Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

gaben, d!e zu den dankbarsten gehören, die es für Staatsmänner gibt, und,
fügen wir hinzu, zu den sicher lösbaren. Das Bedürfniß ist so gebieterisch,
daß alle entgegenstehenden Schwierigkeiten überwunden werden müssen, daß
immer nur das Wie, nicht das Was in Frage stehen kann,

Folgen wir der Aufzählung der Bundesverfassung (Art. 4), so fallen
dem Handelsamt die Ueberwachung der Ausführung der Bundesgesetze sowie
die dem Bundespräsidium als Vollzugsorgan des Bundes obliegende Thä¬
tigkeit in Bezug auf Gewerbe- und Versicherungswesen, Colonisation und
Auswanderung. Zoll- und Handelsgesetzgebung, Maaß, Münze und Gewicht,
Papiergeld- und Bankwesen-, Patentgesetzgebung. Verlagsrecht, Seeschifffahrts¬
angelegenheiten, den kommerziellen Theil der Consularverwaltung, Eisenbahn¬
wesen, Land- und Wasserstraßen von allgemeinem Interesse, Flößerei und
Flußschifffahrt, endlich wohl auch die Maßregeln der Medizinal- und Veteri¬
närpolizei zu -- eine Reihe von Aufgaben, die, wie die Einsetzung der Normal¬
eichungscommission zeigt, wieder untergeordneten Organen zur detaillirten
Bearbeitung übertragen werden müssen, um überall bewältigt werden
zu können.

Der Stoff ist so reichhaltig, daß er die Schaffung eines eigenen Organs
fordert. Es ist nur Frage der Opportunist, ob das neue Organ gegen¬
wärtig oder später ins Leben gerufen werden soll, und wir sehen nicht ab,
warum ein Aufschub nöthig sei, während die Bearbeitung des Stoffs, die
Inangriffnahme der Reformen -- die Münzreform dient als Beispiel --
keinen Aufschub vertragen. Die Entwickelung aus bescheidenem Anfang wird
nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern erst recht ermöglicht und gewährleistet.
Eine kleine Beamtenzahl wird voraussichtlich zuerst genügen und es steht
natürlich nichts entgegen, daß der Staatssekretär des Handels und der Prä¬
sident des Bundeskanzleramts in einer Person vereinigt sind. So gut zwei
Ministerporlefeuilles, so gut können zwei Bundesressorts in einer Hand liegen.

Neben sachlichen Gründen spricht eine bundespolitische Erwägung zu
Gunsten der Errichtung eines Handelsamts. Kein zweites Organ vermag
das Bewußtsein, daß die Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volks nicht
nur in der Bundesverfassung geschrieben steht, sondern in Wahrheit eine der
obersten Aufgaben des Bundes bildet, in weiten Kreisen und gerade in den
Kreisen zu kräftigen, die bereits die Herstellung eines bessern Schutzes für
den deutschen Handel, die Schaffung des Oberhandelsgerichts als die Be¬
friedigung lange gehegter Wünsche und Bedürfnisse mit nationalem Verständ¬
niß anerkannt haben. Die neue Schöpfung vermag der Erkenntniß neue Nah¬
rung zu geben, daß Deutschlands Wohl allein in der Fortentwickelung und
Vollendung des Bundes ruht.


^


gaben, d!e zu den dankbarsten gehören, die es für Staatsmänner gibt, und,
fügen wir hinzu, zu den sicher lösbaren. Das Bedürfniß ist so gebieterisch,
daß alle entgegenstehenden Schwierigkeiten überwunden werden müssen, daß
immer nur das Wie, nicht das Was in Frage stehen kann,

Folgen wir der Aufzählung der Bundesverfassung (Art. 4), so fallen
dem Handelsamt die Ueberwachung der Ausführung der Bundesgesetze sowie
die dem Bundespräsidium als Vollzugsorgan des Bundes obliegende Thä¬
tigkeit in Bezug auf Gewerbe- und Versicherungswesen, Colonisation und
Auswanderung. Zoll- und Handelsgesetzgebung, Maaß, Münze und Gewicht,
Papiergeld- und Bankwesen-, Patentgesetzgebung. Verlagsrecht, Seeschifffahrts¬
angelegenheiten, den kommerziellen Theil der Consularverwaltung, Eisenbahn¬
wesen, Land- und Wasserstraßen von allgemeinem Interesse, Flößerei und
Flußschifffahrt, endlich wohl auch die Maßregeln der Medizinal- und Veteri¬
närpolizei zu — eine Reihe von Aufgaben, die, wie die Einsetzung der Normal¬
eichungscommission zeigt, wieder untergeordneten Organen zur detaillirten
Bearbeitung übertragen werden müssen, um überall bewältigt werden
zu können.

Der Stoff ist so reichhaltig, daß er die Schaffung eines eigenen Organs
fordert. Es ist nur Frage der Opportunist, ob das neue Organ gegen¬
wärtig oder später ins Leben gerufen werden soll, und wir sehen nicht ab,
warum ein Aufschub nöthig sei, während die Bearbeitung des Stoffs, die
Inangriffnahme der Reformen — die Münzreform dient als Beispiel —
keinen Aufschub vertragen. Die Entwickelung aus bescheidenem Anfang wird
nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern erst recht ermöglicht und gewährleistet.
Eine kleine Beamtenzahl wird voraussichtlich zuerst genügen und es steht
natürlich nichts entgegen, daß der Staatssekretär des Handels und der Prä¬
sident des Bundeskanzleramts in einer Person vereinigt sind. So gut zwei
Ministerporlefeuilles, so gut können zwei Bundesressorts in einer Hand liegen.

Neben sachlichen Gründen spricht eine bundespolitische Erwägung zu
Gunsten der Errichtung eines Handelsamts. Kein zweites Organ vermag
das Bewußtsein, daß die Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volks nicht
nur in der Bundesverfassung geschrieben steht, sondern in Wahrheit eine der
obersten Aufgaben des Bundes bildet, in weiten Kreisen und gerade in den
Kreisen zu kräftigen, die bereits die Herstellung eines bessern Schutzes für
den deutschen Handel, die Schaffung des Oberhandelsgerichts als die Be¬
friedigung lange gehegter Wünsche und Bedürfnisse mit nationalem Verständ¬
niß anerkannt haben. Die neue Schöpfung vermag der Erkenntniß neue Nah¬
rung zu geben, daß Deutschlands Wohl allein in der Fortentwickelung und
Vollendung des Bundes ruht.


^


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0412" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123500"/>
          <p xml:id="ID_1185" prev="#ID_1184"> gaben, d!e zu den dankbarsten gehören, die es für Staatsmänner gibt, und,<lb/>
fügen wir hinzu, zu den sicher lösbaren. Das Bedürfniß ist so gebieterisch,<lb/>
daß alle entgegenstehenden Schwierigkeiten überwunden werden müssen, daß<lb/>
immer nur das Wie, nicht das Was in Frage stehen kann,</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1186"> Folgen wir der Aufzählung der Bundesverfassung (Art. 4), so fallen<lb/>
dem Handelsamt die Ueberwachung der Ausführung der Bundesgesetze sowie<lb/>
die dem Bundespräsidium als Vollzugsorgan des Bundes obliegende Thä¬<lb/>
tigkeit in Bezug auf Gewerbe- und Versicherungswesen, Colonisation und<lb/>
Auswanderung. Zoll- und Handelsgesetzgebung, Maaß, Münze und Gewicht,<lb/>
Papiergeld- und Bankwesen-, Patentgesetzgebung. Verlagsrecht, Seeschifffahrts¬<lb/>
angelegenheiten, den kommerziellen Theil der Consularverwaltung, Eisenbahn¬<lb/>
wesen, Land- und Wasserstraßen von allgemeinem Interesse, Flößerei und<lb/>
Flußschifffahrt, endlich wohl auch die Maßregeln der Medizinal- und Veteri¬<lb/>
närpolizei zu &#x2014; eine Reihe von Aufgaben, die, wie die Einsetzung der Normal¬<lb/>
eichungscommission zeigt, wieder untergeordneten Organen zur detaillirten<lb/>
Bearbeitung übertragen werden müssen, um überall bewältigt werden<lb/>
zu können.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1187"> Der Stoff ist so reichhaltig, daß er die Schaffung eines eigenen Organs<lb/>
fordert. Es ist nur Frage der Opportunist, ob das neue Organ gegen¬<lb/>
wärtig oder später ins Leben gerufen werden soll, und wir sehen nicht ab,<lb/>
warum ein Aufschub nöthig sei, während die Bearbeitung des Stoffs, die<lb/>
Inangriffnahme der Reformen &#x2014; die Münzreform dient als Beispiel &#x2014;<lb/>
keinen Aufschub vertragen. Die Entwickelung aus bescheidenem Anfang wird<lb/>
nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern erst recht ermöglicht und gewährleistet.<lb/>
Eine kleine Beamtenzahl wird voraussichtlich zuerst genügen und es steht<lb/>
natürlich nichts entgegen, daß der Staatssekretär des Handels und der Prä¬<lb/>
sident des Bundeskanzleramts in einer Person vereinigt sind. So gut zwei<lb/>
Ministerporlefeuilles, so gut können zwei Bundesressorts in einer Hand liegen.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_1188"> Neben sachlichen Gründen spricht eine bundespolitische Erwägung zu<lb/>
Gunsten der Errichtung eines Handelsamts. Kein zweites Organ vermag<lb/>
das Bewußtsein, daß die Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volks nicht<lb/>
nur in der Bundesverfassung geschrieben steht, sondern in Wahrheit eine der<lb/>
obersten Aufgaben des Bundes bildet, in weiten Kreisen und gerade in den<lb/>
Kreisen zu kräftigen, die bereits die Herstellung eines bessern Schutzes für<lb/>
den deutschen Handel, die Schaffung des Oberhandelsgerichts als die Be¬<lb/>
friedigung lange gehegter Wünsche und Bedürfnisse mit nationalem Verständ¬<lb/>
niß anerkannt haben. Die neue Schöpfung vermag der Erkenntniß neue Nah¬<lb/>
rung zu geben, daß Deutschlands Wohl allein in der Fortentwickelung und<lb/>
Vollendung des Bundes ruht.</p><lb/>
          <note type="byline"> ^</note><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0412] gaben, d!e zu den dankbarsten gehören, die es für Staatsmänner gibt, und, fügen wir hinzu, zu den sicher lösbaren. Das Bedürfniß ist so gebieterisch, daß alle entgegenstehenden Schwierigkeiten überwunden werden müssen, daß immer nur das Wie, nicht das Was in Frage stehen kann, Folgen wir der Aufzählung der Bundesverfassung (Art. 4), so fallen dem Handelsamt die Ueberwachung der Ausführung der Bundesgesetze sowie die dem Bundespräsidium als Vollzugsorgan des Bundes obliegende Thä¬ tigkeit in Bezug auf Gewerbe- und Versicherungswesen, Colonisation und Auswanderung. Zoll- und Handelsgesetzgebung, Maaß, Münze und Gewicht, Papiergeld- und Bankwesen-, Patentgesetzgebung. Verlagsrecht, Seeschifffahrts¬ angelegenheiten, den kommerziellen Theil der Consularverwaltung, Eisenbahn¬ wesen, Land- und Wasserstraßen von allgemeinem Interesse, Flößerei und Flußschifffahrt, endlich wohl auch die Maßregeln der Medizinal- und Veteri¬ närpolizei zu — eine Reihe von Aufgaben, die, wie die Einsetzung der Normal¬ eichungscommission zeigt, wieder untergeordneten Organen zur detaillirten Bearbeitung übertragen werden müssen, um überall bewältigt werden zu können. Der Stoff ist so reichhaltig, daß er die Schaffung eines eigenen Organs fordert. Es ist nur Frage der Opportunist, ob das neue Organ gegen¬ wärtig oder später ins Leben gerufen werden soll, und wir sehen nicht ab, warum ein Aufschub nöthig sei, während die Bearbeitung des Stoffs, die Inangriffnahme der Reformen — die Münzreform dient als Beispiel — keinen Aufschub vertragen. Die Entwickelung aus bescheidenem Anfang wird nicht nur nicht ausgeschlossen, sondern erst recht ermöglicht und gewährleistet. Eine kleine Beamtenzahl wird voraussichtlich zuerst genügen und es steht natürlich nichts entgegen, daß der Staatssekretär des Handels und der Prä¬ sident des Bundeskanzleramts in einer Person vereinigt sind. So gut zwei Ministerporlefeuilles, so gut können zwei Bundesressorts in einer Hand liegen. Neben sachlichen Gründen spricht eine bundespolitische Erwägung zu Gunsten der Errichtung eines Handelsamts. Kein zweites Organ vermag das Bewußtsein, daß die Pflege der Wohlfahrt des deutschen Volks nicht nur in der Bundesverfassung geschrieben steht, sondern in Wahrheit eine der obersten Aufgaben des Bundes bildet, in weiten Kreisen und gerade in den Kreisen zu kräftigen, die bereits die Herstellung eines bessern Schutzes für den deutschen Handel, die Schaffung des Oberhandelsgerichts als die Be¬ friedigung lange gehegter Wünsche und Bedürfnisse mit nationalem Verständ¬ niß anerkannt haben. Die neue Schöpfung vermag der Erkenntniß neue Nah¬ rung zu geben, daß Deutschlands Wohl allein in der Fortentwickelung und Vollendung des Bundes ruht. ^

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/412
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/412>, abgerufen am 29.06.2024.