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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Forschung bietet, gibt zugleich Auskunft über den persönlichen Antheil des
Verfassers. Nachdem er bei den denkwürdigen Verhandlungen mit General
York thätig gewesen, finden wir ihn als Chef des Generalstabes bei General
Walmoden 1813 und 14. Dieselbe Stelle bekleidete er 181S bei General
Thielemann und hatte wesentlichen Antheil an den hartnäckigen Kämpfen bei
Wawre, durch welche Grouchy am 18. Juni 1816 verhindert wurde, zur
Unterstützung Napoleons in der Richtung auf Belle-Alliance zu marschiren."

"König Friedrich Wilhelm III. scheint es wohl erkannt zu haben, wie
wichtig es für die Wissenschaft werden könne, wenn Clausewitz Muße fände,
sich derselben ganz zu widmen. So erklärt sich die Verwendung desselben
als Militärdirector der 1818 eingerichteten allgemeinen Kriegsschule, bet
welcher es sonst nicht zu verstehen sein würde, daß man dieser Stelle allen
Einfluß auf den Gang des Unterrichts entzogen hatte, welcher einer Studien-
direetion anheimfiel. Die Maßregel wird aber erklärlich, wenn man für
Clausewitz eine Art von otium eum äiKuitate schaffen wollte, dessen Stunden
in so bewunderungswürdiger Weise und so gewissenhaft ausgefüllt worden
sind."

"Diese rastlos betriebenen Arbeiten wurden unterbrochen, als Clausewitz
im Jahre 1829 zur Artillirie commandirt wurde, um späterhin eine der Jn-
spectionen dieser Waffe zu übernehmen. Inzwischen ward er auf ausdrückliches
Verlangen des Feldmarschalls Grafen Gneisenau zu dessen Chef des General¬
stabes bestimmt, als derselbe den Befehl über die vier östlichen Armeecorps
während des polnischen Aufstandes in den Jahren 1830--1831 übernahm.
Bei dieser Gelegenheit können wir uns nicht versagen, nach Pertz folgende
Aeußerung Gneisenau's d. d. Riga den 12. Mai zu citiren, welche den hohen
Werth bekundet, den dieser schon damals Clausewitz beilegen zu müssen glaubte.
"Er ist einer der besten Köpfe und voll tiefer Kenntniß in der Kriegskunst.
Er hat in wenig Blättern eine Anweisung für die Generale geschrieben,
welche Alles übertrifft, was in dieser Art erschienen :e." In Posen hatte
Clausewitz den Schmerz, den verehrten Feldherrn durch die Cholera zu ver¬
lieren, welcher er selber noch in demselben Jahre 1831 zu Breslau erlag.

In der Militär-Ltteratur-Zeitung kündigten sowohl Blesson wie Decker
den 1832 erschienenen ersten Band der Clausewitz'schen Werke, der nebst den
beiden später folgenden den Titel: "Vom Kriege" führt, in bedeutungsvollen
Artikeln an.

"Das oben genannte Werk" sagte der erstere, "wird einen Abschnitt in
der Kriegswissenschaft bezeichnen, oder -- richtiger gesagt -- es gibt ihr ein
Bürgerrecht unter den übrigen Wissenschaften. Wir haben bisher einzelne
Regeln über die Kriegskunst zusammengestellt, die sich allmälig vom Hand¬
werk zur Kunst erhoben hatte; noch aber war der erhabene Standpunkt nicht


Forschung bietet, gibt zugleich Auskunft über den persönlichen Antheil des
Verfassers. Nachdem er bei den denkwürdigen Verhandlungen mit General
York thätig gewesen, finden wir ihn als Chef des Generalstabes bei General
Walmoden 1813 und 14. Dieselbe Stelle bekleidete er 181S bei General
Thielemann und hatte wesentlichen Antheil an den hartnäckigen Kämpfen bei
Wawre, durch welche Grouchy am 18. Juni 1816 verhindert wurde, zur
Unterstützung Napoleons in der Richtung auf Belle-Alliance zu marschiren."

„König Friedrich Wilhelm III. scheint es wohl erkannt zu haben, wie
wichtig es für die Wissenschaft werden könne, wenn Clausewitz Muße fände,
sich derselben ganz zu widmen. So erklärt sich die Verwendung desselben
als Militärdirector der 1818 eingerichteten allgemeinen Kriegsschule, bet
welcher es sonst nicht zu verstehen sein würde, daß man dieser Stelle allen
Einfluß auf den Gang des Unterrichts entzogen hatte, welcher einer Studien-
direetion anheimfiel. Die Maßregel wird aber erklärlich, wenn man für
Clausewitz eine Art von otium eum äiKuitate schaffen wollte, dessen Stunden
in so bewunderungswürdiger Weise und so gewissenhaft ausgefüllt worden
sind."

„Diese rastlos betriebenen Arbeiten wurden unterbrochen, als Clausewitz
im Jahre 1829 zur Artillirie commandirt wurde, um späterhin eine der Jn-
spectionen dieser Waffe zu übernehmen. Inzwischen ward er auf ausdrückliches
Verlangen des Feldmarschalls Grafen Gneisenau zu dessen Chef des General¬
stabes bestimmt, als derselbe den Befehl über die vier östlichen Armeecorps
während des polnischen Aufstandes in den Jahren 1830—1831 übernahm.
Bei dieser Gelegenheit können wir uns nicht versagen, nach Pertz folgende
Aeußerung Gneisenau's d. d. Riga den 12. Mai zu citiren, welche den hohen
Werth bekundet, den dieser schon damals Clausewitz beilegen zu müssen glaubte.
„Er ist einer der besten Köpfe und voll tiefer Kenntniß in der Kriegskunst.
Er hat in wenig Blättern eine Anweisung für die Generale geschrieben,
welche Alles übertrifft, was in dieser Art erschienen :e." In Posen hatte
Clausewitz den Schmerz, den verehrten Feldherrn durch die Cholera zu ver¬
lieren, welcher er selber noch in demselben Jahre 1831 zu Breslau erlag.

In der Militär-Ltteratur-Zeitung kündigten sowohl Blesson wie Decker
den 1832 erschienenen ersten Band der Clausewitz'schen Werke, der nebst den
beiden später folgenden den Titel: „Vom Kriege" führt, in bedeutungsvollen
Artikeln an.

„Das oben genannte Werk" sagte der erstere, „wird einen Abschnitt in
der Kriegswissenschaft bezeichnen, oder — richtiger gesagt — es gibt ihr ein
Bürgerrecht unter den übrigen Wissenschaften. Wir haben bisher einzelne
Regeln über die Kriegskunst zusammengestellt, die sich allmälig vom Hand¬
werk zur Kunst erhoben hatte; noch aber war der erhabene Standpunkt nicht


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[0492] Forschung bietet, gibt zugleich Auskunft über den persönlichen Antheil des Verfassers. Nachdem er bei den denkwürdigen Verhandlungen mit General York thätig gewesen, finden wir ihn als Chef des Generalstabes bei General Walmoden 1813 und 14. Dieselbe Stelle bekleidete er 181S bei General Thielemann und hatte wesentlichen Antheil an den hartnäckigen Kämpfen bei Wawre, durch welche Grouchy am 18. Juni 1816 verhindert wurde, zur Unterstützung Napoleons in der Richtung auf Belle-Alliance zu marschiren." „König Friedrich Wilhelm III. scheint es wohl erkannt zu haben, wie wichtig es für die Wissenschaft werden könne, wenn Clausewitz Muße fände, sich derselben ganz zu widmen. So erklärt sich die Verwendung desselben als Militärdirector der 1818 eingerichteten allgemeinen Kriegsschule, bet welcher es sonst nicht zu verstehen sein würde, daß man dieser Stelle allen Einfluß auf den Gang des Unterrichts entzogen hatte, welcher einer Studien- direetion anheimfiel. Die Maßregel wird aber erklärlich, wenn man für Clausewitz eine Art von otium eum äiKuitate schaffen wollte, dessen Stunden in so bewunderungswürdiger Weise und so gewissenhaft ausgefüllt worden sind." „Diese rastlos betriebenen Arbeiten wurden unterbrochen, als Clausewitz im Jahre 1829 zur Artillirie commandirt wurde, um späterhin eine der Jn- spectionen dieser Waffe zu übernehmen. Inzwischen ward er auf ausdrückliches Verlangen des Feldmarschalls Grafen Gneisenau zu dessen Chef des General¬ stabes bestimmt, als derselbe den Befehl über die vier östlichen Armeecorps während des polnischen Aufstandes in den Jahren 1830—1831 übernahm. Bei dieser Gelegenheit können wir uns nicht versagen, nach Pertz folgende Aeußerung Gneisenau's d. d. Riga den 12. Mai zu citiren, welche den hohen Werth bekundet, den dieser schon damals Clausewitz beilegen zu müssen glaubte. „Er ist einer der besten Köpfe und voll tiefer Kenntniß in der Kriegskunst. Er hat in wenig Blättern eine Anweisung für die Generale geschrieben, welche Alles übertrifft, was in dieser Art erschienen :e." In Posen hatte Clausewitz den Schmerz, den verehrten Feldherrn durch die Cholera zu ver¬ lieren, welcher er selber noch in demselben Jahre 1831 zu Breslau erlag. In der Militär-Ltteratur-Zeitung kündigten sowohl Blesson wie Decker den 1832 erschienenen ersten Band der Clausewitz'schen Werke, der nebst den beiden später folgenden den Titel: „Vom Kriege" führt, in bedeutungsvollen Artikeln an. „Das oben genannte Werk" sagte der erstere, „wird einen Abschnitt in der Kriegswissenschaft bezeichnen, oder — richtiger gesagt — es gibt ihr ein Bürgerrecht unter den übrigen Wissenschaften. Wir haben bisher einzelne Regeln über die Kriegskunst zusammengestellt, die sich allmälig vom Hand¬ werk zur Kunst erhoben hatte; noch aber war der erhabene Standpunkt nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/492>, abgerufen am 29.06.2024.