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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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Die Hauptstationen der Spielerbanden sind nächst den Donaudampfern
die Grenzstädte, wo sie den Reisenden und ankommenden Fremden auflauern.
Mit den Hoteliers und dem Dienstpersonale im Bunde werden sie von der
Ankunft jedes Fremden sogleich in Kenntniß gesetzt und combiniren je nach
den Umständen desselben. Die Virtuosität, zu welcher sie es gebracht haben,
steht zu den Mitteln, über welche sie verfügen, im Verhältniß. Einige dieser
Glücksritter haben eine Art von historischem Ruf erworben. In Botuschan,
der ersten Station an der Grenze der Bukowina, hatte Janko Adam, ein
berüchtigter Falschspieler, in den 60er Jahren seine Residenz aufgeschlagen.
Während der russischen Occupation gewann er den Russen 15,000 Ducaten
ab, kaufte damit ein Haus, richtete es auf großem Fuße ein, hielt Wagen
und Reitpferde und machte sich zum Mittelpunkt, um den sich die minder¬
glücklichen Genossen und die Aspiranten gruppirten. Dieser Stab setzte ihn
in den Stand auf alle Kreise der Gesellschaft zu wirken, für jede Combina¬
tion geeignete Organe in Bewegung zu setzen und somit auch Alles durch¬
zuführen was ihm einfiel. Er hielt förmlich seinen Hofstaat, ließ sich von
Allen, die auf Geld hofften, verehren, nahm die Polizei und die meisten Orts¬
behörden in seinen Sold, gab den Thoren, die sich an seinen Spieltisch
setzen wollten, glänzende Gastmahle und Trinkgelage, bei denen allen mög¬
lichen Göttern geopfert wurde, während die larmoyanten Töne der landes¬
üblichen Zigeunermusik der Nachbarschaft verkündeten, der Nabob des Orts
zeige sich in vollem Glanz. Janko Adam war seiner Gastfreundlichkeit wegen
ebenso populär, wie wegen seiner Wohlthätigkeit: selbst in die Gefängnisse
ließ er Speisen und Getränke bringen. Kein Wunder, daß die niederen Classen
ihn förmlich anbeteten, und sich bet jeder vorkommenden Gelegenheit zu Werk¬
zeugen seines Willens hergaben.

Sein Lebenslauf ist für die Vielgestaltigkeit ost-europäischer und speciell
rumänischer Existenzen höchst bezeichnend. Die Russen hatten ihn zum reichen
Mann gemacht und Jahre lang behauptete er sich als solcher. Aber das
Spiel hat seine Laune: durch Verschwendung und "Unglück" gerieth Janko in
bittere Noth. Es mußte Alles, zuletzt auch das Haus verkauft werden, in dem
er seine Feste und Opferculte gefeiert hatte.

Mit dem Rest seines Vermögens gelang es ihm, einen Geniestreich aus¬
zuführen, d. h. ein junges sehr schönes und gebildetes Mädchen aus vor¬
nehmem Hause zu entführen und mit ihm nach Constantinopel zu flüchten.
Auf den Prinzeninseln machte sein Weib Aufsehen, man suchte seine Bekannt¬
schaft, veranstaltete ihm zu Ehren Festlichkeiten, man Scharte sich um das
Paar, und es gelang unserem Janko unversehens auch das Spiel in Gang
zu bringen und seine geheime Kunst zu üben. Er hätte hier viel Glück ma-


Grenzboten I. 1870. 44

Die Hauptstationen der Spielerbanden sind nächst den Donaudampfern
die Grenzstädte, wo sie den Reisenden und ankommenden Fremden auflauern.
Mit den Hoteliers und dem Dienstpersonale im Bunde werden sie von der
Ankunft jedes Fremden sogleich in Kenntniß gesetzt und combiniren je nach
den Umständen desselben. Die Virtuosität, zu welcher sie es gebracht haben,
steht zu den Mitteln, über welche sie verfügen, im Verhältniß. Einige dieser
Glücksritter haben eine Art von historischem Ruf erworben. In Botuschan,
der ersten Station an der Grenze der Bukowina, hatte Janko Adam, ein
berüchtigter Falschspieler, in den 60er Jahren seine Residenz aufgeschlagen.
Während der russischen Occupation gewann er den Russen 15,000 Ducaten
ab, kaufte damit ein Haus, richtete es auf großem Fuße ein, hielt Wagen
und Reitpferde und machte sich zum Mittelpunkt, um den sich die minder¬
glücklichen Genossen und die Aspiranten gruppirten. Dieser Stab setzte ihn
in den Stand auf alle Kreise der Gesellschaft zu wirken, für jede Combina¬
tion geeignete Organe in Bewegung zu setzen und somit auch Alles durch¬
zuführen was ihm einfiel. Er hielt förmlich seinen Hofstaat, ließ sich von
Allen, die auf Geld hofften, verehren, nahm die Polizei und die meisten Orts¬
behörden in seinen Sold, gab den Thoren, die sich an seinen Spieltisch
setzen wollten, glänzende Gastmahle und Trinkgelage, bei denen allen mög¬
lichen Göttern geopfert wurde, während die larmoyanten Töne der landes¬
üblichen Zigeunermusik der Nachbarschaft verkündeten, der Nabob des Orts
zeige sich in vollem Glanz. Janko Adam war seiner Gastfreundlichkeit wegen
ebenso populär, wie wegen seiner Wohlthätigkeit: selbst in die Gefängnisse
ließ er Speisen und Getränke bringen. Kein Wunder, daß die niederen Classen
ihn förmlich anbeteten, und sich bet jeder vorkommenden Gelegenheit zu Werk¬
zeugen seines Willens hergaben.

Sein Lebenslauf ist für die Vielgestaltigkeit ost-europäischer und speciell
rumänischer Existenzen höchst bezeichnend. Die Russen hatten ihn zum reichen
Mann gemacht und Jahre lang behauptete er sich als solcher. Aber das
Spiel hat seine Laune: durch Verschwendung und „Unglück" gerieth Janko in
bittere Noth. Es mußte Alles, zuletzt auch das Haus verkauft werden, in dem
er seine Feste und Opferculte gefeiert hatte.

Mit dem Rest seines Vermögens gelang es ihm, einen Geniestreich aus¬
zuführen, d. h. ein junges sehr schönes und gebildetes Mädchen aus vor¬
nehmem Hause zu entführen und mit ihm nach Constantinopel zu flüchten.
Auf den Prinzeninseln machte sein Weib Aufsehen, man suchte seine Bekannt¬
schaft, veranstaltete ihm zu Ehren Festlichkeiten, man Scharte sich um das
Paar, und es gelang unserem Janko unversehens auch das Spiel in Gang
zu bringen und seine geheime Kunst zu üben. Er hätte hier viel Glück ma-


Grenzboten I. 1870. 44
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[0351] Die Hauptstationen der Spielerbanden sind nächst den Donaudampfern die Grenzstädte, wo sie den Reisenden und ankommenden Fremden auflauern. Mit den Hoteliers und dem Dienstpersonale im Bunde werden sie von der Ankunft jedes Fremden sogleich in Kenntniß gesetzt und combiniren je nach den Umständen desselben. Die Virtuosität, zu welcher sie es gebracht haben, steht zu den Mitteln, über welche sie verfügen, im Verhältniß. Einige dieser Glücksritter haben eine Art von historischem Ruf erworben. In Botuschan, der ersten Station an der Grenze der Bukowina, hatte Janko Adam, ein berüchtigter Falschspieler, in den 60er Jahren seine Residenz aufgeschlagen. Während der russischen Occupation gewann er den Russen 15,000 Ducaten ab, kaufte damit ein Haus, richtete es auf großem Fuße ein, hielt Wagen und Reitpferde und machte sich zum Mittelpunkt, um den sich die minder¬ glücklichen Genossen und die Aspiranten gruppirten. Dieser Stab setzte ihn in den Stand auf alle Kreise der Gesellschaft zu wirken, für jede Combina¬ tion geeignete Organe in Bewegung zu setzen und somit auch Alles durch¬ zuführen was ihm einfiel. Er hielt förmlich seinen Hofstaat, ließ sich von Allen, die auf Geld hofften, verehren, nahm die Polizei und die meisten Orts¬ behörden in seinen Sold, gab den Thoren, die sich an seinen Spieltisch setzen wollten, glänzende Gastmahle und Trinkgelage, bei denen allen mög¬ lichen Göttern geopfert wurde, während die larmoyanten Töne der landes¬ üblichen Zigeunermusik der Nachbarschaft verkündeten, der Nabob des Orts zeige sich in vollem Glanz. Janko Adam war seiner Gastfreundlichkeit wegen ebenso populär, wie wegen seiner Wohlthätigkeit: selbst in die Gefängnisse ließ er Speisen und Getränke bringen. Kein Wunder, daß die niederen Classen ihn förmlich anbeteten, und sich bet jeder vorkommenden Gelegenheit zu Werk¬ zeugen seines Willens hergaben. Sein Lebenslauf ist für die Vielgestaltigkeit ost-europäischer und speciell rumänischer Existenzen höchst bezeichnend. Die Russen hatten ihn zum reichen Mann gemacht und Jahre lang behauptete er sich als solcher. Aber das Spiel hat seine Laune: durch Verschwendung und „Unglück" gerieth Janko in bittere Noth. Es mußte Alles, zuletzt auch das Haus verkauft werden, in dem er seine Feste und Opferculte gefeiert hatte. Mit dem Rest seines Vermögens gelang es ihm, einen Geniestreich aus¬ zuführen, d. h. ein junges sehr schönes und gebildetes Mädchen aus vor¬ nehmem Hause zu entführen und mit ihm nach Constantinopel zu flüchten. Auf den Prinzeninseln machte sein Weib Aufsehen, man suchte seine Bekannt¬ schaft, veranstaltete ihm zu Ehren Festlichkeiten, man Scharte sich um das Paar, und es gelang unserem Janko unversehens auch das Spiel in Gang zu bringen und seine geheime Kunst zu üben. Er hätte hier viel Glück ma- Grenzboten I. 1870. 44

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/351>, abgerufen am 28.09.2024.