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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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des wesentlich zu danken sind, das die leitende Bundespolitik zum Ausdruck
bringt. Kein Zweifel, daß es seiner Bildung nach vollkommen geeignet ist
für Handel und Verkehr zu wirken, wie es für die innere Bundesverwaltung
vorzugsweise bis jetzt gewirkt hat. Der hervorragende Mann an der Spitze
des Amts besitzt bekanntermaßen die Begabung sür diese Thätigkeit in be¬
sonderem Maße. Dennoch will es aus zwei Gründen richtiger scheinen die
in Rede stehende, kaum schon ganz übersehbare Aufgabe dem Bundeskanzler¬
amt nicht mitzuübertragen.

Das Bundeskanzleramt soll gleichsam die Generalabtheilung der Bun¬
desverwaltung bilden. Von ihm sollen die obersten Anordnungen aus-, in
ihm die Zweige der Bundesverwaltung zusammengehen. Es kann nicht aus¬
bleiben und ist nicht ausgeblieben, daß die Bundescentralbehörde Detail¬
geschäste zu übernehmen genöthigt ist. weil es sonst an einem Organ für
diese Geschäfte gebricht. Offenbar widerstrebt es aber ihrer Bestimmung, mit
solchen Geschäften mehr als gerade unumgänglich nöthig belastet zu werden.
Die jedem tüchtigen leistungsfähigen Verwaltungsorgan drohende Gefahr
der Geschäftsüberbürdung muß nach Kräften ferngehalten werden und sie ist
seither ferngehalten worden. Es ist sichtliches Bestreben gewesen, das Ueber¬
maß von Geschäften, an dem unsere Ministerien leiden, beim Bundeskanzler¬
amt nicht entstehen zu lassen, ihm die Leichtigkeit eines einfachen Verwaltungs¬
apparats zu erhalten. Alles, was dieses Streben fördern kann, ist deshalb
mit Freuden zu begrüßen. Läßt sich die Pflege von Handel und Verkehr
durch ein anderes Organ als das Bundeskanzleramt besorgen, so dient dies
niemandem mehr wie dem Bundeskanzleramt selbst.

Sollte es aber nicht auch Handel und Verkehr dienen, wenn für sie ein
eigenes Organ, ein Handelsamt, gebildet wird? Liegt es nicht im Wesen
der Sache begründet, so wichtige weitgreifende Aufgaben der Bundesthätigkeit
durch eine besondere Bundesbehörde erfüllen zu lassen? Auf die Gefahr hin,
bureaukratischerMeigungen geziehen zu werden, bekennen wir dieser Meinung
zu sein. Wie es seine gute Bedeutung hatte, als die größeren Staaten in
neuerer Zeit für Wahrnehmung der Handels- und Verkehrsinteressen Handels¬
ministerien errichteten, ist es für den Bund keine blos äußerliche Frage, ob
er ein Handelsamt errichtet oder nicht errichtet. Die Frage besitzt vielmehr
für ihn in dem Maße größere Bedeutung, in welchem seine Aufgaben schwerer
als die eines einzelnen Staates, die Bedingungen seines Wirkens mißlicher
als die eines einzelnen Staates sind. Jede unzureichende oder falsche Or¬
ganisation muß sich im Bunde vermöge seiner künstlicheren Bildung nach¬
theiliger fühlbar machen als im Einzelstaat.

Ueberblicken wir den Wirkungskreis des Handelsamts, wie er sich nach der
Bundesverfassung gestalten würde. Eine Fülle von Aufgaben bietet sich, Auf-


des wesentlich zu danken sind, das die leitende Bundespolitik zum Ausdruck
bringt. Kein Zweifel, daß es seiner Bildung nach vollkommen geeignet ist
für Handel und Verkehr zu wirken, wie es für die innere Bundesverwaltung
vorzugsweise bis jetzt gewirkt hat. Der hervorragende Mann an der Spitze
des Amts besitzt bekanntermaßen die Begabung sür diese Thätigkeit in be¬
sonderem Maße. Dennoch will es aus zwei Gründen richtiger scheinen die
in Rede stehende, kaum schon ganz übersehbare Aufgabe dem Bundeskanzler¬
amt nicht mitzuübertragen.

Das Bundeskanzleramt soll gleichsam die Generalabtheilung der Bun¬
desverwaltung bilden. Von ihm sollen die obersten Anordnungen aus-, in
ihm die Zweige der Bundesverwaltung zusammengehen. Es kann nicht aus¬
bleiben und ist nicht ausgeblieben, daß die Bundescentralbehörde Detail¬
geschäste zu übernehmen genöthigt ist. weil es sonst an einem Organ für
diese Geschäfte gebricht. Offenbar widerstrebt es aber ihrer Bestimmung, mit
solchen Geschäften mehr als gerade unumgänglich nöthig belastet zu werden.
Die jedem tüchtigen leistungsfähigen Verwaltungsorgan drohende Gefahr
der Geschäftsüberbürdung muß nach Kräften ferngehalten werden und sie ist
seither ferngehalten worden. Es ist sichtliches Bestreben gewesen, das Ueber¬
maß von Geschäften, an dem unsere Ministerien leiden, beim Bundeskanzler¬
amt nicht entstehen zu lassen, ihm die Leichtigkeit eines einfachen Verwaltungs¬
apparats zu erhalten. Alles, was dieses Streben fördern kann, ist deshalb
mit Freuden zu begrüßen. Läßt sich die Pflege von Handel und Verkehr
durch ein anderes Organ als das Bundeskanzleramt besorgen, so dient dies
niemandem mehr wie dem Bundeskanzleramt selbst.

Sollte es aber nicht auch Handel und Verkehr dienen, wenn für sie ein
eigenes Organ, ein Handelsamt, gebildet wird? Liegt es nicht im Wesen
der Sache begründet, so wichtige weitgreifende Aufgaben der Bundesthätigkeit
durch eine besondere Bundesbehörde erfüllen zu lassen? Auf die Gefahr hin,
bureaukratischerMeigungen geziehen zu werden, bekennen wir dieser Meinung
zu sein. Wie es seine gute Bedeutung hatte, als die größeren Staaten in
neuerer Zeit für Wahrnehmung der Handels- und Verkehrsinteressen Handels¬
ministerien errichteten, ist es für den Bund keine blos äußerliche Frage, ob
er ein Handelsamt errichtet oder nicht errichtet. Die Frage besitzt vielmehr
für ihn in dem Maße größere Bedeutung, in welchem seine Aufgaben schwerer
als die eines einzelnen Staates, die Bedingungen seines Wirkens mißlicher
als die eines einzelnen Staates sind. Jede unzureichende oder falsche Or¬
ganisation muß sich im Bunde vermöge seiner künstlicheren Bildung nach¬
theiliger fühlbar machen als im Einzelstaat.

Ueberblicken wir den Wirkungskreis des Handelsamts, wie er sich nach der
Bundesverfassung gestalten würde. Eine Fülle von Aufgaben bietet sich, Auf-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/411>, abgerufen am 29.06.2024.