Händler in Frage gestellt worden. Daß die preußische Regierung von der Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe abhängen lassen will, ob sie den Entwurf zum Gesetz werden läßt oder nicht, ist von vorn herein wenig ermuthigend gewesen und daß der Bundeskanzler für nothwendig gehalten, sich zu dieser Frage zu äußern und auf die gouvernementale Lösung der¬ selben mit einer Wucht zu drücken, die wir sonst nur bei großen, eminent politischen Fragen gewohnt sind -- das wird die Verständigung nicht eben erleichtern. Und doch hat uns schon die Eile, mit welcher die Vorarbeiten zu diesem Gesetzentwurf betrieben worden, deutlich gesagt, wie viel auf die schleunige Annahme desselben ankommt, wie wichtig es ist, die legislative Arbeit der Organe des neuen Bundes unausgesetzt ihren Fortgang nehmen zu lassen. -- Noch bewölkter sind die Aussichten für das Zustandekommen des andern, des Gesetzes über das literarische Eigenthum, auf welches die Blicke deutscher Verleger, Schriftsteller und Künstler feit Jahren gerichtet sind, dessen Schick¬ sal für die Beurtheilung der gegenwärtigen Legislaturperiode geradezu maßgebend sein wird. Selbst wenn von den waghalsigen Forderungen unse¬ rer radicalen Freihändler der größte Theil zurückgenommen wird, bleibt reiche Ursache zu Befürchtungen für den Ausgang übrig und jedes neue Amende- ment, über welches die Berliner Zeitungen berichten, macht den zahllosen An¬ hängern der Grundprincipien des Entwurfs das Herz schwer, den Feinden der nationalen Gesetzgebung den Sinn leicht. Handelt es sich im vorliegen¬ den Fall doch recht eigentlich darum, den Satz wahr zu machen, daß der Ge¬ setzgeber nicht neue theoretische Wahrheiten ausfindig zu machen, sondern die vorhandene Rechtsüberzeugung der Nation zu formuliren, die Resultate der bisherigen Entwickelung einheitlich zusammen zu fassen habe. Alle Sach¬ kundigen wissen, daß bei der kosmopolitischen Natur der deutschen Literatur und ihres Markes eine wirkliche Wahrung der Interessen unserer Schriftsteller, Künstler und Verleger nur möglich ist, wenn aus dem bereits gewonnenen Boden weitergebaut und zwar so gebaut wird, daß die Facade des neuen Gebäudes sich an die Mauern der Gesetzgebungen anderer Staaten schließt, mit diesen eine Gasse bildet. Statt sich an dieser Aufgabe, deren Grenzen deutlich umschrieben sind, genügen zu lassen, muthet der Eifer gewisser Volks¬ wirthe uns zu, all' die bisher giltigen Anschauungen über literarisches Eigen¬ thum kritischer Revision zu unterziehen und unter die Gesichtspunkte des Freihan¬ dels und der möglichst wohlfeilen Güterproduction zu stellen. -- Ob die ökonomi¬ sche Wissenschaft abgeschlossen genug ist, um schon jetzt berechtigten Anspruch auf unbedingten Gehorsam gegen ihre Doctrinen zu haben, mag zunächst unerörtert bleiben: Thatsache ist, daß in den Staaten, welche für unsern Büchermarkt in Be¬ tracht kommen, andere Anschauungen über literarisches Eigenthum gelten, als in der Manchesterschule und daß mit diesen und den bisher bei uns giltigen
Händler in Frage gestellt worden. Daß die preußische Regierung von der Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe abhängen lassen will, ob sie den Entwurf zum Gesetz werden läßt oder nicht, ist von vorn herein wenig ermuthigend gewesen und daß der Bundeskanzler für nothwendig gehalten, sich zu dieser Frage zu äußern und auf die gouvernementale Lösung der¬ selben mit einer Wucht zu drücken, die wir sonst nur bei großen, eminent politischen Fragen gewohnt sind — das wird die Verständigung nicht eben erleichtern. Und doch hat uns schon die Eile, mit welcher die Vorarbeiten zu diesem Gesetzentwurf betrieben worden, deutlich gesagt, wie viel auf die schleunige Annahme desselben ankommt, wie wichtig es ist, die legislative Arbeit der Organe des neuen Bundes unausgesetzt ihren Fortgang nehmen zu lassen. — Noch bewölkter sind die Aussichten für das Zustandekommen des andern, des Gesetzes über das literarische Eigenthum, auf welches die Blicke deutscher Verleger, Schriftsteller und Künstler feit Jahren gerichtet sind, dessen Schick¬ sal für die Beurtheilung der gegenwärtigen Legislaturperiode geradezu maßgebend sein wird. Selbst wenn von den waghalsigen Forderungen unse¬ rer radicalen Freihändler der größte Theil zurückgenommen wird, bleibt reiche Ursache zu Befürchtungen für den Ausgang übrig und jedes neue Amende- ment, über welches die Berliner Zeitungen berichten, macht den zahllosen An¬ hängern der Grundprincipien des Entwurfs das Herz schwer, den Feinden der nationalen Gesetzgebung den Sinn leicht. Handelt es sich im vorliegen¬ den Fall doch recht eigentlich darum, den Satz wahr zu machen, daß der Ge¬ setzgeber nicht neue theoretische Wahrheiten ausfindig zu machen, sondern die vorhandene Rechtsüberzeugung der Nation zu formuliren, die Resultate der bisherigen Entwickelung einheitlich zusammen zu fassen habe. Alle Sach¬ kundigen wissen, daß bei der kosmopolitischen Natur der deutschen Literatur und ihres Markes eine wirkliche Wahrung der Interessen unserer Schriftsteller, Künstler und Verleger nur möglich ist, wenn aus dem bereits gewonnenen Boden weitergebaut und zwar so gebaut wird, daß die Facade des neuen Gebäudes sich an die Mauern der Gesetzgebungen anderer Staaten schließt, mit diesen eine Gasse bildet. Statt sich an dieser Aufgabe, deren Grenzen deutlich umschrieben sind, genügen zu lassen, muthet der Eifer gewisser Volks¬ wirthe uns zu, all' die bisher giltigen Anschauungen über literarisches Eigen¬ thum kritischer Revision zu unterziehen und unter die Gesichtspunkte des Freihan¬ dels und der möglichst wohlfeilen Güterproduction zu stellen. — Ob die ökonomi¬ sche Wissenschaft abgeschlossen genug ist, um schon jetzt berechtigten Anspruch auf unbedingten Gehorsam gegen ihre Doctrinen zu haben, mag zunächst unerörtert bleiben: Thatsache ist, daß in den Staaten, welche für unsern Büchermarkt in Be¬ tracht kommen, andere Anschauungen über literarisches Eigenthum gelten, als in der Manchesterschule und daß mit diesen und den bisher bei uns giltigen
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[0515]
Händler in Frage gestellt worden. Daß die preußische Regierung von der
Beibehaltung oder Abschaffung der Todesstrafe abhängen lassen will, ob sie
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ermuthigend gewesen und daß der Bundeskanzler für nothwendig gehalten,
sich zu dieser Frage zu äußern und auf die gouvernementale Lösung der¬
selben mit einer Wucht zu drücken, die wir sonst nur bei großen, eminent
politischen Fragen gewohnt sind — das wird die Verständigung nicht eben
erleichtern. Und doch hat uns schon die Eile, mit welcher die Vorarbeiten zu
diesem Gesetzentwurf betrieben worden, deutlich gesagt, wie viel auf die schleunige
Annahme desselben ankommt, wie wichtig es ist, die legislative Arbeit der
Organe des neuen Bundes unausgesetzt ihren Fortgang nehmen zu lassen.
— Noch bewölkter sind die Aussichten für das Zustandekommen des andern,
des Gesetzes über das literarische Eigenthum, auf welches die Blicke deutscher
Verleger, Schriftsteller und Künstler feit Jahren gerichtet sind, dessen Schick¬
sal für die Beurtheilung der gegenwärtigen Legislaturperiode geradezu
maßgebend sein wird. Selbst wenn von den waghalsigen Forderungen unse¬
rer radicalen Freihändler der größte Theil zurückgenommen wird, bleibt reiche
Ursache zu Befürchtungen für den Ausgang übrig und jedes neue Amende-
ment, über welches die Berliner Zeitungen berichten, macht den zahllosen An¬
hängern der Grundprincipien des Entwurfs das Herz schwer, den Feinden
der nationalen Gesetzgebung den Sinn leicht. Handelt es sich im vorliegen¬
den Fall doch recht eigentlich darum, den Satz wahr zu machen, daß der Ge¬
setzgeber nicht neue theoretische Wahrheiten ausfindig zu machen, sondern die
vorhandene Rechtsüberzeugung der Nation zu formuliren, die Resultate der
bisherigen Entwickelung einheitlich zusammen zu fassen habe. Alle Sach¬
kundigen wissen, daß bei der kosmopolitischen Natur der deutschen Literatur
und ihres Markes eine wirkliche Wahrung der Interessen unserer Schriftsteller,
Künstler und Verleger nur möglich ist, wenn aus dem bereits gewonnenen
Boden weitergebaut und zwar so gebaut wird, daß die Facade des neuen
Gebäudes sich an die Mauern der Gesetzgebungen anderer Staaten schließt,
mit diesen eine Gasse bildet. Statt sich an dieser Aufgabe, deren Grenzen
deutlich umschrieben sind, genügen zu lassen, muthet der Eifer gewisser Volks¬
wirthe uns zu, all' die bisher giltigen Anschauungen über literarisches Eigen¬
thum kritischer Revision zu unterziehen und unter die Gesichtspunkte des Freihan¬
dels und der möglichst wohlfeilen Güterproduction zu stellen. — Ob die ökonomi¬
sche Wissenschaft abgeschlossen genug ist, um schon jetzt berechtigten Anspruch auf
unbedingten Gehorsam gegen ihre Doctrinen zu haben, mag zunächst unerörtert
bleiben: Thatsache ist, daß in den Staaten, welche für unsern Büchermarkt in Be¬
tracht kommen, andere Anschauungen über literarisches Eigenthum gelten, als
in der Manchesterschule und daß mit diesen und den bisher bei uns giltigen
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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/515>, abgerufen am 24.01.2025.
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