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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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der Darstellung zu befriedigen, ersieht man aus den zahlreichen bildlichen Hilfs¬
apparaten -- 3 Steindrucktafeln und 34 Holzschnitte --, welche zur Erläuterung
des Textes dem Werke beigegeben sind. Daß damit in gleich wirksamer Weise das
Verständniß gefördert werde, wie durch oculos demonstrirte Experimente, wird
sich allerdings nicht behaupten lassen. Gleichwohl sind die im vorliegenden Werkchen
niedergelegten Zeichnungen zur Veranschaulichung des zu erörternden Stoffes so ge¬
eignet, daß dafür dem Verfasser Dank gezollt werden muß. Ebenso ist es dem
Versasser wie kaum einem anderen populären Schriftsteller bezüglich des Textes ge¬
lungen, in der einfachsten Form und unter möglichster Vermeidung aller tsrmini
teodvioi den Stoff zu erschöpfen.

Auch was die Wahl des Stoffes anlangt, ist der Verfasser außerordentlich
glücklich gewesen.

Die drei Functionen, welche er erklärt, stehen nicht nur mit dem bewußten
Leibesleben in engstem Zusammenhange, sondern zugleich in Beziehung zu der
geistigen Thätigkeit und nehmen das Interesse der Leser darum in so eminenter Weise
in Anspruch, daß ihre populär wissenschaftliche Behandlung auf die lebhafte Theil¬
nahme der weitesten Kreise rechnen kann. Trotz ihrer Gemeinverständlichkeit sind
diese drei Abhandlungen detaillirt genug, um auch tiefer gehende Ansprüche zu be¬
friedigen und dem Leser vor der Arbeit, welche die Voraussetzung wahrhaft popu¬
lärer Darstellung ist, den nöthigen Respekt und eine Art Vorstellung zu geben, --
ein Moment, der nicht unterschätzt werden darf.




Handbuch der deutschen Mythologie mit Einschluß der nordischen. Von Carl
Simrock. Dritte sehr vermehrte Auflage. Bonn, Marcus 1869.

Die rasche Aufeinanderfolge neuer Auflagen spricht deutlich für die große Gunst,
deren sich Simrock's Mythologie bei dem deutschen Volke erfreut. Es wäre also
ein wiederholtes Anpreisen des Buches eigentlich überflüssig, wenn man nicht auf¬
merksam machen müßte aus die zahlreichen Zusätze und Erweiterungen, welche die
vorliegende dritte Auflage ausweist, so daß das Buch nahezu eine neue Erscheinung
geworden ist, obgleich selbstverständlich sein Kern unberührt blieb. Tiefsinnige, bahn¬
brechende Forschung, welche Jacob Grimm auszeichnete, findet und sucht man bei
Simrock nicht. Seine wissenschaftlichen Schriften tragen dasselbe Gepräge wie seine
Dichtungen. Es ist nicht dn Originalität, sondern die liebenswürdige Kunst, alte
Gedankenstoffe umzuformen und der Gegenwart näher zu bringen, welche Simrock's
Dichtungen entsprechend gestaltet und ihm so reichen Beifall verschafft hat. Aehn-
lich geht er auch in seiner Mythologie zu Werke. Er hat sein Augenmerk mit be¬
sonderer Vorliebe auf die Märchen und Sagen gerichtet, in welchen die alten
Mythen noch nachtönen und bemüht sich, die letzteren mit dem lebendigen Volks¬
bewußtsein zu verknüpfen. Diese Weise der Mythendeutung, dieser stetige Nachweis
von der Fortexistenz der germanischen Götter in den Helden der Sage und den


der Darstellung zu befriedigen, ersieht man aus den zahlreichen bildlichen Hilfs¬
apparaten — 3 Steindrucktafeln und 34 Holzschnitte —, welche zur Erläuterung
des Textes dem Werke beigegeben sind. Daß damit in gleich wirksamer Weise das
Verständniß gefördert werde, wie durch oculos demonstrirte Experimente, wird
sich allerdings nicht behaupten lassen. Gleichwohl sind die im vorliegenden Werkchen
niedergelegten Zeichnungen zur Veranschaulichung des zu erörternden Stoffes so ge¬
eignet, daß dafür dem Verfasser Dank gezollt werden muß. Ebenso ist es dem
Versasser wie kaum einem anderen populären Schriftsteller bezüglich des Textes ge¬
lungen, in der einfachsten Form und unter möglichster Vermeidung aller tsrmini
teodvioi den Stoff zu erschöpfen.

Auch was die Wahl des Stoffes anlangt, ist der Verfasser außerordentlich
glücklich gewesen.

Die drei Functionen, welche er erklärt, stehen nicht nur mit dem bewußten
Leibesleben in engstem Zusammenhange, sondern zugleich in Beziehung zu der
geistigen Thätigkeit und nehmen das Interesse der Leser darum in so eminenter Weise
in Anspruch, daß ihre populär wissenschaftliche Behandlung auf die lebhafte Theil¬
nahme der weitesten Kreise rechnen kann. Trotz ihrer Gemeinverständlichkeit sind
diese drei Abhandlungen detaillirt genug, um auch tiefer gehende Ansprüche zu be¬
friedigen und dem Leser vor der Arbeit, welche die Voraussetzung wahrhaft popu¬
lärer Darstellung ist, den nöthigen Respekt und eine Art Vorstellung zu geben, —
ein Moment, der nicht unterschätzt werden darf.




Handbuch der deutschen Mythologie mit Einschluß der nordischen. Von Carl
Simrock. Dritte sehr vermehrte Auflage. Bonn, Marcus 1869.

Die rasche Aufeinanderfolge neuer Auflagen spricht deutlich für die große Gunst,
deren sich Simrock's Mythologie bei dem deutschen Volke erfreut. Es wäre also
ein wiederholtes Anpreisen des Buches eigentlich überflüssig, wenn man nicht auf¬
merksam machen müßte aus die zahlreichen Zusätze und Erweiterungen, welche die
vorliegende dritte Auflage ausweist, so daß das Buch nahezu eine neue Erscheinung
geworden ist, obgleich selbstverständlich sein Kern unberührt blieb. Tiefsinnige, bahn¬
brechende Forschung, welche Jacob Grimm auszeichnete, findet und sucht man bei
Simrock nicht. Seine wissenschaftlichen Schriften tragen dasselbe Gepräge wie seine
Dichtungen. Es ist nicht dn Originalität, sondern die liebenswürdige Kunst, alte
Gedankenstoffe umzuformen und der Gegenwart näher zu bringen, welche Simrock's
Dichtungen entsprechend gestaltet und ihm so reichen Beifall verschafft hat. Aehn-
lich geht er auch in seiner Mythologie zu Werke. Er hat sein Augenmerk mit be¬
sonderer Vorliebe auf die Märchen und Sagen gerichtet, in welchen die alten
Mythen noch nachtönen und bemüht sich, die letzteren mit dem lebendigen Volks¬
bewußtsein zu verknüpfen. Diese Weise der Mythendeutung, dieser stetige Nachweis
von der Fortexistenz der germanischen Götter in den Helden der Sage und den


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/524>, abgerufen am 26.06.2024.