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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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nehmsten Erinnerungen wach rufen wird, .welche die Vergangenheit mit der
Gegenwart verknüpfen. Wesentlich erhöht wird der angenehme Eindruck, den
es hervorruft, durch die harmonische, sich gleichbleibende Stimmung und durch
die Feinheit des kritischen Urtheils.

Es ist heutzutage in dem kritischen Gewerbe nur zu oft Gebrauch ge¬
worden, mit jenen Formen zu brechen, welche Sitte und Bildung gebieten,
und die man um so mehr da zu finden erwartete, wo Wissenschaft über
Wissenschaft urtheilt.

Auch die Militärliteratur, welcher eine lange Zeit hindurch diese Unsitte
fern blieb und welche als Muster gelten konnte für die Uebung einer an¬
ständigen würdevollen Kritik, hat sich leider in neuerer Zeit nicht frei von
jenem Uebel gehalten.

Troschke's Buch zeigt uns fast auf allen seinen Seiten in untadelhafter
Weise, wie man Werke zu beurtheilen und zu besprechen hat, um bet aller Wahr¬
heit sich selbst und deren Verfasser zu achten. Seine Schreibart gewährt die
Ueberzeugung, daß er jene Fülle echten Wohlwollens besitzt, welche sich auch
durch die Höflichkeit der Form-kennzeichnet. Des eigenen Wissens sicher, will
er durch dasselbe nicht blenden, sondern nur belehren, er verkennt nicht die
Schatten, aber noch'weniger das Licht, welches ihn wirft. Mit einem Wort:
von Troschke zeigt sich als einen der Männer, die nach einem erfahrungs¬
reicher und arbeitsamen Leben jene philosophische Ruhe gewonnen haben,
welche wesentlich die Gabe verleiht, die Werke der Mitmenschen mit dem
Maße des Gerechten und Guten zu messen und Ehre zu geben, dem Ehre
gebührt. Möge dem erprobten Schriftsteller, dem wackeren Kämpfer für
das Wahre und das Rechte die ihm gebührende Anerkennung nicht fehlen!


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Wagenpflege.

Die Waisenhäuser theilen das Schicksal der Armenhäuser. Während eine
nicht zu ferne Vergangenheit stolz war, sie zu schaffen oder zu besitzen, als
massive Monumente des Wohlthätigkeitssinnes eines Ortes, nimmt jetzt all-
mälig die Ansicht von ihrer Entbehrlichkeit, ja von ihrer Schädlichkeit über¬
Hand. Wenn man sie noch gelten läßt, ist es in der Form von Besserungs¬
häusern für besonders verwahrloste Individuen.

Die geschichtliche Ablösung liegt in der Unterbringung der verwaisten
Kinder gegen Kostgeld bei dafür ausersehenen Familien, unter Controle


nehmsten Erinnerungen wach rufen wird, .welche die Vergangenheit mit der
Gegenwart verknüpfen. Wesentlich erhöht wird der angenehme Eindruck, den
es hervorruft, durch die harmonische, sich gleichbleibende Stimmung und durch
die Feinheit des kritischen Urtheils.

Es ist heutzutage in dem kritischen Gewerbe nur zu oft Gebrauch ge¬
worden, mit jenen Formen zu brechen, welche Sitte und Bildung gebieten,
und die man um so mehr da zu finden erwartete, wo Wissenschaft über
Wissenschaft urtheilt.

Auch die Militärliteratur, welcher eine lange Zeit hindurch diese Unsitte
fern blieb und welche als Muster gelten konnte für die Uebung einer an¬
ständigen würdevollen Kritik, hat sich leider in neuerer Zeit nicht frei von
jenem Uebel gehalten.

Troschke's Buch zeigt uns fast auf allen seinen Seiten in untadelhafter
Weise, wie man Werke zu beurtheilen und zu besprechen hat, um bet aller Wahr¬
heit sich selbst und deren Verfasser zu achten. Seine Schreibart gewährt die
Ueberzeugung, daß er jene Fülle echten Wohlwollens besitzt, welche sich auch
durch die Höflichkeit der Form-kennzeichnet. Des eigenen Wissens sicher, will
er durch dasselbe nicht blenden, sondern nur belehren, er verkennt nicht die
Schatten, aber noch'weniger das Licht, welches ihn wirft. Mit einem Wort:
von Troschke zeigt sich als einen der Männer, die nach einem erfahrungs¬
reicher und arbeitsamen Leben jene philosophische Ruhe gewonnen haben,
welche wesentlich die Gabe verleiht, die Werke der Mitmenschen mit dem
Maße des Gerechten und Guten zu messen und Ehre zu geben, dem Ehre
gebührt. Möge dem erprobten Schriftsteller, dem wackeren Kämpfer für
das Wahre und das Rechte die ihm gebührende Anerkennung nicht fehlen!


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Wagenpflege.

Die Waisenhäuser theilen das Schicksal der Armenhäuser. Während eine
nicht zu ferne Vergangenheit stolz war, sie zu schaffen oder zu besitzen, als
massive Monumente des Wohlthätigkeitssinnes eines Ortes, nimmt jetzt all-
mälig die Ansicht von ihrer Entbehrlichkeit, ja von ihrer Schädlichkeit über¬
Hand. Wenn man sie noch gelten läßt, ist es in der Form von Besserungs¬
häusern für besonders verwahrloste Individuen.

Die geschichtliche Ablösung liegt in der Unterbringung der verwaisten
Kinder gegen Kostgeld bei dafür ausersehenen Familien, unter Controle


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[0498] nehmsten Erinnerungen wach rufen wird, .welche die Vergangenheit mit der Gegenwart verknüpfen. Wesentlich erhöht wird der angenehme Eindruck, den es hervorruft, durch die harmonische, sich gleichbleibende Stimmung und durch die Feinheit des kritischen Urtheils. Es ist heutzutage in dem kritischen Gewerbe nur zu oft Gebrauch ge¬ worden, mit jenen Formen zu brechen, welche Sitte und Bildung gebieten, und die man um so mehr da zu finden erwartete, wo Wissenschaft über Wissenschaft urtheilt. Auch die Militärliteratur, welcher eine lange Zeit hindurch diese Unsitte fern blieb und welche als Muster gelten konnte für die Uebung einer an¬ ständigen würdevollen Kritik, hat sich leider in neuerer Zeit nicht frei von jenem Uebel gehalten. Troschke's Buch zeigt uns fast auf allen seinen Seiten in untadelhafter Weise, wie man Werke zu beurtheilen und zu besprechen hat, um bet aller Wahr¬ heit sich selbst und deren Verfasser zu achten. Seine Schreibart gewährt die Ueberzeugung, daß er jene Fülle echten Wohlwollens besitzt, welche sich auch durch die Höflichkeit der Form-kennzeichnet. Des eigenen Wissens sicher, will er durch dasselbe nicht blenden, sondern nur belehren, er verkennt nicht die Schatten, aber noch'weniger das Licht, welches ihn wirft. Mit einem Wort: von Troschke zeigt sich als einen der Männer, die nach einem erfahrungs¬ reicher und arbeitsamen Leben jene philosophische Ruhe gewonnen haben, welche wesentlich die Gabe verleiht, die Werke der Mitmenschen mit dem Maße des Gerechten und Guten zu messen und Ehre zu geben, dem Ehre gebührt. Möge dem erprobten Schriftsteller, dem wackeren Kämpfer für das Wahre und das Rechte die ihm gebührende Anerkennung nicht fehlen! 5 » Wagenpflege. Die Waisenhäuser theilen das Schicksal der Armenhäuser. Während eine nicht zu ferne Vergangenheit stolz war, sie zu schaffen oder zu besitzen, als massive Monumente des Wohlthätigkeitssinnes eines Ortes, nimmt jetzt all- mälig die Ansicht von ihrer Entbehrlichkeit, ja von ihrer Schädlichkeit über¬ Hand. Wenn man sie noch gelten läßt, ist es in der Form von Besserungs¬ häusern für besonders verwahrloste Individuen. Die geschichtliche Ablösung liegt in der Unterbringung der verwaisten Kinder gegen Kostgeld bei dafür ausersehenen Familien, unter Controle

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/498>, abgerufen am 29.06.2024.