Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

auftreten, verkommen ihre mit Elend und Entbehrung kämpfenden Familien,
die sie kaum ein- oder zweimal im Jahre aufsuchen. Wo sie erscheinen,
treffen sie stabile oder wandernde Proletarier ihres Gewerbes an, die sich um
die Matadore sammeln und ihnen rapportiren, ob und was zu machen ist.
Diese zwei unteren Classen sind die Jäger des Gewerbes und darauf ange¬
wiesen, den großen Herren die Beute aufzusuchen. Zu der dritten Ordnung
gehören noch die Glücksspieler, denen man ihrer gesellschaftlichen Stellung,
ihres Ansehens und Vermögens wegen den Namen von Falschspielern nicht zu
geben wagt; sie haben Zutritt in die geschlossenen Gesellschaften und sie sind
es vorzugsweise, mit denen die angesehenen Bandenführer auf Theilung des
Gewinnes geheime Verträge schließen. Eine besondere Stellung nehmen noch
die vornehmen Spielbank-Entrepreneure ein, angesehene accreditirte Personen,
die in ihren eigenen Häusern Spielbanken halten und die Mittelpunkte bil¬
den, wo sich des Landes höchster Adel an nächtlichen Spieltischen ruinirt.

Einer der geachtetsten und reichsten rumänischen Staatsmänner in Bu¬
karest der zu wiederholten Malen ein Ministerportefeuille inne hatte, ist ein
solcher glücklicher Kartenspieler, der sich am grünen Tisch emporgearbeitet hat.
Er ist fortwährend der Mittelpunkt der dortigen aristokratischen Welt und
hält in seinem Hause eine offene Spielbank. Seinem Beispiele sind seitdem
viele andere Personen gefolgt und es kommt täglich vor, daß Bojaren, die
in ihrem Vermögen zurückgekommen sind, zu dem ergiebigen Auskunftsmittel
greisen, in ihren Häusern Spielbanken zu eröffnen; der Ertrag setzt sie in
den Stand, das Hauswesen wieder standesgemäß führen zu können und der
Unternehmer hat nicht einmal nöthig, sich an den Chancen des Spieles selbst
zu betheiligen. Die Spielkarten, die sehr oft des Abends gewechselt zu wer¬
den pflegen, werden hier mit Gold bezahlt und die Gewinner sind überdies
in der Regel genteel genug die Aufmerksamkeiten der Hausfrau oder die
derselben verursachten Ungelegenheiten mit einer Handvoll Ducaten all¬
abendlich zu vergelten. Da das Hazardspiel in den öffentlichen Localitäten
gesetzlich verboten ist, florirt es um so üppiger in den Privat- und Bojaren¬
häusern, welche letzteren gleichsam gefeite Orte sind. Daß das gesetzliche
Verbot die Unternehmer der Hotels, Wirthshäuser. CasM. Schenken u. f. w.
nicht hindert, ihren eigentlichen Nutzen aus dem Hazardspiele zu ziehen, wenn
nur die Dehors beobachtet werden, ist bereits oben gesagt worden.

Zu besserer Veranschaulichung der Sache will ich sie durch ein paar Bei¬
spiele illustriren.

Ein Bojarensohn aus angesehener Familie brachte sein ganzes Erbtheil
am Kartentisch durch. Seiner Liederlichkeit und Verworfenheit wegen zogen
sich Eltern, Verwandte und Freunde von ihm zurück, er gerieth ins tiefste
Elend und war schließlich angewiesen, mit dem niedrigsten Pöbel in den ge-


auftreten, verkommen ihre mit Elend und Entbehrung kämpfenden Familien,
die sie kaum ein- oder zweimal im Jahre aufsuchen. Wo sie erscheinen,
treffen sie stabile oder wandernde Proletarier ihres Gewerbes an, die sich um
die Matadore sammeln und ihnen rapportiren, ob und was zu machen ist.
Diese zwei unteren Classen sind die Jäger des Gewerbes und darauf ange¬
wiesen, den großen Herren die Beute aufzusuchen. Zu der dritten Ordnung
gehören noch die Glücksspieler, denen man ihrer gesellschaftlichen Stellung,
ihres Ansehens und Vermögens wegen den Namen von Falschspielern nicht zu
geben wagt; sie haben Zutritt in die geschlossenen Gesellschaften und sie sind
es vorzugsweise, mit denen die angesehenen Bandenführer auf Theilung des
Gewinnes geheime Verträge schließen. Eine besondere Stellung nehmen noch
die vornehmen Spielbank-Entrepreneure ein, angesehene accreditirte Personen,
die in ihren eigenen Häusern Spielbanken halten und die Mittelpunkte bil¬
den, wo sich des Landes höchster Adel an nächtlichen Spieltischen ruinirt.

Einer der geachtetsten und reichsten rumänischen Staatsmänner in Bu¬
karest der zu wiederholten Malen ein Ministerportefeuille inne hatte, ist ein
solcher glücklicher Kartenspieler, der sich am grünen Tisch emporgearbeitet hat.
Er ist fortwährend der Mittelpunkt der dortigen aristokratischen Welt und
hält in seinem Hause eine offene Spielbank. Seinem Beispiele sind seitdem
viele andere Personen gefolgt und es kommt täglich vor, daß Bojaren, die
in ihrem Vermögen zurückgekommen sind, zu dem ergiebigen Auskunftsmittel
greisen, in ihren Häusern Spielbanken zu eröffnen; der Ertrag setzt sie in
den Stand, das Hauswesen wieder standesgemäß führen zu können und der
Unternehmer hat nicht einmal nöthig, sich an den Chancen des Spieles selbst
zu betheiligen. Die Spielkarten, die sehr oft des Abends gewechselt zu wer¬
den pflegen, werden hier mit Gold bezahlt und die Gewinner sind überdies
in der Regel genteel genug die Aufmerksamkeiten der Hausfrau oder die
derselben verursachten Ungelegenheiten mit einer Handvoll Ducaten all¬
abendlich zu vergelten. Da das Hazardspiel in den öffentlichen Localitäten
gesetzlich verboten ist, florirt es um so üppiger in den Privat- und Bojaren¬
häusern, welche letzteren gleichsam gefeite Orte sind. Daß das gesetzliche
Verbot die Unternehmer der Hotels, Wirthshäuser. CasM. Schenken u. f. w.
nicht hindert, ihren eigentlichen Nutzen aus dem Hazardspiele zu ziehen, wenn
nur die Dehors beobachtet werden, ist bereits oben gesagt worden.

Zu besserer Veranschaulichung der Sache will ich sie durch ein paar Bei¬
spiele illustriren.

Ein Bojarensohn aus angesehener Familie brachte sein ganzes Erbtheil
am Kartentisch durch. Seiner Liederlichkeit und Verworfenheit wegen zogen
sich Eltern, Verwandte und Freunde von ihm zurück, er gerieth ins tiefste
Elend und war schließlich angewiesen, mit dem niedrigsten Pöbel in den ge-


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0349" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/123437"/>
          <p xml:id="ID_965" prev="#ID_964"> auftreten, verkommen ihre mit Elend und Entbehrung kämpfenden Familien,<lb/>
die sie kaum ein- oder zweimal im Jahre aufsuchen. Wo sie erscheinen,<lb/>
treffen sie stabile oder wandernde Proletarier ihres Gewerbes an, die sich um<lb/>
die Matadore sammeln und ihnen rapportiren, ob und was zu machen ist.<lb/>
Diese zwei unteren Classen sind die Jäger des Gewerbes und darauf ange¬<lb/>
wiesen, den großen Herren die Beute aufzusuchen. Zu der dritten Ordnung<lb/>
gehören noch die Glücksspieler, denen man ihrer gesellschaftlichen Stellung,<lb/>
ihres Ansehens und Vermögens wegen den Namen von Falschspielern nicht zu<lb/>
geben wagt; sie haben Zutritt in die geschlossenen Gesellschaften und sie sind<lb/>
es vorzugsweise, mit denen die angesehenen Bandenführer auf Theilung des<lb/>
Gewinnes geheime Verträge schließen. Eine besondere Stellung nehmen noch<lb/>
die vornehmen Spielbank-Entrepreneure ein, angesehene accreditirte Personen,<lb/>
die in ihren eigenen Häusern Spielbanken halten und die Mittelpunkte bil¬<lb/>
den, wo sich des Landes höchster Adel an nächtlichen Spieltischen ruinirt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_966"> Einer der geachtetsten und reichsten rumänischen Staatsmänner in Bu¬<lb/>
karest der zu wiederholten Malen ein Ministerportefeuille inne hatte, ist ein<lb/>
solcher glücklicher Kartenspieler, der sich am grünen Tisch emporgearbeitet hat.<lb/>
Er ist fortwährend der Mittelpunkt der dortigen aristokratischen Welt und<lb/>
hält in seinem Hause eine offene Spielbank. Seinem Beispiele sind seitdem<lb/>
viele andere Personen gefolgt und es kommt täglich vor, daß Bojaren, die<lb/>
in ihrem Vermögen zurückgekommen sind, zu dem ergiebigen Auskunftsmittel<lb/>
greisen, in ihren Häusern Spielbanken zu eröffnen; der Ertrag setzt sie in<lb/>
den Stand, das Hauswesen wieder standesgemäß führen zu können und der<lb/>
Unternehmer hat nicht einmal nöthig, sich an den Chancen des Spieles selbst<lb/>
zu betheiligen. Die Spielkarten, die sehr oft des Abends gewechselt zu wer¬<lb/>
den pflegen, werden hier mit Gold bezahlt und die Gewinner sind überdies<lb/>
in der Regel genteel genug die Aufmerksamkeiten der Hausfrau oder die<lb/>
derselben verursachten Ungelegenheiten mit einer Handvoll Ducaten all¬<lb/>
abendlich zu vergelten. Da das Hazardspiel in den öffentlichen Localitäten<lb/>
gesetzlich verboten ist, florirt es um so üppiger in den Privat- und Bojaren¬<lb/>
häusern, welche letzteren gleichsam gefeite Orte sind. Daß das gesetzliche<lb/>
Verbot die Unternehmer der Hotels, Wirthshäuser. CasM. Schenken u. f. w.<lb/>
nicht hindert, ihren eigentlichen Nutzen aus dem Hazardspiele zu ziehen, wenn<lb/>
nur die Dehors beobachtet werden, ist bereits oben gesagt worden.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_967"> Zu besserer Veranschaulichung der Sache will ich sie durch ein paar Bei¬<lb/>
spiele illustriren.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_968" next="#ID_969"> Ein Bojarensohn aus angesehener Familie brachte sein ganzes Erbtheil<lb/>
am Kartentisch durch. Seiner Liederlichkeit und Verworfenheit wegen zogen<lb/>
sich Eltern, Verwandte und Freunde von ihm zurück, er gerieth ins tiefste<lb/>
Elend und war schließlich angewiesen, mit dem niedrigsten Pöbel in den ge-</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0349] auftreten, verkommen ihre mit Elend und Entbehrung kämpfenden Familien, die sie kaum ein- oder zweimal im Jahre aufsuchen. Wo sie erscheinen, treffen sie stabile oder wandernde Proletarier ihres Gewerbes an, die sich um die Matadore sammeln und ihnen rapportiren, ob und was zu machen ist. Diese zwei unteren Classen sind die Jäger des Gewerbes und darauf ange¬ wiesen, den großen Herren die Beute aufzusuchen. Zu der dritten Ordnung gehören noch die Glücksspieler, denen man ihrer gesellschaftlichen Stellung, ihres Ansehens und Vermögens wegen den Namen von Falschspielern nicht zu geben wagt; sie haben Zutritt in die geschlossenen Gesellschaften und sie sind es vorzugsweise, mit denen die angesehenen Bandenführer auf Theilung des Gewinnes geheime Verträge schließen. Eine besondere Stellung nehmen noch die vornehmen Spielbank-Entrepreneure ein, angesehene accreditirte Personen, die in ihren eigenen Häusern Spielbanken halten und die Mittelpunkte bil¬ den, wo sich des Landes höchster Adel an nächtlichen Spieltischen ruinirt. Einer der geachtetsten und reichsten rumänischen Staatsmänner in Bu¬ karest der zu wiederholten Malen ein Ministerportefeuille inne hatte, ist ein solcher glücklicher Kartenspieler, der sich am grünen Tisch emporgearbeitet hat. Er ist fortwährend der Mittelpunkt der dortigen aristokratischen Welt und hält in seinem Hause eine offene Spielbank. Seinem Beispiele sind seitdem viele andere Personen gefolgt und es kommt täglich vor, daß Bojaren, die in ihrem Vermögen zurückgekommen sind, zu dem ergiebigen Auskunftsmittel greisen, in ihren Häusern Spielbanken zu eröffnen; der Ertrag setzt sie in den Stand, das Hauswesen wieder standesgemäß führen zu können und der Unternehmer hat nicht einmal nöthig, sich an den Chancen des Spieles selbst zu betheiligen. Die Spielkarten, die sehr oft des Abends gewechselt zu wer¬ den pflegen, werden hier mit Gold bezahlt und die Gewinner sind überdies in der Regel genteel genug die Aufmerksamkeiten der Hausfrau oder die derselben verursachten Ungelegenheiten mit einer Handvoll Ducaten all¬ abendlich zu vergelten. Da das Hazardspiel in den öffentlichen Localitäten gesetzlich verboten ist, florirt es um so üppiger in den Privat- und Bojaren¬ häusern, welche letzteren gleichsam gefeite Orte sind. Daß das gesetzliche Verbot die Unternehmer der Hotels, Wirthshäuser. CasM. Schenken u. f. w. nicht hindert, ihren eigentlichen Nutzen aus dem Hazardspiele zu ziehen, wenn nur die Dehors beobachtet werden, ist bereits oben gesagt worden. Zu besserer Veranschaulichung der Sache will ich sie durch ein paar Bei¬ spiele illustriren. Ein Bojarensohn aus angesehener Familie brachte sein ganzes Erbtheil am Kartentisch durch. Seiner Liederlichkeit und Verworfenheit wegen zogen sich Eltern, Verwandte und Freunde von ihm zurück, er gerieth ins tiefste Elend und war schließlich angewiesen, mit dem niedrigsten Pöbel in den ge-

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/349
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/349>, abgerufen am 29.06.2024.