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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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sah einem Stall, dessen einzelne Abtheilungen in Logen verwandelt waren,
täuschend ähnlich. Ueberraschend war im Uebrigen nur noch die Abscheulich¬
keit des Orchesters, das tief unter den Militär-Musikbanden stand, die in
östreichischen Provinzialstädten sonst musikalisch aufzuhelfen pflegen und ge¬
wöhnlich ganz erträglich sind. Etwas über das Stück -- eine im Wiener
Vorstadt-Ton gehaltene Nachbildung des "Postillon von Lonjumeau" mit den
üblichen trefflichen Dorf, und schändlichen Stadtbewohnern -- und dessen
Darstellung zu sagen, ist nicht möglich; männliche und weibliche Darsteller
thaten ihr Möglichstes, einander in Geschmacklosigkeit und Plattheit zu über¬
bieten. Der Beifall war von Anfang bis zu Ende ein rauschender und
wurde nicht nur von deutschen, sondern auch von rumänischen und russischen
Zuschauern reichlich gespendet. Wunderbar genug mögen die Vorstellungen
sein, welche die Bewohner dieses Landes sich von der Macht und Herrlichkeit
deutschen Cultur- und Kunstlebens nach diesen Proben gebildet haben!

Ein sehr viel ausgiebigeres Zeugniß für die Entwickelung deutsch-östrei¬
chischen "Nationallebens" in der Bukowina als diese Theatervorstellung bie¬
tet der oben erwähnte deutsche "Bukowinaer Volkskalender für das Jahr 1870".
An dem Schaufenster einer Buchhandlung mit italienisch oder rumänisch lau¬
tender Firma war eine Reihe grüngehefteter Bücher ausgestellt, welche die
Aufmerksamkeit der Vorübergehenden in besonderen Anspruch zu nehmen schien.
Auf dem Umschlag des Buchs stand zu lesen: "I. Jahrgang des Bukowinaer
Volkskalenders für das Jahr 1870, enthaltend ein interessantes, 8 Bogen um¬
fassendes belletristisches Jahrbuch "Buchenblätter" mit Beiträgen von etwa
24 der besten Dichter und Schriftsteller der Bukowina. Czernowitz 1869. Druck
und Verlag bei Joseph Buchowiecki <K Co., Preis 40 Neukreuzer. "Etwa
vierundzwanzig deutsche Dichter und Schriftsteller in diesem Lande! Und
diese umfassen noch nicht die ganze Schaar, die sich dem Cultus des Schönen
gewidmet hat, sondern nur deren Elite! -- Ich trat näher heran: eines der am
Schaufenster aufgestellten Exemplare dieses interessanten Buches war in seiner
Mitte aufgeschlagen und zeigte denSpecialtitel des "interessanten" belletristischen
Jahrbuchs "der vierundzwanzig besten Dichterund Schriftsteller." Dieser Titel
-- den ich, weil er die Namen sämmtlicher Dichter enthält, ausführlich mittheile
-- lautete wie folgt: "Buchenblätter. Jahrbuch für deutsche Literaturbe"
Strebungen^ in der Bukowina. Unter Mitwirkung bon Moritz Auster,
L. H. Baltinester, Bernhard Ehrlich. I. v. Fedkowicz. Karl Emil
Franzos. Maximilian Franzos. Ernst Freilib. Hanns Jaksch. Is. Em. Katz.
Johann Kaufmann, Joseph Kunz, Janko und Theodor v. Lupul, Max Münzer,
Gustav Adolph Nadler. E. Rudolf Neubauer, Georg Obrist, Is. Friedr.
Sauerquell, Wilhelm Schmidt, Ludwig Adolf Staufe-Simginowiez,
Victor Umlaufs, Rudolf Waldbauer und Jsidor Worobktewiez -- herausgegeben


sah einem Stall, dessen einzelne Abtheilungen in Logen verwandelt waren,
täuschend ähnlich. Ueberraschend war im Uebrigen nur noch die Abscheulich¬
keit des Orchesters, das tief unter den Militär-Musikbanden stand, die in
östreichischen Provinzialstädten sonst musikalisch aufzuhelfen pflegen und ge¬
wöhnlich ganz erträglich sind. Etwas über das Stück — eine im Wiener
Vorstadt-Ton gehaltene Nachbildung des „Postillon von Lonjumeau" mit den
üblichen trefflichen Dorf, und schändlichen Stadtbewohnern — und dessen
Darstellung zu sagen, ist nicht möglich; männliche und weibliche Darsteller
thaten ihr Möglichstes, einander in Geschmacklosigkeit und Plattheit zu über¬
bieten. Der Beifall war von Anfang bis zu Ende ein rauschender und
wurde nicht nur von deutschen, sondern auch von rumänischen und russischen
Zuschauern reichlich gespendet. Wunderbar genug mögen die Vorstellungen
sein, welche die Bewohner dieses Landes sich von der Macht und Herrlichkeit
deutschen Cultur- und Kunstlebens nach diesen Proben gebildet haben!

Ein sehr viel ausgiebigeres Zeugniß für die Entwickelung deutsch-östrei¬
chischen „Nationallebens" in der Bukowina als diese Theatervorstellung bie¬
tet der oben erwähnte deutsche „Bukowinaer Volkskalender für das Jahr 1870".
An dem Schaufenster einer Buchhandlung mit italienisch oder rumänisch lau¬
tender Firma war eine Reihe grüngehefteter Bücher ausgestellt, welche die
Aufmerksamkeit der Vorübergehenden in besonderen Anspruch zu nehmen schien.
Auf dem Umschlag des Buchs stand zu lesen: „I. Jahrgang des Bukowinaer
Volkskalenders für das Jahr 1870, enthaltend ein interessantes, 8 Bogen um¬
fassendes belletristisches Jahrbuch „Buchenblätter" mit Beiträgen von etwa
24 der besten Dichter und Schriftsteller der Bukowina. Czernowitz 1869. Druck
und Verlag bei Joseph Buchowiecki <K Co., Preis 40 Neukreuzer. „Etwa
vierundzwanzig deutsche Dichter und Schriftsteller in diesem Lande! Und
diese umfassen noch nicht die ganze Schaar, die sich dem Cultus des Schönen
gewidmet hat, sondern nur deren Elite! — Ich trat näher heran: eines der am
Schaufenster aufgestellten Exemplare dieses interessanten Buches war in seiner
Mitte aufgeschlagen und zeigte denSpecialtitel des „interessanten" belletristischen
Jahrbuchs „der vierundzwanzig besten Dichterund Schriftsteller." Dieser Titel
— den ich, weil er die Namen sämmtlicher Dichter enthält, ausführlich mittheile
— lautete wie folgt: „Buchenblätter. Jahrbuch für deutsche Literaturbe»
Strebungen^ in der Bukowina. Unter Mitwirkung bon Moritz Auster,
L. H. Baltinester, Bernhard Ehrlich. I. v. Fedkowicz. Karl Emil
Franzos. Maximilian Franzos. Ernst Freilib. Hanns Jaksch. Is. Em. Katz.
Johann Kaufmann, Joseph Kunz, Janko und Theodor v. Lupul, Max Münzer,
Gustav Adolph Nadler. E. Rudolf Neubauer, Georg Obrist, Is. Friedr.
Sauerquell, Wilhelm Schmidt, Ludwig Adolf Staufe-Simginowiez,
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[0484] sah einem Stall, dessen einzelne Abtheilungen in Logen verwandelt waren, täuschend ähnlich. Ueberraschend war im Uebrigen nur noch die Abscheulich¬ keit des Orchesters, das tief unter den Militär-Musikbanden stand, die in östreichischen Provinzialstädten sonst musikalisch aufzuhelfen pflegen und ge¬ wöhnlich ganz erträglich sind. Etwas über das Stück — eine im Wiener Vorstadt-Ton gehaltene Nachbildung des „Postillon von Lonjumeau" mit den üblichen trefflichen Dorf, und schändlichen Stadtbewohnern — und dessen Darstellung zu sagen, ist nicht möglich; männliche und weibliche Darsteller thaten ihr Möglichstes, einander in Geschmacklosigkeit und Plattheit zu über¬ bieten. Der Beifall war von Anfang bis zu Ende ein rauschender und wurde nicht nur von deutschen, sondern auch von rumänischen und russischen Zuschauern reichlich gespendet. Wunderbar genug mögen die Vorstellungen sein, welche die Bewohner dieses Landes sich von der Macht und Herrlichkeit deutschen Cultur- und Kunstlebens nach diesen Proben gebildet haben! Ein sehr viel ausgiebigeres Zeugniß für die Entwickelung deutsch-östrei¬ chischen „Nationallebens" in der Bukowina als diese Theatervorstellung bie¬ tet der oben erwähnte deutsche „Bukowinaer Volkskalender für das Jahr 1870". An dem Schaufenster einer Buchhandlung mit italienisch oder rumänisch lau¬ tender Firma war eine Reihe grüngehefteter Bücher ausgestellt, welche die Aufmerksamkeit der Vorübergehenden in besonderen Anspruch zu nehmen schien. Auf dem Umschlag des Buchs stand zu lesen: „I. Jahrgang des Bukowinaer Volkskalenders für das Jahr 1870, enthaltend ein interessantes, 8 Bogen um¬ fassendes belletristisches Jahrbuch „Buchenblätter" mit Beiträgen von etwa 24 der besten Dichter und Schriftsteller der Bukowina. Czernowitz 1869. Druck und Verlag bei Joseph Buchowiecki <K Co., Preis 40 Neukreuzer. „Etwa vierundzwanzig deutsche Dichter und Schriftsteller in diesem Lande! Und diese umfassen noch nicht die ganze Schaar, die sich dem Cultus des Schönen gewidmet hat, sondern nur deren Elite! — Ich trat näher heran: eines der am Schaufenster aufgestellten Exemplare dieses interessanten Buches war in seiner Mitte aufgeschlagen und zeigte denSpecialtitel des „interessanten" belletristischen Jahrbuchs „der vierundzwanzig besten Dichterund Schriftsteller." Dieser Titel — den ich, weil er die Namen sämmtlicher Dichter enthält, ausführlich mittheile — lautete wie folgt: „Buchenblätter. Jahrbuch für deutsche Literaturbe» Strebungen^ in der Bukowina. Unter Mitwirkung bon Moritz Auster, L. H. Baltinester, Bernhard Ehrlich. I. v. Fedkowicz. Karl Emil Franzos. Maximilian Franzos. Ernst Freilib. Hanns Jaksch. Is. Em. Katz. Johann Kaufmann, Joseph Kunz, Janko und Theodor v. Lupul, Max Münzer, Gustav Adolph Nadler. E. Rudolf Neubauer, Georg Obrist, Is. Friedr. Sauerquell, Wilhelm Schmidt, Ludwig Adolf Staufe-Simginowiez, Victor Umlaufs, Rudolf Waldbauer und Jsidor Worobktewiez — herausgegeben

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/484>, abgerufen am 29.06.2024.