Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Der zweite Abschnitt der dritten Abtheilung bespricht die Literatur des
Krieges vom Jahre 1866 bis auf die Gegenwart. Man kann denken, daß
es hier eine reiche Auslese giebt. Werke aller Farben und von eigenthüm¬
licher Gestaltung treten uns entgegen, wir sind umgeben von guter, dann
und wann auch von etwas gemischter Gesellschaft, aber durch alle diese
Schilderungen hindurch umweht uns mit stolzer Erhebung ein Gedanke,
welchen Troschke, der auch diesem Abschnitt gleich den übrigen eine geistreich
skizzirte Einleitung voraussendet, mit den Worten bezeichnet: "daß das deutsche
Selbstgefühl gehoben und getragen von so großartigen Ereignissen sich nun¬
mehr dem Eindruck entzog, welche das Prestige einer fremden Armee der all¬
gemeinen Meinung auferlegt hatte." --

Es seien zur Beruhigung mancher ängstlichen Particularisten auch hieran
zugleich noch die folgenden Worte des Verfassers geknüpft. Er fährt fort:
"Die Besorgniß, daß ein ähnliches Uebergewicht auf die siegreich aus dem
Kampfe hervorgegangenen Preußen übergehen könne, ist wohl Veranlassung
gewesen, daß manche Schriftsteller mit sichtlicher Herabsetzung von deren
Leistungen reden, wobei wir besonders an Lecomte, an Vandevelde erinnern.
Es ist dabei wohl nicht bedacht, daß ein Prestige, wie das vorerwähnte,
füglich nur solchen Mächten zugesprochen werden kann, die einewesentlich aggressive
Bedeutung haben, nicht aber der. preußischen Armee, welche, mit dem ganzen
Volke auf das Innigste verwachsen, vor Allem auf die Vertheidigung des
heimischen Bodens angewiesen ist. Die Nachahmung der preußischen Bewaff¬
nung, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nach preußischem Muster,
die Förderung der militärischen Wissenschaften durch Zusammenkünfte der
Officiere nach preußischer Weise und so manches Verwandte, was aus fast
allen Ländern berichtet wird, sind jener affectirter Herabsetzung gegenüber
bündige Beweise, daß man die preußischen Leistungen im Allgemeinen nirgends
unterschätzt.

Die oben berührten Fragen sowie Alles, was mit dem Kriege von 1866
in Verbindung steht, vor Allem aber die Lehren, welche man aus dessen Er¬
fahrungen für die Zukunft zu ziehen gedenkt -- sind es, welche seit jener
Zeit die Militärliteratur in Bewegung setzen." .

Die Gesammtzahl der über den bedeutungsvolleMKrieg 1866 erschiene-
nen Werke wurde in der militärischen Gesellschaft vom Oberst Borbstädt
bereits Ende Februar 1867 auf 278 angegeben. Eine Brochüre von Mühl¬
brecht (Prag 1868) bringt sogar eine Uebersicht von 1476 Werken. Schriften
und Karten, die Verfasser mit Einschluß der Journalartikel hierher rechnen
zu können glaubt.

Ein lateinisches Werk über den neuesten Krieg macht so entschiedenen
Anspruch auf den Charakter eines Arianzus. daß die Erwähnung umsoweniger


Grenzboten I. 1870. 62

Der zweite Abschnitt der dritten Abtheilung bespricht die Literatur des
Krieges vom Jahre 1866 bis auf die Gegenwart. Man kann denken, daß
es hier eine reiche Auslese giebt. Werke aller Farben und von eigenthüm¬
licher Gestaltung treten uns entgegen, wir sind umgeben von guter, dann
und wann auch von etwas gemischter Gesellschaft, aber durch alle diese
Schilderungen hindurch umweht uns mit stolzer Erhebung ein Gedanke,
welchen Troschke, der auch diesem Abschnitt gleich den übrigen eine geistreich
skizzirte Einleitung voraussendet, mit den Worten bezeichnet: „daß das deutsche
Selbstgefühl gehoben und getragen von so großartigen Ereignissen sich nun¬
mehr dem Eindruck entzog, welche das Prestige einer fremden Armee der all¬
gemeinen Meinung auferlegt hatte." —

Es seien zur Beruhigung mancher ängstlichen Particularisten auch hieran
zugleich noch die folgenden Worte des Verfassers geknüpft. Er fährt fort:
„Die Besorgniß, daß ein ähnliches Uebergewicht auf die siegreich aus dem
Kampfe hervorgegangenen Preußen übergehen könne, ist wohl Veranlassung
gewesen, daß manche Schriftsteller mit sichtlicher Herabsetzung von deren
Leistungen reden, wobei wir besonders an Lecomte, an Vandevelde erinnern.
Es ist dabei wohl nicht bedacht, daß ein Prestige, wie das vorerwähnte,
füglich nur solchen Mächten zugesprochen werden kann, die einewesentlich aggressive
Bedeutung haben, nicht aber der. preußischen Armee, welche, mit dem ganzen
Volke auf das Innigste verwachsen, vor Allem auf die Vertheidigung des
heimischen Bodens angewiesen ist. Die Nachahmung der preußischen Bewaff¬
nung, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nach preußischem Muster,
die Förderung der militärischen Wissenschaften durch Zusammenkünfte der
Officiere nach preußischer Weise und so manches Verwandte, was aus fast
allen Ländern berichtet wird, sind jener affectirter Herabsetzung gegenüber
bündige Beweise, daß man die preußischen Leistungen im Allgemeinen nirgends
unterschätzt.

Die oben berührten Fragen sowie Alles, was mit dem Kriege von 1866
in Verbindung steht, vor Allem aber die Lehren, welche man aus dessen Er¬
fahrungen für die Zukunft zu ziehen gedenkt — sind es, welche seit jener
Zeit die Militärliteratur in Bewegung setzen." .

Die Gesammtzahl der über den bedeutungsvolleMKrieg 1866 erschiene-
nen Werke wurde in der militärischen Gesellschaft vom Oberst Borbstädt
bereits Ende Februar 1867 auf 278 angegeben. Eine Brochüre von Mühl¬
brecht (Prag 1868) bringt sogar eine Uebersicht von 1476 Werken. Schriften
und Karten, die Verfasser mit Einschluß der Journalartikel hierher rechnen
zu können glaubt.

Ein lateinisches Werk über den neuesten Krieg macht so entschiedenen
Anspruch auf den Charakter eines Arianzus. daß die Erwähnung umsoweniger


Grenzboten I. 1870. 62
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0495" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123583"/>
          <p xml:id="ID_1410"> Der zweite Abschnitt der dritten Abtheilung bespricht die Literatur des<lb/>
Krieges vom Jahre 1866 bis auf die Gegenwart. Man kann denken, daß<lb/>
es hier eine reiche Auslese giebt. Werke aller Farben und von eigenthüm¬<lb/>
licher Gestaltung treten uns entgegen, wir sind umgeben von guter, dann<lb/>
und wann auch von etwas gemischter Gesellschaft, aber durch alle diese<lb/>
Schilderungen hindurch umweht uns mit stolzer Erhebung ein Gedanke,<lb/>
welchen Troschke, der auch diesem Abschnitt gleich den übrigen eine geistreich<lb/>
skizzirte Einleitung voraussendet, mit den Worten bezeichnet: &#x201E;daß das deutsche<lb/>
Selbstgefühl gehoben und getragen von so großartigen Ereignissen sich nun¬<lb/>
mehr dem Eindruck entzog, welche das Prestige einer fremden Armee der all¬<lb/>
gemeinen Meinung auferlegt hatte." &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1411"> Es seien zur Beruhigung mancher ängstlichen Particularisten auch hieran<lb/>
zugleich noch die folgenden Worte des Verfassers geknüpft. Er fährt fort:<lb/>
&#x201E;Die Besorgniß, daß ein ähnliches Uebergewicht auf die siegreich aus dem<lb/>
Kampfe hervorgegangenen Preußen übergehen könne, ist wohl Veranlassung<lb/>
gewesen, daß manche Schriftsteller mit sichtlicher Herabsetzung von deren<lb/>
Leistungen reden, wobei wir besonders an Lecomte, an Vandevelde erinnern.<lb/>
Es ist dabei wohl nicht bedacht, daß ein Prestige, wie das vorerwähnte,<lb/>
füglich nur solchen Mächten zugesprochen werden kann, die einewesentlich aggressive<lb/>
Bedeutung haben, nicht aber der. preußischen Armee, welche, mit dem ganzen<lb/>
Volke auf das Innigste verwachsen, vor Allem auf die Vertheidigung des<lb/>
heimischen Bodens angewiesen ist. Die Nachahmung der preußischen Bewaff¬<lb/>
nung, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nach preußischem Muster,<lb/>
die Förderung der militärischen Wissenschaften durch Zusammenkünfte der<lb/>
Officiere nach preußischer Weise und so manches Verwandte, was aus fast<lb/>
allen Ländern berichtet wird, sind jener affectirter Herabsetzung gegenüber<lb/>
bündige Beweise, daß man die preußischen Leistungen im Allgemeinen nirgends<lb/>
unterschätzt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1412"> Die oben berührten Fragen sowie Alles, was mit dem Kriege von 1866<lb/>
in Verbindung steht, vor Allem aber die Lehren, welche man aus dessen Er¬<lb/>
fahrungen für die Zukunft zu ziehen gedenkt &#x2014; sind es, welche seit jener<lb/>
Zeit die Militärliteratur in Bewegung setzen." .</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1413"> Die Gesammtzahl der über den bedeutungsvolleMKrieg 1866 erschiene-<lb/>
nen Werke wurde in der militärischen Gesellschaft vom Oberst Borbstädt<lb/>
bereits Ende Februar 1867 auf 278 angegeben. Eine Brochüre von Mühl¬<lb/>
brecht (Prag 1868) bringt sogar eine Uebersicht von 1476 Werken. Schriften<lb/>
und Karten, die Verfasser mit Einschluß der Journalartikel hierher rechnen<lb/>
zu können glaubt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1414" next="#ID_1415"> Ein lateinisches Werk über den neuesten Krieg macht so entschiedenen<lb/>
Anspruch auf den Charakter eines Arianzus. daß die Erwähnung umsoweniger</p><lb/>
          <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten I. 1870. 62</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0495] Der zweite Abschnitt der dritten Abtheilung bespricht die Literatur des Krieges vom Jahre 1866 bis auf die Gegenwart. Man kann denken, daß es hier eine reiche Auslese giebt. Werke aller Farben und von eigenthüm¬ licher Gestaltung treten uns entgegen, wir sind umgeben von guter, dann und wann auch von etwas gemischter Gesellschaft, aber durch alle diese Schilderungen hindurch umweht uns mit stolzer Erhebung ein Gedanke, welchen Troschke, der auch diesem Abschnitt gleich den übrigen eine geistreich skizzirte Einleitung voraussendet, mit den Worten bezeichnet: „daß das deutsche Selbstgefühl gehoben und getragen von so großartigen Ereignissen sich nun¬ mehr dem Eindruck entzog, welche das Prestige einer fremden Armee der all¬ gemeinen Meinung auferlegt hatte." — Es seien zur Beruhigung mancher ängstlichen Particularisten auch hieran zugleich noch die folgenden Worte des Verfassers geknüpft. Er fährt fort: „Die Besorgniß, daß ein ähnliches Uebergewicht auf die siegreich aus dem Kampfe hervorgegangenen Preußen übergehen könne, ist wohl Veranlassung gewesen, daß manche Schriftsteller mit sichtlicher Herabsetzung von deren Leistungen reden, wobei wir besonders an Lecomte, an Vandevelde erinnern. Es ist dabei wohl nicht bedacht, daß ein Prestige, wie das vorerwähnte, füglich nur solchen Mächten zugesprochen werden kann, die einewesentlich aggressive Bedeutung haben, nicht aber der. preußischen Armee, welche, mit dem ganzen Volke auf das Innigste verwachsen, vor Allem auf die Vertheidigung des heimischen Bodens angewiesen ist. Die Nachahmung der preußischen Bewaff¬ nung, die Einführung der allgemeinen Wehrpflicht nach preußischem Muster, die Förderung der militärischen Wissenschaften durch Zusammenkünfte der Officiere nach preußischer Weise und so manches Verwandte, was aus fast allen Ländern berichtet wird, sind jener affectirter Herabsetzung gegenüber bündige Beweise, daß man die preußischen Leistungen im Allgemeinen nirgends unterschätzt. Die oben berührten Fragen sowie Alles, was mit dem Kriege von 1866 in Verbindung steht, vor Allem aber die Lehren, welche man aus dessen Er¬ fahrungen für die Zukunft zu ziehen gedenkt — sind es, welche seit jener Zeit die Militärliteratur in Bewegung setzen." . Die Gesammtzahl der über den bedeutungsvolleMKrieg 1866 erschiene- nen Werke wurde in der militärischen Gesellschaft vom Oberst Borbstädt bereits Ende Februar 1867 auf 278 angegeben. Eine Brochüre von Mühl¬ brecht (Prag 1868) bringt sogar eine Uebersicht von 1476 Werken. Schriften und Karten, die Verfasser mit Einschluß der Journalartikel hierher rechnen zu können glaubt. Ein lateinisches Werk über den neuesten Krieg macht so entschiedenen Anspruch auf den Charakter eines Arianzus. daß die Erwähnung umsoweniger Grenzboten I. 1870. 62

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/495
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/495>, abgerufen am 29.06.2024.