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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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gewaltigen Zornes aus die süddeutsche Staatenwirthschaft aus, auf die
Königsthrone von Bayern und Würtemberg. Solange deutscher Muth in
deutschen Herzen noch nicht ausgestorben ist, wird allezeit das, was unser
Autor gegen die faulen Auswüchse des deutschen Particularismus, vordem
gegen die dynastischen Ansprüche der Welsen, Oranier, jetzt der Wittels-
bacher und Nesenbacher geschrieben hat, zu den besten und denkwürdig¬
sten Blättern unserer politischen Literatur gehören. -- "Mag sich der nord¬
deutsche Bund nach amerikanischem oder russischem Muster oder auf gut
preußisch ausbilden -- die Stimmung im Süden wird sich deshalb nicht
ändern" . . . "Im December 1866 schrieb ein Wann, der den Süden kannte
und liebte traurig: Bei Euch im Norden hilft das Wort, bei uns nur
der Schlag!" Was damals den Meisten als eine schwarzsichtige Grille
erschien, das wird heute von einer starken Schaar süddeutscher Patrioten mit
wachsender Sorge nachgesprochen . . . Gewiß! die Dinge im Süden sind
noch nicht reif für den Einheitsstaat; aber auch auf eine allmcilige friedliche
Annäherung kann nur der Gedankenlose hoffen. Niemand im Süden glaubt
im vollen Ernst an die Lebenskraft der souveränen Königskronen; doch von
dem Muth und Einmuth, der die unhaltbare Lage beenden könnte, ist wenig
zu spüren. In solchem Zustande scheint nur eines sicher: die Vollendung
des deutschen Staates wird schwerere Opfer fordern als der liberale Leicht¬
sinn zugibt, und darum, nochmals, bedürfen wir einer starken Krone."

Möge diese geharnischte Rede eines des beredtesten und mannhaftesten
unserer Publicisten eine gute Stätte finden bei all' denen, denen das deutsche
Vaterland als das höchste der irdischen Güter gilt! Sie ist nicht dazu ange¬
than, eine neue Partei zu bilden, oder auch nur eine der alten Parteien mit
frischem Geist zu verjüngen. Wir sind seit dem Jahre 1848 in unserem Partei¬
wesen trotz alles Reichthums an jungen Talenten und aller parlamentarischen
Uebung nicht verhältnißmäßig reich geworden an politischem Charakter und
politischem Ideengehalt; ja die Verflachung ist in beiden Stücken allgemach so
groß geworden, daß der Liberalismus sich dem Andrängen eines willenskräfti-
gen, mit charaktervoller Bestimmtheit auftretenden, selbstgedachten Werks gegen¬
über lieber die Ohren verschließt, als sich auf eine Discussion einläßt. Aber
außerhalb dieser parlamentarisch eingeengten Parteien gibt es in unserem
Volke immer noch unabhängige Köpfe und muthige Patrioten genug, denen
es herzliche Freude und geistige Erquickung ist, ein entschlossenes Wort über
die öffentlichen Dinge unserer Nation zu vernehmen. Und gerade die Ge¬
sinnung und Anschauungsweise, die nicht auf Kritischem Rationalismus,
sondern auf geschlossenem, hochherzigen patriotischen Willen fußende Me¬
thode der Betrachtung, wie sie der vorliegende Aussatz zur hellen Erschei¬
nung bringt, thut uns sehr Noth. Wenn auch nur bei einer geringen


gewaltigen Zornes aus die süddeutsche Staatenwirthschaft aus, auf die
Königsthrone von Bayern und Würtemberg. Solange deutscher Muth in
deutschen Herzen noch nicht ausgestorben ist, wird allezeit das, was unser
Autor gegen die faulen Auswüchse des deutschen Particularismus, vordem
gegen die dynastischen Ansprüche der Welsen, Oranier, jetzt der Wittels-
bacher und Nesenbacher geschrieben hat, zu den besten und denkwürdig¬
sten Blättern unserer politischen Literatur gehören. — „Mag sich der nord¬
deutsche Bund nach amerikanischem oder russischem Muster oder auf gut
preußisch ausbilden — die Stimmung im Süden wird sich deshalb nicht
ändern" . . . „Im December 1866 schrieb ein Wann, der den Süden kannte
und liebte traurig: Bei Euch im Norden hilft das Wort, bei uns nur
der Schlag!" Was damals den Meisten als eine schwarzsichtige Grille
erschien, das wird heute von einer starken Schaar süddeutscher Patrioten mit
wachsender Sorge nachgesprochen . . . Gewiß! die Dinge im Süden sind
noch nicht reif für den Einheitsstaat; aber auch auf eine allmcilige friedliche
Annäherung kann nur der Gedankenlose hoffen. Niemand im Süden glaubt
im vollen Ernst an die Lebenskraft der souveränen Königskronen; doch von
dem Muth und Einmuth, der die unhaltbare Lage beenden könnte, ist wenig
zu spüren. In solchem Zustande scheint nur eines sicher: die Vollendung
des deutschen Staates wird schwerere Opfer fordern als der liberale Leicht¬
sinn zugibt, und darum, nochmals, bedürfen wir einer starken Krone."

Möge diese geharnischte Rede eines des beredtesten und mannhaftesten
unserer Publicisten eine gute Stätte finden bei all' denen, denen das deutsche
Vaterland als das höchste der irdischen Güter gilt! Sie ist nicht dazu ange¬
than, eine neue Partei zu bilden, oder auch nur eine der alten Parteien mit
frischem Geist zu verjüngen. Wir sind seit dem Jahre 1848 in unserem Partei¬
wesen trotz alles Reichthums an jungen Talenten und aller parlamentarischen
Uebung nicht verhältnißmäßig reich geworden an politischem Charakter und
politischem Ideengehalt; ja die Verflachung ist in beiden Stücken allgemach so
groß geworden, daß der Liberalismus sich dem Andrängen eines willenskräfti-
gen, mit charaktervoller Bestimmtheit auftretenden, selbstgedachten Werks gegen¬
über lieber die Ohren verschließt, als sich auf eine Discussion einläßt. Aber
außerhalb dieser parlamentarisch eingeengten Parteien gibt es in unserem
Volke immer noch unabhängige Köpfe und muthige Patrioten genug, denen
es herzliche Freude und geistige Erquickung ist, ein entschlossenes Wort über
die öffentlichen Dinge unserer Nation zu vernehmen. Und gerade die Ge¬
sinnung und Anschauungsweise, die nicht auf Kritischem Rationalismus,
sondern auf geschlossenem, hochherzigen patriotischen Willen fußende Me¬
thode der Betrachtung, wie sie der vorliegende Aussatz zur hellen Erschei¬
nung bringt, thut uns sehr Noth. Wenn auch nur bei einer geringen


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[0338] gewaltigen Zornes aus die süddeutsche Staatenwirthschaft aus, auf die Königsthrone von Bayern und Würtemberg. Solange deutscher Muth in deutschen Herzen noch nicht ausgestorben ist, wird allezeit das, was unser Autor gegen die faulen Auswüchse des deutschen Particularismus, vordem gegen die dynastischen Ansprüche der Welsen, Oranier, jetzt der Wittels- bacher und Nesenbacher geschrieben hat, zu den besten und denkwürdig¬ sten Blättern unserer politischen Literatur gehören. — „Mag sich der nord¬ deutsche Bund nach amerikanischem oder russischem Muster oder auf gut preußisch ausbilden — die Stimmung im Süden wird sich deshalb nicht ändern" . . . „Im December 1866 schrieb ein Wann, der den Süden kannte und liebte traurig: Bei Euch im Norden hilft das Wort, bei uns nur der Schlag!" Was damals den Meisten als eine schwarzsichtige Grille erschien, das wird heute von einer starken Schaar süddeutscher Patrioten mit wachsender Sorge nachgesprochen . . . Gewiß! die Dinge im Süden sind noch nicht reif für den Einheitsstaat; aber auch auf eine allmcilige friedliche Annäherung kann nur der Gedankenlose hoffen. Niemand im Süden glaubt im vollen Ernst an die Lebenskraft der souveränen Königskronen; doch von dem Muth und Einmuth, der die unhaltbare Lage beenden könnte, ist wenig zu spüren. In solchem Zustande scheint nur eines sicher: die Vollendung des deutschen Staates wird schwerere Opfer fordern als der liberale Leicht¬ sinn zugibt, und darum, nochmals, bedürfen wir einer starken Krone." Möge diese geharnischte Rede eines des beredtesten und mannhaftesten unserer Publicisten eine gute Stätte finden bei all' denen, denen das deutsche Vaterland als das höchste der irdischen Güter gilt! Sie ist nicht dazu ange¬ than, eine neue Partei zu bilden, oder auch nur eine der alten Parteien mit frischem Geist zu verjüngen. Wir sind seit dem Jahre 1848 in unserem Partei¬ wesen trotz alles Reichthums an jungen Talenten und aller parlamentarischen Uebung nicht verhältnißmäßig reich geworden an politischem Charakter und politischem Ideengehalt; ja die Verflachung ist in beiden Stücken allgemach so groß geworden, daß der Liberalismus sich dem Andrängen eines willenskräfti- gen, mit charaktervoller Bestimmtheit auftretenden, selbstgedachten Werks gegen¬ über lieber die Ohren verschließt, als sich auf eine Discussion einläßt. Aber außerhalb dieser parlamentarisch eingeengten Parteien gibt es in unserem Volke immer noch unabhängige Köpfe und muthige Patrioten genug, denen es herzliche Freude und geistige Erquickung ist, ein entschlossenes Wort über die öffentlichen Dinge unserer Nation zu vernehmen. Und gerade die Ge¬ sinnung und Anschauungsweise, die nicht auf Kritischem Rationalismus, sondern auf geschlossenem, hochherzigen patriotischen Willen fußende Me¬ thode der Betrachtung, wie sie der vorliegende Aussatz zur hellen Erschei¬ nung bringt, thut uns sehr Noth. Wenn auch nur bei einer geringen

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/338>, abgerufen am 29.06.2024.