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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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meinsten, verrufensten Spelunken um sein tägliches Brod zu spielen. Zu¬
fällig geräth er unter mehrere junge Leute, die ihn früher gekannt und dann
sorgfältig vermieden hatten, Sie machten ihn zur Zielscheibe ihres Witzes,
verhöhnten und verspotteten ihn auf das unbarmherzigste. "Wenn Du Dir
die eine Seite Deines Schnurbartes abrasiren lässest, will ich Dir einen
Jkossar (eine türkische Silbermünze im Werthe eines Thalers) schenken, aber
Du mußt Dir ihn in solcher Gestalt bei mir selbst abholen", ruft ihm einer
von ihnen lachend zu. Der arme Teufel willigt, von Hunger geplagt, ohne
Bedenken ein und -- siehe da! dieser Jkossar wird der Grundstein seines
Glückes. Er hatte nämlich nichts Eiligeres zu thun, als diesen seinen Schatz
in eine Spielbank zu tragen, und noch an demselben Abende sah er sich im
Besitz von ein paar hundert Ducaten. Jetzt war er gerettet. Kleider
machen Leute. Ein eleganter Anzug, feine Wäsche und goldene Uhr sammt
Kette werden angeschafft. In solcher Metamorphose stehen ihm alle Häuser
offen. Er kann nun spielen und spielt, er gewinnt und gewinnt wieder, bis
er im Besitz von mehreren tausend Ducaten ist und mit diesen in seine
ursprüngliche Stellung in der Gesellschaft zurückkehrt. Dieser Jkossar war
für ihn ein Talisman, der ihm nicht nur sein verlorenes Vermögen mehrfach
zurückbrachte, sondern von nun an auch das Glück an seine Finger fesselte;
er ist seitdem erst recht Spieler von Profession geworden. Mit diesem Talis¬
man hat es aber sein eigenes Bewenden. Der junge Bojar ist in seinem
Elend hinter das Geheimniß der Falschspieler gekommen und hat in seiner
Spelunke Zeit und Gelegenheit genug gehabt, dasselbe beständig zu üben.
Das Elend hat ihn klug und vorsichtig gemacht und er führt heute das
glänzendste Haus in Jassy, hält die schönsten Equipagen, besucht und empfängt
bei sich die ganze hohe Aristokratie, ist der Liebling aller Frauen, der Ton¬
angeber, nach dem sich Alles richtet und hat -- vier ihm gesetzlich angetraute
Weiber, die alle noch leben. -- Um eine Ehe aufzulösen, ist hier nur die Ein¬
willigung beider Theile erforderlich. Unser Bojar heirathete dreimal arme
Mädchen ohne Aussteuer; wenn er seine Frau überdrüssig wurde, kaufte er
ihr ein kleines Haus und gab ihr einige hundert Ducaten, mit welcher Ver¬
sorgung sie zufrieden sein mußte. Die dritte Frau jedoch, sei es daß sie ihn
wirklich liebte, sei es weil sie den Glanz, von dem sie umgeben, nicht missen
wollte, verweigerte die Einwilligung zur Scheidung. Was diese Unglückliche
zu leiden hatte, läßt sich leicht denken -- aber sie blieb standhaft. Um ein
Ende zu machen, ließ der Ehemann eines Tages ihre glänzenden Gemächer fu߬
hoch mit Pferdemist anfüllen, so daß sie dieselben augenblicklich verlassen und
seinem Wunsche willfahren mußte. Jetzt hat er ein vornehmes Fräulein zur
Gattin und seine sociale Stellung ist unverändert die frühere geblieben, weil
sein Vermögen dasselbe blieb.


meinsten, verrufensten Spelunken um sein tägliches Brod zu spielen. Zu¬
fällig geräth er unter mehrere junge Leute, die ihn früher gekannt und dann
sorgfältig vermieden hatten, Sie machten ihn zur Zielscheibe ihres Witzes,
verhöhnten und verspotteten ihn auf das unbarmherzigste. „Wenn Du Dir
die eine Seite Deines Schnurbartes abrasiren lässest, will ich Dir einen
Jkossar (eine türkische Silbermünze im Werthe eines Thalers) schenken, aber
Du mußt Dir ihn in solcher Gestalt bei mir selbst abholen", ruft ihm einer
von ihnen lachend zu. Der arme Teufel willigt, von Hunger geplagt, ohne
Bedenken ein und — siehe da! dieser Jkossar wird der Grundstein seines
Glückes. Er hatte nämlich nichts Eiligeres zu thun, als diesen seinen Schatz
in eine Spielbank zu tragen, und noch an demselben Abende sah er sich im
Besitz von ein paar hundert Ducaten. Jetzt war er gerettet. Kleider
machen Leute. Ein eleganter Anzug, feine Wäsche und goldene Uhr sammt
Kette werden angeschafft. In solcher Metamorphose stehen ihm alle Häuser
offen. Er kann nun spielen und spielt, er gewinnt und gewinnt wieder, bis
er im Besitz von mehreren tausend Ducaten ist und mit diesen in seine
ursprüngliche Stellung in der Gesellschaft zurückkehrt. Dieser Jkossar war
für ihn ein Talisman, der ihm nicht nur sein verlorenes Vermögen mehrfach
zurückbrachte, sondern von nun an auch das Glück an seine Finger fesselte;
er ist seitdem erst recht Spieler von Profession geworden. Mit diesem Talis¬
man hat es aber sein eigenes Bewenden. Der junge Bojar ist in seinem
Elend hinter das Geheimniß der Falschspieler gekommen und hat in seiner
Spelunke Zeit und Gelegenheit genug gehabt, dasselbe beständig zu üben.
Das Elend hat ihn klug und vorsichtig gemacht und er führt heute das
glänzendste Haus in Jassy, hält die schönsten Equipagen, besucht und empfängt
bei sich die ganze hohe Aristokratie, ist der Liebling aller Frauen, der Ton¬
angeber, nach dem sich Alles richtet und hat — vier ihm gesetzlich angetraute
Weiber, die alle noch leben. — Um eine Ehe aufzulösen, ist hier nur die Ein¬
willigung beider Theile erforderlich. Unser Bojar heirathete dreimal arme
Mädchen ohne Aussteuer; wenn er seine Frau überdrüssig wurde, kaufte er
ihr ein kleines Haus und gab ihr einige hundert Ducaten, mit welcher Ver¬
sorgung sie zufrieden sein mußte. Die dritte Frau jedoch, sei es daß sie ihn
wirklich liebte, sei es weil sie den Glanz, von dem sie umgeben, nicht missen
wollte, verweigerte die Einwilligung zur Scheidung. Was diese Unglückliche
zu leiden hatte, läßt sich leicht denken — aber sie blieb standhaft. Um ein
Ende zu machen, ließ der Ehemann eines Tages ihre glänzenden Gemächer fu߬
hoch mit Pferdemist anfüllen, so daß sie dieselben augenblicklich verlassen und
seinem Wunsche willfahren mußte. Jetzt hat er ein vornehmes Fräulein zur
Gattin und seine sociale Stellung ist unverändert die frühere geblieben, weil
sein Vermögen dasselbe blieb.


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[0350] meinsten, verrufensten Spelunken um sein tägliches Brod zu spielen. Zu¬ fällig geräth er unter mehrere junge Leute, die ihn früher gekannt und dann sorgfältig vermieden hatten, Sie machten ihn zur Zielscheibe ihres Witzes, verhöhnten und verspotteten ihn auf das unbarmherzigste. „Wenn Du Dir die eine Seite Deines Schnurbartes abrasiren lässest, will ich Dir einen Jkossar (eine türkische Silbermünze im Werthe eines Thalers) schenken, aber Du mußt Dir ihn in solcher Gestalt bei mir selbst abholen", ruft ihm einer von ihnen lachend zu. Der arme Teufel willigt, von Hunger geplagt, ohne Bedenken ein und — siehe da! dieser Jkossar wird der Grundstein seines Glückes. Er hatte nämlich nichts Eiligeres zu thun, als diesen seinen Schatz in eine Spielbank zu tragen, und noch an demselben Abende sah er sich im Besitz von ein paar hundert Ducaten. Jetzt war er gerettet. Kleider machen Leute. Ein eleganter Anzug, feine Wäsche und goldene Uhr sammt Kette werden angeschafft. In solcher Metamorphose stehen ihm alle Häuser offen. Er kann nun spielen und spielt, er gewinnt und gewinnt wieder, bis er im Besitz von mehreren tausend Ducaten ist und mit diesen in seine ursprüngliche Stellung in der Gesellschaft zurückkehrt. Dieser Jkossar war für ihn ein Talisman, der ihm nicht nur sein verlorenes Vermögen mehrfach zurückbrachte, sondern von nun an auch das Glück an seine Finger fesselte; er ist seitdem erst recht Spieler von Profession geworden. Mit diesem Talis¬ man hat es aber sein eigenes Bewenden. Der junge Bojar ist in seinem Elend hinter das Geheimniß der Falschspieler gekommen und hat in seiner Spelunke Zeit und Gelegenheit genug gehabt, dasselbe beständig zu üben. Das Elend hat ihn klug und vorsichtig gemacht und er führt heute das glänzendste Haus in Jassy, hält die schönsten Equipagen, besucht und empfängt bei sich die ganze hohe Aristokratie, ist der Liebling aller Frauen, der Ton¬ angeber, nach dem sich Alles richtet und hat — vier ihm gesetzlich angetraute Weiber, die alle noch leben. — Um eine Ehe aufzulösen, ist hier nur die Ein¬ willigung beider Theile erforderlich. Unser Bojar heirathete dreimal arme Mädchen ohne Aussteuer; wenn er seine Frau überdrüssig wurde, kaufte er ihr ein kleines Haus und gab ihr einige hundert Ducaten, mit welcher Ver¬ sorgung sie zufrieden sein mußte. Die dritte Frau jedoch, sei es daß sie ihn wirklich liebte, sei es weil sie den Glanz, von dem sie umgeben, nicht missen wollte, verweigerte die Einwilligung zur Scheidung. Was diese Unglückliche zu leiden hatte, läßt sich leicht denken — aber sie blieb standhaft. Um ein Ende zu machen, ließ der Ehemann eines Tages ihre glänzenden Gemächer fu߬ hoch mit Pferdemist anfüllen, so daß sie dieselben augenblicklich verlassen und seinem Wunsche willfahren mußte. Jetzt hat er ein vornehmes Fräulein zur Gattin und seine sociale Stellung ist unverändert die frühere geblieben, weil sein Vermögen dasselbe blieb.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/350>, abgerufen am 29.06.2024.