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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Lieferungen, die bis heute vorliegen, begegnen uns bekannte treffliche Namen
aus den verschiedensten Ländern. -- Vielleicht hat die Wechselbeziehung
von Fachgelehrten, wie sie hierdurch im Gebiet der Kunstforschung ins Leben
gerufen wird, neben andern förderlichen Wirkungen auch den Erfolg, mancher
Unsitte in der Verwaltung öffentlicher Kunstsammlungen zu steuern. Wir
meinen besonders die oft ans Zuchtlose grenzende, für den Forscher unerträgliche
Willkühr, mit welcher z. B. die Kataloge der bedeutendsten italienischen Museen
behandelt werden. Es wäre eine würdige Aufgabe wissenschaftlicher Notabeln,
hier auf Planmäßigkeit und auf Erfüllung der unerläßlichsten allgemein erfor¬
derten Requisiten (Stabilität der Numerirung, Angabe der Maße und der Pro¬
venienz ze.) zu dringen. Ein anderes Desiderat würde sich gegen die antiquirt
vornehme Sitte italienischer Forscher richten, wissenschaftlich wichtige Publica¬
tionen zur Kunstgeschichte womöglich als Manuscripte d. h. als Gelegenheits¬
schriften oder in Auflagen drucken zulassen, die so klein sind, daß sie sich schon
dadurch dem Büchermarkt entziehen. Wo bleibt serner der längst versprochene
Index zum Vasari? -- und daß wir den Balken im eignen Auge nicht ver¬
gessen: wann werden genügende Kataloge vieler unserer großen Gallerien
geliefert, und wann ein Inhaltsverzeichnis^ z. B. zum Cotta'schen Kunst¬
blatt veranstaltet? --

Die Bewältigung einer so ungeheuren Aufgabe wie die Redaction
dieses Künstler-Lexikons wäre ohne die Vereinigung von Männern, die ein¬
ander fortwährend nach ganz bestimmtem Plane in die Hände arbeiten, eine
Unmöglichkeit. Dieses Verhältniß aber besteht insbesondere zwischen den
beiden Unternehmern, dem Forscher und dem Sammler, deren Erfahrungen
einander aufs günstigste ergänzen, in musterhafter Weise. Hier bedürfte es
eines Verlegers mit voller sachlicher Einsicht, wie Dr. W. Engelmann ist,
und so können wir der Zukunft des Werkes vertrauend entgegensehn, welches
geschäftlich betrachtet, noch eine exemplarische Bedeutung hat. Denn es
gehört zu den seltenen Unternehmungen solchen Umfangs, die auf ganz selbst¬
ständiger Basis stehend in der Ueberzeugung gegründet sind, daß unser Pu-
blicum der streng wissenschaftlichen Absicht die erforderliche Theilnahme be-
thätigen wird. Eine nachahmungswerthe äußere Eigenschaft ist der lateinische
Druck. Erfüllt schon die typographische Anordnung des Satzes ihre compli-
cirte Aufgabe in höchst übersichtlicher Weise, so sind die internationalen
Lettern geeignet, dem Werke auch im Auslande Leser zu sichern.

Die grünen Blätter aber haben an diesem Werk noch ein Gemüths¬
interesse, welches nicht ohne Resignation ist. Mit Stolz begrüßen sie an
führender Stelle einen ihrer ältesten und getreuesten Mitarbeiter, dessen um¬
fassenden Kenntnissen sie manche schöne Belehrung, dessen freien und tiefen
Urtheilen über moderne Kunst sie den überzeugenden Eindruck gesinnungs-


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Lieferungen, die bis heute vorliegen, begegnen uns bekannte treffliche Namen
aus den verschiedensten Ländern. — Vielleicht hat die Wechselbeziehung
von Fachgelehrten, wie sie hierdurch im Gebiet der Kunstforschung ins Leben
gerufen wird, neben andern förderlichen Wirkungen auch den Erfolg, mancher
Unsitte in der Verwaltung öffentlicher Kunstsammlungen zu steuern. Wir
meinen besonders die oft ans Zuchtlose grenzende, für den Forscher unerträgliche
Willkühr, mit welcher z. B. die Kataloge der bedeutendsten italienischen Museen
behandelt werden. Es wäre eine würdige Aufgabe wissenschaftlicher Notabeln,
hier auf Planmäßigkeit und auf Erfüllung der unerläßlichsten allgemein erfor¬
derten Requisiten (Stabilität der Numerirung, Angabe der Maße und der Pro¬
venienz ze.) zu dringen. Ein anderes Desiderat würde sich gegen die antiquirt
vornehme Sitte italienischer Forscher richten, wissenschaftlich wichtige Publica¬
tionen zur Kunstgeschichte womöglich als Manuscripte d. h. als Gelegenheits¬
schriften oder in Auflagen drucken zulassen, die so klein sind, daß sie sich schon
dadurch dem Büchermarkt entziehen. Wo bleibt serner der längst versprochene
Index zum Vasari? — und daß wir den Balken im eignen Auge nicht ver¬
gessen: wann werden genügende Kataloge vieler unserer großen Gallerien
geliefert, und wann ein Inhaltsverzeichnis^ z. B. zum Cotta'schen Kunst¬
blatt veranstaltet? —

Die Bewältigung einer so ungeheuren Aufgabe wie die Redaction
dieses Künstler-Lexikons wäre ohne die Vereinigung von Männern, die ein¬
ander fortwährend nach ganz bestimmtem Plane in die Hände arbeiten, eine
Unmöglichkeit. Dieses Verhältniß aber besteht insbesondere zwischen den
beiden Unternehmern, dem Forscher und dem Sammler, deren Erfahrungen
einander aufs günstigste ergänzen, in musterhafter Weise. Hier bedürfte es
eines Verlegers mit voller sachlicher Einsicht, wie Dr. W. Engelmann ist,
und so können wir der Zukunft des Werkes vertrauend entgegensehn, welches
geschäftlich betrachtet, noch eine exemplarische Bedeutung hat. Denn es
gehört zu den seltenen Unternehmungen solchen Umfangs, die auf ganz selbst¬
ständiger Basis stehend in der Ueberzeugung gegründet sind, daß unser Pu-
blicum der streng wissenschaftlichen Absicht die erforderliche Theilnahme be-
thätigen wird. Eine nachahmungswerthe äußere Eigenschaft ist der lateinische
Druck. Erfüllt schon die typographische Anordnung des Satzes ihre compli-
cirte Aufgabe in höchst übersichtlicher Weise, so sind die internationalen
Lettern geeignet, dem Werke auch im Auslande Leser zu sichern.

Die grünen Blätter aber haben an diesem Werk noch ein Gemüths¬
interesse, welches nicht ohne Resignation ist. Mit Stolz begrüßen sie an
führender Stelle einen ihrer ältesten und getreuesten Mitarbeiter, dessen um¬
fassenden Kenntnissen sie manche schöne Belehrung, dessen freien und tiefen
Urtheilen über moderne Kunst sie den überzeugenden Eindruck gesinnungs-


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[0473] Lieferungen, die bis heute vorliegen, begegnen uns bekannte treffliche Namen aus den verschiedensten Ländern. — Vielleicht hat die Wechselbeziehung von Fachgelehrten, wie sie hierdurch im Gebiet der Kunstforschung ins Leben gerufen wird, neben andern förderlichen Wirkungen auch den Erfolg, mancher Unsitte in der Verwaltung öffentlicher Kunstsammlungen zu steuern. Wir meinen besonders die oft ans Zuchtlose grenzende, für den Forscher unerträgliche Willkühr, mit welcher z. B. die Kataloge der bedeutendsten italienischen Museen behandelt werden. Es wäre eine würdige Aufgabe wissenschaftlicher Notabeln, hier auf Planmäßigkeit und auf Erfüllung der unerläßlichsten allgemein erfor¬ derten Requisiten (Stabilität der Numerirung, Angabe der Maße und der Pro¬ venienz ze.) zu dringen. Ein anderes Desiderat würde sich gegen die antiquirt vornehme Sitte italienischer Forscher richten, wissenschaftlich wichtige Publica¬ tionen zur Kunstgeschichte womöglich als Manuscripte d. h. als Gelegenheits¬ schriften oder in Auflagen drucken zulassen, die so klein sind, daß sie sich schon dadurch dem Büchermarkt entziehen. Wo bleibt serner der längst versprochene Index zum Vasari? — und daß wir den Balken im eignen Auge nicht ver¬ gessen: wann werden genügende Kataloge vieler unserer großen Gallerien geliefert, und wann ein Inhaltsverzeichnis^ z. B. zum Cotta'schen Kunst¬ blatt veranstaltet? — Die Bewältigung einer so ungeheuren Aufgabe wie die Redaction dieses Künstler-Lexikons wäre ohne die Vereinigung von Männern, die ein¬ ander fortwährend nach ganz bestimmtem Plane in die Hände arbeiten, eine Unmöglichkeit. Dieses Verhältniß aber besteht insbesondere zwischen den beiden Unternehmern, dem Forscher und dem Sammler, deren Erfahrungen einander aufs günstigste ergänzen, in musterhafter Weise. Hier bedürfte es eines Verlegers mit voller sachlicher Einsicht, wie Dr. W. Engelmann ist, und so können wir der Zukunft des Werkes vertrauend entgegensehn, welches geschäftlich betrachtet, noch eine exemplarische Bedeutung hat. Denn es gehört zu den seltenen Unternehmungen solchen Umfangs, die auf ganz selbst¬ ständiger Basis stehend in der Ueberzeugung gegründet sind, daß unser Pu- blicum der streng wissenschaftlichen Absicht die erforderliche Theilnahme be- thätigen wird. Eine nachahmungswerthe äußere Eigenschaft ist der lateinische Druck. Erfüllt schon die typographische Anordnung des Satzes ihre compli- cirte Aufgabe in höchst übersichtlicher Weise, so sind die internationalen Lettern geeignet, dem Werke auch im Auslande Leser zu sichern. Die grünen Blätter aber haben an diesem Werk noch ein Gemüths¬ interesse, welches nicht ohne Resignation ist. Mit Stolz begrüßen sie an führender Stelle einen ihrer ältesten und getreuesten Mitarbeiter, dessen um¬ fassenden Kenntnissen sie manche schöne Belehrung, dessen freien und tiefen Urtheilen über moderne Kunst sie den überzeugenden Eindruck gesinnungs- 59*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/473>, abgerufen am 28.09.2024.