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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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habe, wollen wir den geographischen Handbüchern glauben, die von denselben
zu berichten wissen -- was unter denselben zu verstehen ist, vermag ich nicht
anzugeben; die schmalen Reihen kleiner, zum großen Theil hölzerner Häuser
setzen sich nach allen Richtungen ununterbrochen sort. stattlichere Gebäude
sind in allen Gegenden der Ortschaft gleich selten anzutreffen. Von der an
die neu erbaute Residenz des griechischen Bischofs stoßenden, eigentlich schon
außerhalb der Stadt liegenden rumänischen Kirche abgesehen, verdient keines
der zahlreichen Gotteshäuser von Czernowitz auch nur der Erwähnung; sie
sehen sammt und sonders wie Landkirchen aus, sind ohne alle Ansprüche auf
Schönheit, in den bescheidensten Verhältnissen aufgeführt und stimmen zu
dem Charakter des gesammten Orts, der den Eindruck der Armuth und Be¬
schränktheit macht. Sein einziger Vorzug besteht in der allerdings reizenden Lage,
die einen Sommeraufenthalt in dieser entlegenen Erdgegend erträglich machen
mag. Rings um die Höhe, auf welcher Czernowitz liegt, erheben sich wellenför¬
mige, wettgestreckte Hügel, aus deren Waldungen und Rasenteppichen zahlreiche
Dörfer und Höfe hervorsehen oder -- da sie meist aus Stein aufgeführt und weiß
getüncht sind, -- hervorglänzen. Soweit das Auge reicht, dieselbe anmuthige,
bewegte Hügellandschaft, am Horizont durch stattlichere Höhenzüge abgegrenzt.
Während die Stadt allenthalben einen kleinlichen, langweiligen und schmutzi¬
gen Eindruck macht, ist jede Fahrt um ihre äußeren Grenzen lohnend und das
Auge sieht mit immer gleichem Wohlgefallen in das liebliche, fruchtbare Thal
und die Hügelketten, welche die Hauptstadt des "Buchenlandes" umschließen.

Interessanter, wenn auch nicht anziehender als die Stadt ist die Ein¬
wohner- und Nachbarschaft, welche ihre schmutzigen Straßen und noch schmutzi¬
gerem Plätze belebt und durch ihre Vielgestaltigkeit die ethnographische Bunt¬
scheckigkeit des gesammten Landes symbolisirt. Während die ländliche Be¬
völkerung der Bukowina aus Rumänen und Ruthenen besteht, drängen sich
in Czernowitz wie in allen übrigen Städten außerdem noch Deutsche, Polen
Juden, Armenier und Magyaren bunt durcheinander. Wie in Galizien so
ist auch in der Bukowina das ruthenische Element auf einen Theil der Land¬
bevölkerung, die griechisch-unirte Geistlichkeit und eine kleine, übrigens im Zu¬
nehmen begriffene Anzahl von Beamten, Lehrern und Literaten beschränkt.
Der Kopfzahl nach sind die Rumänen, welche den Süden des "Herzogthums"
ausschließlich bewohnen, schwächer vertreten als die Ruthenen; nichtsdesto¬
weniger erheben sie den Anspruch, für die wahren Herren des Landes zu
gelten. Zu ihnen gehört fast der gesammte eingeborene Bojarenadel und
während die Ruthenen erst im 17ten Jahrhundert ins Land kamen, sitzen die
Daco-Romanen seit unvordenklicher Zeit aus dieser Erde*). Der eigenthüm-



-) Die Rumänen gehören sämmtlich der griechisch-orthodoxen, die Ruthenen meist der griechisch-
unirtcn Kirche an. Des Ritter von Schmcdes "Geograph, statistische Uebersicht Galiziens und

habe, wollen wir den geographischen Handbüchern glauben, die von denselben
zu berichten wissen — was unter denselben zu verstehen ist, vermag ich nicht
anzugeben; die schmalen Reihen kleiner, zum großen Theil hölzerner Häuser
setzen sich nach allen Richtungen ununterbrochen sort. stattlichere Gebäude
sind in allen Gegenden der Ortschaft gleich selten anzutreffen. Von der an
die neu erbaute Residenz des griechischen Bischofs stoßenden, eigentlich schon
außerhalb der Stadt liegenden rumänischen Kirche abgesehen, verdient keines
der zahlreichen Gotteshäuser von Czernowitz auch nur der Erwähnung; sie
sehen sammt und sonders wie Landkirchen aus, sind ohne alle Ansprüche auf
Schönheit, in den bescheidensten Verhältnissen aufgeführt und stimmen zu
dem Charakter des gesammten Orts, der den Eindruck der Armuth und Be¬
schränktheit macht. Sein einziger Vorzug besteht in der allerdings reizenden Lage,
die einen Sommeraufenthalt in dieser entlegenen Erdgegend erträglich machen
mag. Rings um die Höhe, auf welcher Czernowitz liegt, erheben sich wellenför¬
mige, wettgestreckte Hügel, aus deren Waldungen und Rasenteppichen zahlreiche
Dörfer und Höfe hervorsehen oder — da sie meist aus Stein aufgeführt und weiß
getüncht sind, — hervorglänzen. Soweit das Auge reicht, dieselbe anmuthige,
bewegte Hügellandschaft, am Horizont durch stattlichere Höhenzüge abgegrenzt.
Während die Stadt allenthalben einen kleinlichen, langweiligen und schmutzi¬
gen Eindruck macht, ist jede Fahrt um ihre äußeren Grenzen lohnend und das
Auge sieht mit immer gleichem Wohlgefallen in das liebliche, fruchtbare Thal
und die Hügelketten, welche die Hauptstadt des „Buchenlandes" umschließen.

Interessanter, wenn auch nicht anziehender als die Stadt ist die Ein¬
wohner- und Nachbarschaft, welche ihre schmutzigen Straßen und noch schmutzi¬
gerem Plätze belebt und durch ihre Vielgestaltigkeit die ethnographische Bunt¬
scheckigkeit des gesammten Landes symbolisirt. Während die ländliche Be¬
völkerung der Bukowina aus Rumänen und Ruthenen besteht, drängen sich
in Czernowitz wie in allen übrigen Städten außerdem noch Deutsche, Polen
Juden, Armenier und Magyaren bunt durcheinander. Wie in Galizien so
ist auch in der Bukowina das ruthenische Element auf einen Theil der Land¬
bevölkerung, die griechisch-unirte Geistlichkeit und eine kleine, übrigens im Zu¬
nehmen begriffene Anzahl von Beamten, Lehrern und Literaten beschränkt.
Der Kopfzahl nach sind die Rumänen, welche den Süden des „Herzogthums"
ausschließlich bewohnen, schwächer vertreten als die Ruthenen; nichtsdesto¬
weniger erheben sie den Anspruch, für die wahren Herren des Landes zu
gelten. Zu ihnen gehört fast der gesammte eingeborene Bojarenadel und
während die Ruthenen erst im 17ten Jahrhundert ins Land kamen, sitzen die
Daco-Romanen seit unvordenklicher Zeit aus dieser Erde*). Der eigenthüm-



-) Die Rumänen gehören sämmtlich der griechisch-orthodoxen, die Ruthenen meist der griechisch-
unirtcn Kirche an. Des Ritter von Schmcdes „Geograph, statistische Uebersicht Galiziens und
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[0476] habe, wollen wir den geographischen Handbüchern glauben, die von denselben zu berichten wissen — was unter denselben zu verstehen ist, vermag ich nicht anzugeben; die schmalen Reihen kleiner, zum großen Theil hölzerner Häuser setzen sich nach allen Richtungen ununterbrochen sort. stattlichere Gebäude sind in allen Gegenden der Ortschaft gleich selten anzutreffen. Von der an die neu erbaute Residenz des griechischen Bischofs stoßenden, eigentlich schon außerhalb der Stadt liegenden rumänischen Kirche abgesehen, verdient keines der zahlreichen Gotteshäuser von Czernowitz auch nur der Erwähnung; sie sehen sammt und sonders wie Landkirchen aus, sind ohne alle Ansprüche auf Schönheit, in den bescheidensten Verhältnissen aufgeführt und stimmen zu dem Charakter des gesammten Orts, der den Eindruck der Armuth und Be¬ schränktheit macht. Sein einziger Vorzug besteht in der allerdings reizenden Lage, die einen Sommeraufenthalt in dieser entlegenen Erdgegend erträglich machen mag. Rings um die Höhe, auf welcher Czernowitz liegt, erheben sich wellenför¬ mige, wettgestreckte Hügel, aus deren Waldungen und Rasenteppichen zahlreiche Dörfer und Höfe hervorsehen oder — da sie meist aus Stein aufgeführt und weiß getüncht sind, — hervorglänzen. Soweit das Auge reicht, dieselbe anmuthige, bewegte Hügellandschaft, am Horizont durch stattlichere Höhenzüge abgegrenzt. Während die Stadt allenthalben einen kleinlichen, langweiligen und schmutzi¬ gen Eindruck macht, ist jede Fahrt um ihre äußeren Grenzen lohnend und das Auge sieht mit immer gleichem Wohlgefallen in das liebliche, fruchtbare Thal und die Hügelketten, welche die Hauptstadt des „Buchenlandes" umschließen. Interessanter, wenn auch nicht anziehender als die Stadt ist die Ein¬ wohner- und Nachbarschaft, welche ihre schmutzigen Straßen und noch schmutzi¬ gerem Plätze belebt und durch ihre Vielgestaltigkeit die ethnographische Bunt¬ scheckigkeit des gesammten Landes symbolisirt. Während die ländliche Be¬ völkerung der Bukowina aus Rumänen und Ruthenen besteht, drängen sich in Czernowitz wie in allen übrigen Städten außerdem noch Deutsche, Polen Juden, Armenier und Magyaren bunt durcheinander. Wie in Galizien so ist auch in der Bukowina das ruthenische Element auf einen Theil der Land¬ bevölkerung, die griechisch-unirte Geistlichkeit und eine kleine, übrigens im Zu¬ nehmen begriffene Anzahl von Beamten, Lehrern und Literaten beschränkt. Der Kopfzahl nach sind die Rumänen, welche den Süden des „Herzogthums" ausschließlich bewohnen, schwächer vertreten als die Ruthenen; nichtsdesto¬ weniger erheben sie den Anspruch, für die wahren Herren des Landes zu gelten. Zu ihnen gehört fast der gesammte eingeborene Bojarenadel und während die Ruthenen erst im 17ten Jahrhundert ins Land kamen, sitzen die Daco-Romanen seit unvordenklicher Zeit aus dieser Erde*). Der eigenthüm- -) Die Rumänen gehören sämmtlich der griechisch-orthodoxen, die Ruthenen meist der griechisch- unirtcn Kirche an. Des Ritter von Schmcdes „Geograph, statistische Uebersicht Galiziens und

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/476>, abgerufen am 29.06.2024.