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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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chen können; aber kaum in den Besitz von 8000 Ducaten gelangt, kamen ihm
die Russen, die Gründer seines Vermögens, in Erinnerung und er ging nach
Odessa. Er zog als Fürst in das erste Hotel und hielt zwei Equipagen, von
denen die eine ihm, die andere seiner Gattin zum ausschließlichen Gebrauch
diente. Die schöne Frau verfehlte nicht Aufsehen zu machen, die Spitzen
der' Gesellschaft suchten ihn auf, er erhielt Zutritt in die ersten Häuser -- zu
seinem Unglück auch in das adelige Casino; hier fand Janko Adam Meister
in der Kunst, gegen welche seine Praktiken nicht verschlugen, und eines Mor¬
gens hatten er und seine Frau die Stadt, in welcher sie mit zwei Karossen
eingezogen waren, zu Fuß verlassen. Er zog als armer Teufel nach Jassy, dann
nach Jsmasl, wo er von dem Almosen seiner Freunde lebte. Man verach¬
tete ihn und ließ sich mit ihm, den das Glück verlassen hatte, nicht mehr ein.
Durch Vermittelung seiner Gattin erhielt Janko Adam endlich von dem da¬
mals regierenden Fürsten Cusa ein Regierungsamt als Chef der Fremden-
Colonte in Bessarabien. Maßlos in Allem begann er hier sogleich wieder
die Rolle eines Fürsten zu spielen. Bei Jnspicirungen der Colonien befahl
er allen Männern und Weibern, ihn am Regierungsgebäude in festlichem
Aufzuge zu erwarten. Er kam in Begleitung einer Menge'geladener Per¬
sonen, Bojaren, Beamten, Offizieren u. s. w. und gefolgt von einer Musik-
bande und mehreren Wagen mit Proviant und Weinfässern. Der Huldigung
folgte ein großes Gelage, woran Fremde und Einheimische, Herren und
"Volk" theilnahmen. So zog Janko von einer Colonie zur anderen und das
dauerte wochenlang. Zur Vornahme ernster Geschäfte wurden die Colonien
bedeutet, an einem bestimmten Tage Deputationen nach Jsmasl zu ent¬
senden. Dann wurde öffentlich Gericht gehalten und Abends beim schäu¬
menden Becher gespielt. Aber dieses bequeme Amt wurde dem müßiggänge¬
rischen Spieler bald so drückend, daß er sich mit einer ansehnlichen Beute in
den Ruhestand setzen ließ. Dann speculirte er abwechselnd mit der Unbe¬
siegbarkeit seines Spielerglücks und den Reizen seiner Frau, bis diese ihn
verließ. Heute treibt er als fahrender Spieler sein Wesen; obgleich ver¬
achtet und mißhandelt, taucht er gelegentlich noch immer in der fashionablen
Gesellschaft unserer Hauptstadt auf -- nicht selten, um sich für die Schläge,
die er erhält, bezahlen zu lassen. Fragt man, wie ein solches Subject unter
anständigen Leuten geduldet werden kann, so erhält man die stereotype, echt
rumänische Antwort: "Janko Adam hat mehrere Mal im Leben entschieden
Glück gehabt und er kann es wieder haben!"




chen können; aber kaum in den Besitz von 8000 Ducaten gelangt, kamen ihm
die Russen, die Gründer seines Vermögens, in Erinnerung und er ging nach
Odessa. Er zog als Fürst in das erste Hotel und hielt zwei Equipagen, von
denen die eine ihm, die andere seiner Gattin zum ausschließlichen Gebrauch
diente. Die schöne Frau verfehlte nicht Aufsehen zu machen, die Spitzen
der' Gesellschaft suchten ihn auf, er erhielt Zutritt in die ersten Häuser — zu
seinem Unglück auch in das adelige Casino; hier fand Janko Adam Meister
in der Kunst, gegen welche seine Praktiken nicht verschlugen, und eines Mor¬
gens hatten er und seine Frau die Stadt, in welcher sie mit zwei Karossen
eingezogen waren, zu Fuß verlassen. Er zog als armer Teufel nach Jassy, dann
nach Jsmasl, wo er von dem Almosen seiner Freunde lebte. Man verach¬
tete ihn und ließ sich mit ihm, den das Glück verlassen hatte, nicht mehr ein.
Durch Vermittelung seiner Gattin erhielt Janko Adam endlich von dem da¬
mals regierenden Fürsten Cusa ein Regierungsamt als Chef der Fremden-
Colonte in Bessarabien. Maßlos in Allem begann er hier sogleich wieder
die Rolle eines Fürsten zu spielen. Bei Jnspicirungen der Colonien befahl
er allen Männern und Weibern, ihn am Regierungsgebäude in festlichem
Aufzuge zu erwarten. Er kam in Begleitung einer Menge'geladener Per¬
sonen, Bojaren, Beamten, Offizieren u. s. w. und gefolgt von einer Musik-
bande und mehreren Wagen mit Proviant und Weinfässern. Der Huldigung
folgte ein großes Gelage, woran Fremde und Einheimische, Herren und
„Volk" theilnahmen. So zog Janko von einer Colonie zur anderen und das
dauerte wochenlang. Zur Vornahme ernster Geschäfte wurden die Colonien
bedeutet, an einem bestimmten Tage Deputationen nach Jsmasl zu ent¬
senden. Dann wurde öffentlich Gericht gehalten und Abends beim schäu¬
menden Becher gespielt. Aber dieses bequeme Amt wurde dem müßiggänge¬
rischen Spieler bald so drückend, daß er sich mit einer ansehnlichen Beute in
den Ruhestand setzen ließ. Dann speculirte er abwechselnd mit der Unbe¬
siegbarkeit seines Spielerglücks und den Reizen seiner Frau, bis diese ihn
verließ. Heute treibt er als fahrender Spieler sein Wesen; obgleich ver¬
achtet und mißhandelt, taucht er gelegentlich noch immer in der fashionablen
Gesellschaft unserer Hauptstadt auf — nicht selten, um sich für die Schläge,
die er erhält, bezahlen zu lassen. Fragt man, wie ein solches Subject unter
anständigen Leuten geduldet werden kann, so erhält man die stereotype, echt
rumänische Antwort: „Janko Adam hat mehrere Mal im Leben entschieden
Glück gehabt und er kann es wieder haben!"




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/352>, abgerufen am 28.09.2024.