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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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verstehe die Worte seiner College" so, daß die Regierung sich künftig bei den
Wahlen vollständig neutral verhalten werde, -- und stimmte einmüthig gegen
die Regierung.

Ollivier hat damit offen mit der Rechten gebrochen, auf die er sich so
lange gestützt, aber es täuscht Niemand, wenn er sagt, daß er mit seinen
Collegen einig sei. Die Einheit des Cabinets existirt nicht und was die Loya¬
lität des Kaisers gegen dasselbe betrifft, so macht es jedenfalls einen eigen¬
thümlichen Eindruck, daß Herr Cle'neue Duvernois das Ministerium täglich
auf das Erbittertste angreift, während wohl seine materielle Unterstützung,
aber nicht seine Inspiration aus den Tuilerien aufgehört hat.

Wir glauben, daß Herr Lemoinne Recht hat, wenn er im "Journal des
Dibats" sagt, daß das Cabinet trotz seines Sieges nicht auf Rosen gebettet
sei. vielmehr dem heil. Laurentius gleiche, jenem Märtyrer, welchen man aus
der linken Seite röstete, nachdem er auf der Rechten genug gebraten war. "Das
große Unglück Frankreichs ist, daß es keine außerhalb der Regierung organi-
sirten Parteien gibt: die Regierung, mag sie Republik oder Kaiserthum sein,
ist immer eine Partei. Die monströse und vernichtende Gewalt der Admi¬
nistration und Centralisation geht in neue Hände über, aber sie führt immer
dar, dasselbe unpersönliche, anonyme Werk weiter fort."




Reisebilder aus Galizien.
4. Lemberg. -

Lemberg gehört zu den schönstgelegensten Städten der an landschaftlichen
Schönheiten überreichen östreichischen Monarchie. Rings von Höhen umgeben,
liegt die Stadt Lews von Halicz in einem engen Kessel, den der Bach Pellew
durchströmt, und der an und für sich keine besonderen Reize aufzuweisen
scheint. Man hat aber nur nöthig, die Höhe des Swenti-Jur zu ersteigen,
zur Citadelle hinaufzuklimmen oder die schattigen Baumgänge zu durchwan¬
dern, die auf den höchsten Punkt der Umgegend, den Sandberg (oder Franz-
Josephs-Berg) führen und dort der Gunst eines einzigen Sonnenstrahls ge¬
würdigt zu werden, um eine prachtvolle Aussicht zu genießen. Die Berge
welche die mächtig ausgebreitete Stadt rings umschließen, sind von Klöstern,
Kirchen, kastellartigen Eisenbahn- und Militärbauten gekrönt, die Abhänge,
die ins Thal führen, mit Gärten oder Rasenteppichen bekleidet und die
Stadt selbst macht durch ihre zahlreichen Thürme und Kuppeln, die zum


verstehe die Worte seiner College« so, daß die Regierung sich künftig bei den
Wahlen vollständig neutral verhalten werde, — und stimmte einmüthig gegen
die Regierung.

Ollivier hat damit offen mit der Rechten gebrochen, auf die er sich so
lange gestützt, aber es täuscht Niemand, wenn er sagt, daß er mit seinen
Collegen einig sei. Die Einheit des Cabinets existirt nicht und was die Loya¬
lität des Kaisers gegen dasselbe betrifft, so macht es jedenfalls einen eigen¬
thümlichen Eindruck, daß Herr Cle'neue Duvernois das Ministerium täglich
auf das Erbittertste angreift, während wohl seine materielle Unterstützung,
aber nicht seine Inspiration aus den Tuilerien aufgehört hat.

Wir glauben, daß Herr Lemoinne Recht hat, wenn er im „Journal des
Dibats" sagt, daß das Cabinet trotz seines Sieges nicht auf Rosen gebettet
sei. vielmehr dem heil. Laurentius gleiche, jenem Märtyrer, welchen man aus
der linken Seite röstete, nachdem er auf der Rechten genug gebraten war. „Das
große Unglück Frankreichs ist, daß es keine außerhalb der Regierung organi-
sirten Parteien gibt: die Regierung, mag sie Republik oder Kaiserthum sein,
ist immer eine Partei. Die monströse und vernichtende Gewalt der Admi¬
nistration und Centralisation geht in neue Hände über, aber sie führt immer
dar, dasselbe unpersönliche, anonyme Werk weiter fort."




Reisebilder aus Galizien.
4. Lemberg. -

Lemberg gehört zu den schönstgelegensten Städten der an landschaftlichen
Schönheiten überreichen östreichischen Monarchie. Rings von Höhen umgeben,
liegt die Stadt Lews von Halicz in einem engen Kessel, den der Bach Pellew
durchströmt, und der an und für sich keine besonderen Reize aufzuweisen
scheint. Man hat aber nur nöthig, die Höhe des Swenti-Jur zu ersteigen,
zur Citadelle hinaufzuklimmen oder die schattigen Baumgänge zu durchwan¬
dern, die auf den höchsten Punkt der Umgegend, den Sandberg (oder Franz-
Josephs-Berg) führen und dort der Gunst eines einzigen Sonnenstrahls ge¬
würdigt zu werden, um eine prachtvolle Aussicht zu genießen. Die Berge
welche die mächtig ausgebreitete Stadt rings umschließen, sind von Klöstern,
Kirchen, kastellartigen Eisenbahn- und Militärbauten gekrönt, die Abhänge,
die ins Thal führen, mit Gärten oder Rasenteppichen bekleidet und die
Stadt selbst macht durch ihre zahlreichen Thürme und Kuppeln, die zum


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[0424] verstehe die Worte seiner College« so, daß die Regierung sich künftig bei den Wahlen vollständig neutral verhalten werde, — und stimmte einmüthig gegen die Regierung. Ollivier hat damit offen mit der Rechten gebrochen, auf die er sich so lange gestützt, aber es täuscht Niemand, wenn er sagt, daß er mit seinen Collegen einig sei. Die Einheit des Cabinets existirt nicht und was die Loya¬ lität des Kaisers gegen dasselbe betrifft, so macht es jedenfalls einen eigen¬ thümlichen Eindruck, daß Herr Cle'neue Duvernois das Ministerium täglich auf das Erbittertste angreift, während wohl seine materielle Unterstützung, aber nicht seine Inspiration aus den Tuilerien aufgehört hat. Wir glauben, daß Herr Lemoinne Recht hat, wenn er im „Journal des Dibats" sagt, daß das Cabinet trotz seines Sieges nicht auf Rosen gebettet sei. vielmehr dem heil. Laurentius gleiche, jenem Märtyrer, welchen man aus der linken Seite röstete, nachdem er auf der Rechten genug gebraten war. „Das große Unglück Frankreichs ist, daß es keine außerhalb der Regierung organi- sirten Parteien gibt: die Regierung, mag sie Republik oder Kaiserthum sein, ist immer eine Partei. Die monströse und vernichtende Gewalt der Admi¬ nistration und Centralisation geht in neue Hände über, aber sie führt immer dar, dasselbe unpersönliche, anonyme Werk weiter fort." Reisebilder aus Galizien. 4. Lemberg. - Lemberg gehört zu den schönstgelegensten Städten der an landschaftlichen Schönheiten überreichen östreichischen Monarchie. Rings von Höhen umgeben, liegt die Stadt Lews von Halicz in einem engen Kessel, den der Bach Pellew durchströmt, und der an und für sich keine besonderen Reize aufzuweisen scheint. Man hat aber nur nöthig, die Höhe des Swenti-Jur zu ersteigen, zur Citadelle hinaufzuklimmen oder die schattigen Baumgänge zu durchwan¬ dern, die auf den höchsten Punkt der Umgegend, den Sandberg (oder Franz- Josephs-Berg) führen und dort der Gunst eines einzigen Sonnenstrahls ge¬ würdigt zu werden, um eine prachtvolle Aussicht zu genießen. Die Berge welche die mächtig ausgebreitete Stadt rings umschließen, sind von Klöstern, Kirchen, kastellartigen Eisenbahn- und Militärbauten gekrönt, die Abhänge, die ins Thal führen, mit Gärten oder Rasenteppichen bekleidet und die Stadt selbst macht durch ihre zahlreichen Thürme und Kuppeln, die zum

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/424>, abgerufen am 29.06.2024.