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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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fast unnütz; mit Erfolg werden sie hier nur angewendet werden können, wenn
es einmal gelingt, die feindliche Artillerie im Auffahren zu überraschen, --
da allerdings würde ihr Feuer vernichtend sein.

Mit einigem Nutzen könnte diese Waffe auch der Cavallerie beigegeben
werden, bet Recognoscirungen und Umgehungen; der Feind würde dann leichter
zur Entfaltung seiner Strejtkräste gezwungen werden. Es fragt sich aber, ob
es nicht noch vortheilhafter wäre, hier reitende, gezogene Artillerie anzuwen¬
den, statt der blos defensiven Revolvergeschütze. Höchst brauchbar erscheinen
die neuen Geschütze dagegen im Festungskriege, wo sie gedeckt stehen,
wegen des geringen Rücklaufes vielen Raum ersparen, wenig Rauch ent¬
wickeln, nur geringe Erschütterungen der Gewölbe verursachen, wenig Bedie¬
nung gebrauchen und gegen Überraschungen gesichert, entschieden mehr leisten,
als die bisher angewandten glatten Geschütze mit ihrem Kartätschfeuer.
Besonders klar tritt die mächtige Kartätschwirkung der Jnfanteriekanonen
zu Tage, wo es sich um Grabenvertheidigung auf 6--800 Schritt handelt;
ebenso beim Beschießen des Terrains längs der Capitälen des Werkes, zum
Abweisen der Sturmcolonnen und Vertreiben der in den Parallelen beschäf¬
tigten Arbeiter u. s. w.

Andrerseits wird auch der Angreifer Vortheile aus dieser Art von Ge¬
schützen ziehen können, z. B. gegen Ausfälle aus der Festung; zur Vorberei¬
tung eines Angriffs; zur Verhinderung der Wiederherstellung zerstörter Werke.

Im See- und Küstenkriege erscheinen sie verwendbar gegen Lan¬
dungsboote und bereits gekantete Truppen; zur Säuberung des Decks feind¬
licher Schiffe, zur Fmcirung von Hafeneingängen, und endlich um Batterien
zu passiren. Auch da sind sie anwendbar, wo der Raum so beengt ist, daß
viele Gewehre nicht in Thätigkeit gesetzt werden können, also bet Aufruhr
und Tumulten, in engen Straßen, usurpirter Städten u. s. w.

Ist nun die Einführung dieser Maschinen vortheilhaft, da die Anwen¬
dung eine nur bedingte ist?

Die Ansicht des Verfassers geht dahin, daß die neue Waffe Bedeuten¬
des leistet, aber Infanterie- und Artilleriefeuer niemals ersetzen kann. Jede
Armee mag Vortheil von ihr ziehen, wenn die Beweglichkeit noch erhöht
und eine angemessene, gehörig beschränkte und wohlbedachte Verwendung
erprobt ist. Der nächste Krieg wird zeigen, ob diese Erfindung eine Zu¬
kunft hat, oder ob sie nur eine ephemere Erscheinung gewesen ist. Ob
aber der Mitrailleur dem Gatling vorzuziehen sei, können schwerlich die
Friedensversuche entscheiden, da bei denselben vor jedem Schusse die sorg¬
fältigste Reinigung, Justtrung, Oelung vorgenommen wird.

Holland, Rußland. Italien und die Schweiz neigen sich dem Mitrailleur
zu. Definitiv eingeführt ist er in Frankreich und Nußland (tü Batterien). --


fast unnütz; mit Erfolg werden sie hier nur angewendet werden können, wenn
es einmal gelingt, die feindliche Artillerie im Auffahren zu überraschen, —
da allerdings würde ihr Feuer vernichtend sein.

Mit einigem Nutzen könnte diese Waffe auch der Cavallerie beigegeben
werden, bet Recognoscirungen und Umgehungen; der Feind würde dann leichter
zur Entfaltung seiner Strejtkräste gezwungen werden. Es fragt sich aber, ob
es nicht noch vortheilhafter wäre, hier reitende, gezogene Artillerie anzuwen¬
den, statt der blos defensiven Revolvergeschütze. Höchst brauchbar erscheinen
die neuen Geschütze dagegen im Festungskriege, wo sie gedeckt stehen,
wegen des geringen Rücklaufes vielen Raum ersparen, wenig Rauch ent¬
wickeln, nur geringe Erschütterungen der Gewölbe verursachen, wenig Bedie¬
nung gebrauchen und gegen Überraschungen gesichert, entschieden mehr leisten,
als die bisher angewandten glatten Geschütze mit ihrem Kartätschfeuer.
Besonders klar tritt die mächtige Kartätschwirkung der Jnfanteriekanonen
zu Tage, wo es sich um Grabenvertheidigung auf 6—800 Schritt handelt;
ebenso beim Beschießen des Terrains längs der Capitälen des Werkes, zum
Abweisen der Sturmcolonnen und Vertreiben der in den Parallelen beschäf¬
tigten Arbeiter u. s. w.

Andrerseits wird auch der Angreifer Vortheile aus dieser Art von Ge¬
schützen ziehen können, z. B. gegen Ausfälle aus der Festung; zur Vorberei¬
tung eines Angriffs; zur Verhinderung der Wiederherstellung zerstörter Werke.

Im See- und Küstenkriege erscheinen sie verwendbar gegen Lan¬
dungsboote und bereits gekantete Truppen; zur Säuberung des Decks feind¬
licher Schiffe, zur Fmcirung von Hafeneingängen, und endlich um Batterien
zu passiren. Auch da sind sie anwendbar, wo der Raum so beengt ist, daß
viele Gewehre nicht in Thätigkeit gesetzt werden können, also bet Aufruhr
und Tumulten, in engen Straßen, usurpirter Städten u. s. w.

Ist nun die Einführung dieser Maschinen vortheilhaft, da die Anwen¬
dung eine nur bedingte ist?

Die Ansicht des Verfassers geht dahin, daß die neue Waffe Bedeuten¬
des leistet, aber Infanterie- und Artilleriefeuer niemals ersetzen kann. Jede
Armee mag Vortheil von ihr ziehen, wenn die Beweglichkeit noch erhöht
und eine angemessene, gehörig beschränkte und wohlbedachte Verwendung
erprobt ist. Der nächste Krieg wird zeigen, ob diese Erfindung eine Zu¬
kunft hat, oder ob sie nur eine ephemere Erscheinung gewesen ist. Ob
aber der Mitrailleur dem Gatling vorzuziehen sei, können schwerlich die
Friedensversuche entscheiden, da bei denselben vor jedem Schusse die sorg¬
fältigste Reinigung, Justtrung, Oelung vorgenommen wird.

Holland, Rußland. Italien und die Schweiz neigen sich dem Mitrailleur
zu. Definitiv eingeführt ist er in Frankreich und Nußland (tü Batterien). —


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[0310] fast unnütz; mit Erfolg werden sie hier nur angewendet werden können, wenn es einmal gelingt, die feindliche Artillerie im Auffahren zu überraschen, — da allerdings würde ihr Feuer vernichtend sein. Mit einigem Nutzen könnte diese Waffe auch der Cavallerie beigegeben werden, bet Recognoscirungen und Umgehungen; der Feind würde dann leichter zur Entfaltung seiner Strejtkräste gezwungen werden. Es fragt sich aber, ob es nicht noch vortheilhafter wäre, hier reitende, gezogene Artillerie anzuwen¬ den, statt der blos defensiven Revolvergeschütze. Höchst brauchbar erscheinen die neuen Geschütze dagegen im Festungskriege, wo sie gedeckt stehen, wegen des geringen Rücklaufes vielen Raum ersparen, wenig Rauch ent¬ wickeln, nur geringe Erschütterungen der Gewölbe verursachen, wenig Bedie¬ nung gebrauchen und gegen Überraschungen gesichert, entschieden mehr leisten, als die bisher angewandten glatten Geschütze mit ihrem Kartätschfeuer. Besonders klar tritt die mächtige Kartätschwirkung der Jnfanteriekanonen zu Tage, wo es sich um Grabenvertheidigung auf 6—800 Schritt handelt; ebenso beim Beschießen des Terrains längs der Capitälen des Werkes, zum Abweisen der Sturmcolonnen und Vertreiben der in den Parallelen beschäf¬ tigten Arbeiter u. s. w. Andrerseits wird auch der Angreifer Vortheile aus dieser Art von Ge¬ schützen ziehen können, z. B. gegen Ausfälle aus der Festung; zur Vorberei¬ tung eines Angriffs; zur Verhinderung der Wiederherstellung zerstörter Werke. Im See- und Küstenkriege erscheinen sie verwendbar gegen Lan¬ dungsboote und bereits gekantete Truppen; zur Säuberung des Decks feind¬ licher Schiffe, zur Fmcirung von Hafeneingängen, und endlich um Batterien zu passiren. Auch da sind sie anwendbar, wo der Raum so beengt ist, daß viele Gewehre nicht in Thätigkeit gesetzt werden können, also bet Aufruhr und Tumulten, in engen Straßen, usurpirter Städten u. s. w. Ist nun die Einführung dieser Maschinen vortheilhaft, da die Anwen¬ dung eine nur bedingte ist? Die Ansicht des Verfassers geht dahin, daß die neue Waffe Bedeuten¬ des leistet, aber Infanterie- und Artilleriefeuer niemals ersetzen kann. Jede Armee mag Vortheil von ihr ziehen, wenn die Beweglichkeit noch erhöht und eine angemessene, gehörig beschränkte und wohlbedachte Verwendung erprobt ist. Der nächste Krieg wird zeigen, ob diese Erfindung eine Zu¬ kunft hat, oder ob sie nur eine ephemere Erscheinung gewesen ist. Ob aber der Mitrailleur dem Gatling vorzuziehen sei, können schwerlich die Friedensversuche entscheiden, da bei denselben vor jedem Schusse die sorg¬ fältigste Reinigung, Justtrung, Oelung vorgenommen wird. Holland, Rußland. Italien und die Schweiz neigen sich dem Mitrailleur zu. Definitiv eingeführt ist er in Frankreich und Nußland (tü Batterien). —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/310>, abgerufen am 28.09.2024.