sollen, möchte schwer
anzugeben sein. Der Geist politischer Unabhängigkeit in der Versammlung
wird aus dem Hinzutritt dieser, durch kurze Pachtperioden stets an die bevor¬
stehende Neuverpachtung erinnerten Männer kaum einen Gewinn ziehen.

An der Bildung der Vertretung sind ungefähr 623 Personen betheiligt,
während die Listen für die Reichstagswahlen 2714 Wahlberechtigte im Für-
stenthum ergaben. Ausgeschlossen von dem Wahlrecht für die Landesver¬
tretung sind die Gutsleute auf den drei Rittergütern, die sämmtlichen Ein¬
wohner der Stadt Schönberg, welche nicht hausangesessene Bürger sind, die
Bewohner des Domhofes der Stadt Ratzeburg, die Advocaten, Aerzte, Leh¬
rer, Kaufleute, Handwerker, Büdner und Tagelöhner im ganzen Lande.

Daß die Mitglieder der Vertretung keine Tagegelder oder sonstige Ent¬
schädigung erhalten sollen, steht mit dem Charakter der Verfassung in vollem
Einklange. Nur die Mitglieder des ständigen Ausschusses, welcher von der
Vertretung alljährlich zu erwählen ist und aus einem städtischen, einem bäuer¬
lichen und einem Pächter-Vertreter besteht, erhalten für ihre Mühwaltung
eine Vergütung.

Damit die Vertretung dem bureaukratischen Gängelbande nicht entwachse,
ist bestimmt, daß der Vorsitzende der obersten Verwaltungsbehörde des
Landes, der Landvogtei, in ihren Versammlungen den Vorsitz führt. Er er¬
öffnet, leitet und schließt die Sitzungen und ihm liegt es ob, auf Ordnung
bei den Berathungen zu halten. Beschlußfähig ist die Versammlung nur,
wenn er zugegen ist. Von einem Recht der Vertretung, die Legitimation
ihrer Mitglieder zu prüfen und die Geschäftsordnung festzustellen, enthält
die Verfassung nichts; alles dies besorgt der Vorsitzende Oberlanddrost, welcher
auch das Protocoll in den Versammlungen zu leiten hat.

Dieser bescheidenen Stellung der Vertretung in der Ordnung ihrer
eigenen Angelegenheiten entspricht der geringe Umfang, welcher ihrem
Wirkungskreise bezüglich der Landesangelegenheiten angewiesen wird. Die


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[0056] waltungsbehörde, ernannt werden. Daß auch die beiden anderen Abgeord¬ neten der Stadt Schönberg aus dem Kreise der ruhigsten und gesetztesten Bürger hervorgehen, das bezweckt die Bestimmung, daß dieselben nur von den mit Häusern angesessenen Bürgern und aus deren Mitte gewählt werden sollen. Solcher Hausbesitzer gibt es in Schönberg unter 2000 Einwohnern etwa 200. Die Zahl der den 400 Bauern und bäuerlichen Erbpächtern zugestande¬ nen Vertreter ist, verglichen mit dem Zahlenverhältniß bei den anderen Classen, eine auffallend geringe. Welches besondere Standesinteresse die drei Vertreter der Pächter der landesherrlichen Meiereien und Mühlen repräsentiren sollen, möchte schwer anzugeben sein. Der Geist politischer Unabhängigkeit in der Versammlung wird aus dem Hinzutritt dieser, durch kurze Pachtperioden stets an die bevor¬ stehende Neuverpachtung erinnerten Männer kaum einen Gewinn ziehen. An der Bildung der Vertretung sind ungefähr 623 Personen betheiligt, während die Listen für die Reichstagswahlen 2714 Wahlberechtigte im Für- stenthum ergaben. Ausgeschlossen von dem Wahlrecht für die Landesver¬ tretung sind die Gutsleute auf den drei Rittergütern, die sämmtlichen Ein¬ wohner der Stadt Schönberg, welche nicht hausangesessene Bürger sind, die Bewohner des Domhofes der Stadt Ratzeburg, die Advocaten, Aerzte, Leh¬ rer, Kaufleute, Handwerker, Büdner und Tagelöhner im ganzen Lande. Daß die Mitglieder der Vertretung keine Tagegelder oder sonstige Ent¬ schädigung erhalten sollen, steht mit dem Charakter der Verfassung in vollem Einklange. Nur die Mitglieder des ständigen Ausschusses, welcher von der Vertretung alljährlich zu erwählen ist und aus einem städtischen, einem bäuer¬ lichen und einem Pächter-Vertreter besteht, erhalten für ihre Mühwaltung eine Vergütung. Damit die Vertretung dem bureaukratischen Gängelbande nicht entwachse, ist bestimmt, daß der Vorsitzende der obersten Verwaltungsbehörde des Landes, der Landvogtei, in ihren Versammlungen den Vorsitz führt. Er er¬ öffnet, leitet und schließt die Sitzungen und ihm liegt es ob, auf Ordnung bei den Berathungen zu halten. Beschlußfähig ist die Versammlung nur, wenn er zugegen ist. Von einem Recht der Vertretung, die Legitimation ihrer Mitglieder zu prüfen und die Geschäftsordnung festzustellen, enthält die Verfassung nichts; alles dies besorgt der Vorsitzende Oberlanddrost, welcher auch das Protocoll in den Versammlungen zu leiten hat. Dieser bescheidenen Stellung der Vertretung in der Ordnung ihrer eigenen Angelegenheiten entspricht der geringe Umfang, welcher ihrem Wirkungskreise bezüglich der Landesangelegenheiten angewiesen wird. Die

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/56>, abgerufen am 26.06.2024.