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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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casse des Fürsten genommen werden. Anders steht die Sache, wenn Gelder, die
principaliter zu öffentlichen Zwecken bestimmt sind, zu Gunsten Privater ver¬
wandt werden und dann die Steuerkraft des Landes in Anspruch genommen
wird, um den Ausfall zu decken. Kurz vor der Vertagung des Landtages
gab der Gutsbesitzer PoggePölitz den inzwischen unter dem Titel des "Pogge-
schen Dictamens" bekannt gewordenen Vortrag zum Landtagsprotocoll, durch
den er eine eingehendere Prüfung der Frage herbeizuführen suchte, ob die
je>tzt vom Lande geforderten Steuern wirklich im bezeichneten Betrage durch
das Bedürfniß der landesherrlichen Cassen gerechtfertigt seien? So lange diese
Cassen noch im Stande seien, Tausende und aber Tausende zu verausgaben, um
Geldverlegenheiten Einzelner zu beseitigen und diese Tausende ^ tonäs xerüus
-- bedrängten Rittern vorzustrecken, könne er ein solches Bedürfniß nicht
anerkennen. Dieser Ausspruch rief einen Sturm der Entrüstung im conser-
vativen Lagen hervor. Der Landtag entledigte sich des Dictamens, indem er
dasselbe wegen anstößigen Inhalts dem Herrn Pogge drsvi ma.nu retradirte.
Die mecklenburgischen Anzeigen konnten zwar das von Pogge behauptete
Factum der Verwendung fürstlicher Gelder zu dem angegebenen Zwecke nicht
in Abrede nehmen, suchten solche Verwendung aber zu beschönigen und den
ehrenwerthen Mann Lügen zu strafen, indem sie eine staatsrechtliche Theorie
entwickelten, die an Absurdität ihres Gleichen sucht.

Das Blatt der Regierung argumentire folgendermaßen: das mecklen¬
burgische Domanium ist nach Allerhöchster Bestimmung zwiefacher Qualität;
während die Einkünfte des größeren Theils, des sogenannten Dominiums,
im engeren Sinne bestimmt sind, zu staatlichen Zwecken verwandt zu werden,
speisen die aus dem sogenannten Hausgut fließenden Gelder die großherzog¬
liche Privatchatouille; was aus letzterer an Private gezahlt wird, geht keinen
Menschen, also auch Herrn Pogge nichts an, und da die von ihm gerügten
Unterstützungen einzelner Gutsbesitzer allein aus den Einkünften besagten
Hausguts gewährt seien, habe er Unrecht, zu behaupten, landesherrliche Gel¬
der hätten hierzu herhalten müssen. Vergeblich hat die gesammte liberale
Presse Mecklenburgs dargestellt, daß es in Mecklenburg keinerlei rechtlichen
Unterschied zwischen Domanium und Hausgut gebe; wenn ca. 80 Domanial-
höfe als Hausgut bezeichnet und verwaltet würden, so sei das eine willkürlich
geschaffene und ebenso willkürlich zu beseitigende Trennung. Der Großherzog
habe zwar im Uebrigen unbeschränkte Dispositionsbefugniß über die Erträge
beider Gutscomplexe -- die auch seine Regierung noch in jüngster Zeit in
unzweideutigster Weise in Anspruch nahm, als es sich auf dem Landtage um
die Frage der Belastung des Domaniums durch Ausgabe der vielbesproche¬
nen Rentereischeine handelte -- aber nach Landesgrundgesetz seien die Ein-


casse des Fürsten genommen werden. Anders steht die Sache, wenn Gelder, die
principaliter zu öffentlichen Zwecken bestimmt sind, zu Gunsten Privater ver¬
wandt werden und dann die Steuerkraft des Landes in Anspruch genommen
wird, um den Ausfall zu decken. Kurz vor der Vertagung des Landtages
gab der Gutsbesitzer PoggePölitz den inzwischen unter dem Titel des „Pogge-
schen Dictamens" bekannt gewordenen Vortrag zum Landtagsprotocoll, durch
den er eine eingehendere Prüfung der Frage herbeizuführen suchte, ob die
je>tzt vom Lande geforderten Steuern wirklich im bezeichneten Betrage durch
das Bedürfniß der landesherrlichen Cassen gerechtfertigt seien? So lange diese
Cassen noch im Stande seien, Tausende und aber Tausende zu verausgaben, um
Geldverlegenheiten Einzelner zu beseitigen und diese Tausende ^ tonäs xerüus
— bedrängten Rittern vorzustrecken, könne er ein solches Bedürfniß nicht
anerkennen. Dieser Ausspruch rief einen Sturm der Entrüstung im conser-
vativen Lagen hervor. Der Landtag entledigte sich des Dictamens, indem er
dasselbe wegen anstößigen Inhalts dem Herrn Pogge drsvi ma.nu retradirte.
Die mecklenburgischen Anzeigen konnten zwar das von Pogge behauptete
Factum der Verwendung fürstlicher Gelder zu dem angegebenen Zwecke nicht
in Abrede nehmen, suchten solche Verwendung aber zu beschönigen und den
ehrenwerthen Mann Lügen zu strafen, indem sie eine staatsrechtliche Theorie
entwickelten, die an Absurdität ihres Gleichen sucht.

Das Blatt der Regierung argumentire folgendermaßen: das mecklen¬
burgische Domanium ist nach Allerhöchster Bestimmung zwiefacher Qualität;
während die Einkünfte des größeren Theils, des sogenannten Dominiums,
im engeren Sinne bestimmt sind, zu staatlichen Zwecken verwandt zu werden,
speisen die aus dem sogenannten Hausgut fließenden Gelder die großherzog¬
liche Privatchatouille; was aus letzterer an Private gezahlt wird, geht keinen
Menschen, also auch Herrn Pogge nichts an, und da die von ihm gerügten
Unterstützungen einzelner Gutsbesitzer allein aus den Einkünften besagten
Hausguts gewährt seien, habe er Unrecht, zu behaupten, landesherrliche Gel¬
der hätten hierzu herhalten müssen. Vergeblich hat die gesammte liberale
Presse Mecklenburgs dargestellt, daß es in Mecklenburg keinerlei rechtlichen
Unterschied zwischen Domanium und Hausgut gebe; wenn ca. 80 Domanial-
höfe als Hausgut bezeichnet und verwaltet würden, so sei das eine willkürlich
geschaffene und ebenso willkürlich zu beseitigende Trennung. Der Großherzog
habe zwar im Uebrigen unbeschränkte Dispositionsbefugniß über die Erträge
beider Gutscomplexe — die auch seine Regierung noch in jüngster Zeit in
unzweideutigster Weise in Anspruch nahm, als es sich auf dem Landtage um
die Frage der Belastung des Domaniums durch Ausgabe der vielbesproche¬
nen Rentereischeine handelte — aber nach Landesgrundgesetz seien die Ein-


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[0324] casse des Fürsten genommen werden. Anders steht die Sache, wenn Gelder, die principaliter zu öffentlichen Zwecken bestimmt sind, zu Gunsten Privater ver¬ wandt werden und dann die Steuerkraft des Landes in Anspruch genommen wird, um den Ausfall zu decken. Kurz vor der Vertagung des Landtages gab der Gutsbesitzer PoggePölitz den inzwischen unter dem Titel des „Pogge- schen Dictamens" bekannt gewordenen Vortrag zum Landtagsprotocoll, durch den er eine eingehendere Prüfung der Frage herbeizuführen suchte, ob die je>tzt vom Lande geforderten Steuern wirklich im bezeichneten Betrage durch das Bedürfniß der landesherrlichen Cassen gerechtfertigt seien? So lange diese Cassen noch im Stande seien, Tausende und aber Tausende zu verausgaben, um Geldverlegenheiten Einzelner zu beseitigen und diese Tausende ^ tonäs xerüus — bedrängten Rittern vorzustrecken, könne er ein solches Bedürfniß nicht anerkennen. Dieser Ausspruch rief einen Sturm der Entrüstung im conser- vativen Lagen hervor. Der Landtag entledigte sich des Dictamens, indem er dasselbe wegen anstößigen Inhalts dem Herrn Pogge drsvi ma.nu retradirte. Die mecklenburgischen Anzeigen konnten zwar das von Pogge behauptete Factum der Verwendung fürstlicher Gelder zu dem angegebenen Zwecke nicht in Abrede nehmen, suchten solche Verwendung aber zu beschönigen und den ehrenwerthen Mann Lügen zu strafen, indem sie eine staatsrechtliche Theorie entwickelten, die an Absurdität ihres Gleichen sucht. Das Blatt der Regierung argumentire folgendermaßen: das mecklen¬ burgische Domanium ist nach Allerhöchster Bestimmung zwiefacher Qualität; während die Einkünfte des größeren Theils, des sogenannten Dominiums, im engeren Sinne bestimmt sind, zu staatlichen Zwecken verwandt zu werden, speisen die aus dem sogenannten Hausgut fließenden Gelder die großherzog¬ liche Privatchatouille; was aus letzterer an Private gezahlt wird, geht keinen Menschen, also auch Herrn Pogge nichts an, und da die von ihm gerügten Unterstützungen einzelner Gutsbesitzer allein aus den Einkünften besagten Hausguts gewährt seien, habe er Unrecht, zu behaupten, landesherrliche Gel¬ der hätten hierzu herhalten müssen. Vergeblich hat die gesammte liberale Presse Mecklenburgs dargestellt, daß es in Mecklenburg keinerlei rechtlichen Unterschied zwischen Domanium und Hausgut gebe; wenn ca. 80 Domanial- höfe als Hausgut bezeichnet und verwaltet würden, so sei das eine willkürlich geschaffene und ebenso willkürlich zu beseitigende Trennung. Der Großherzog habe zwar im Uebrigen unbeschränkte Dispositionsbefugniß über die Erträge beider Gutscomplexe — die auch seine Regierung noch in jüngster Zeit in unzweideutigster Weise in Anspruch nahm, als es sich auf dem Landtage um die Frage der Belastung des Domaniums durch Ausgabe der vielbesproche¬ nen Rentereischeine handelte — aber nach Landesgrundgesetz seien die Ein-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/324>, abgerufen am 29.06.2024.