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Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band.

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des beweglichen Schützen. Handelt es also sich um feststehende Ziele,
so haben die neuen Gewehre große Vortheile; aber auch nur in diesem Falle
kann davon die Rede sein, daß die Jnfanteriekanonen eine bestimmte Anzahl
Jnfanteristen (20--30 Mann) ersetzen können. Was zum Ersatz einer ganzen
Compagnie 12 bis 13 Revolvergeschütze mit gegen 50 Pferden und circa
40 Bedienungsmannschaften erfordern würde. Vor beweglichen Zielen
stehen sie gegen die Jnfanteriegewehre im Nachtheil, und da der Infanterist
überall im Terrain gewandter ist, und mehr Deckung findet als jene Ma¬
schinen sammt der Bedienung, und da ferner das Feuer der Revolvergeschütze
vor Allem bei weitem nicht so schnell außer Wirksamkeit gesetzt werden
kann, so muß entschieden in dieser Beziehung dem Jnfcmteriefeuer der Vor¬
zug eingeräumt werden.

Das gilt namentlich von dem Mitrailleur. -- Die Gatling-Geschütze
mit dem so überaus wirksamen Kartätschenschuß; mit ihrer schwerfälligerem Be¬
weglichkeit lassen sich eher mit Feldgeschützen als mit Jnfanteriegewehren in
Vergleich stellen; die Nachtheile, welche die Gatling-Geschütze bei diesem
Vergleiche erweisen, bestehen namentlich darin, daß sie 1) der größeren Wir¬
kungsweite, 2) der Brandwirkung, 3) der zur Zerstörung todter Ziele nöthi¬
gen Durchschlagskraft (gegen Mauern, Barrikaden u. s. w.) entbehren.

Die Vortheile dagegen erhellen aus: 1) dem vorzüglicheren Kartätschen¬
schuß, 2) dem continuirlichen Feuer. 3) der besseren Streuung. Denn leicht
kann das Geschütz während des Schießens behuf des größeren Streuens der
Geschosse, nach allen Seiten hin gedreht werden. Was die specielle Ver¬
wendung der Jnfanteriekanonen anlangt, so steht fest, daß sie nicht überall
und unter allen Umständen, sondern nur in gewissen Gefechts¬
momenten verwendet werden können.

Durch die neue Erfindung soll zunächst Infanterie sowohl wie Artillerie er¬
setzt werden und zwar auf dem Desensiv-Felde. Unter einem geeigneten
Defensiv-Feld aber versteht man vor Allem ein Terrain, welches ein weites
Schußfeld erweist. Hier aber vermag die Artillerie ihre Feuerwirkung zu er¬
proben, und Mitrailleur oder Gatling werden dieselbe nicht auf die gleiche
Weite erwidern können. Nähert sich aber der Feind bis auf sichere Ge¬
wehrschußweite, dann genügt Infanterie auf beiden Seiten, und die Jnfan¬
teriekanonen erscheinen überflüssig.

Im Feldkriege wird man sie daher nur da anwenden, wo es sich um
Vertheidigung von Positionen handelt, welche eine größere Entfaltung von
Feuerwaffen nicht zulassen. Ferner um dem zurückgeschlagenen Feinde noch
möglichsten Schaden zuzufügen, und im Falle eines Rückzuges das zu hef¬
tige feindliche Nachdringen zu verhindern. Dagegen sind sie für Truppen,
welche In der Avantgarde marschiren, wegen der zu geringen Wirkungsweite


des beweglichen Schützen. Handelt es also sich um feststehende Ziele,
so haben die neuen Gewehre große Vortheile; aber auch nur in diesem Falle
kann davon die Rede sein, daß die Jnfanteriekanonen eine bestimmte Anzahl
Jnfanteristen (20—30 Mann) ersetzen können. Was zum Ersatz einer ganzen
Compagnie 12 bis 13 Revolvergeschütze mit gegen 50 Pferden und circa
40 Bedienungsmannschaften erfordern würde. Vor beweglichen Zielen
stehen sie gegen die Jnfanteriegewehre im Nachtheil, und da der Infanterist
überall im Terrain gewandter ist, und mehr Deckung findet als jene Ma¬
schinen sammt der Bedienung, und da ferner das Feuer der Revolvergeschütze
vor Allem bei weitem nicht so schnell außer Wirksamkeit gesetzt werden
kann, so muß entschieden in dieser Beziehung dem Jnfcmteriefeuer der Vor¬
zug eingeräumt werden.

Das gilt namentlich von dem Mitrailleur. — Die Gatling-Geschütze
mit dem so überaus wirksamen Kartätschenschuß; mit ihrer schwerfälligerem Be¬
weglichkeit lassen sich eher mit Feldgeschützen als mit Jnfanteriegewehren in
Vergleich stellen; die Nachtheile, welche die Gatling-Geschütze bei diesem
Vergleiche erweisen, bestehen namentlich darin, daß sie 1) der größeren Wir¬
kungsweite, 2) der Brandwirkung, 3) der zur Zerstörung todter Ziele nöthi¬
gen Durchschlagskraft (gegen Mauern, Barrikaden u. s. w.) entbehren.

Die Vortheile dagegen erhellen aus: 1) dem vorzüglicheren Kartätschen¬
schuß, 2) dem continuirlichen Feuer. 3) der besseren Streuung. Denn leicht
kann das Geschütz während des Schießens behuf des größeren Streuens der
Geschosse, nach allen Seiten hin gedreht werden. Was die specielle Ver¬
wendung der Jnfanteriekanonen anlangt, so steht fest, daß sie nicht überall
und unter allen Umständen, sondern nur in gewissen Gefechts¬
momenten verwendet werden können.

Durch die neue Erfindung soll zunächst Infanterie sowohl wie Artillerie er¬
setzt werden und zwar auf dem Desensiv-Felde. Unter einem geeigneten
Defensiv-Feld aber versteht man vor Allem ein Terrain, welches ein weites
Schußfeld erweist. Hier aber vermag die Artillerie ihre Feuerwirkung zu er¬
proben, und Mitrailleur oder Gatling werden dieselbe nicht auf die gleiche
Weite erwidern können. Nähert sich aber der Feind bis auf sichere Ge¬
wehrschußweite, dann genügt Infanterie auf beiden Seiten, und die Jnfan¬
teriekanonen erscheinen überflüssig.

Im Feldkriege wird man sie daher nur da anwenden, wo es sich um
Vertheidigung von Positionen handelt, welche eine größere Entfaltung von
Feuerwaffen nicht zulassen. Ferner um dem zurückgeschlagenen Feinde noch
möglichsten Schaden zuzufügen, und im Falle eines Rückzuges das zu hef¬
tige feindliche Nachdringen zu verhindern. Dagegen sind sie für Truppen,
welche In der Avantgarde marschiren, wegen der zu geringen Wirkungsweite


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[0309] des beweglichen Schützen. Handelt es also sich um feststehende Ziele, so haben die neuen Gewehre große Vortheile; aber auch nur in diesem Falle kann davon die Rede sein, daß die Jnfanteriekanonen eine bestimmte Anzahl Jnfanteristen (20—30 Mann) ersetzen können. Was zum Ersatz einer ganzen Compagnie 12 bis 13 Revolvergeschütze mit gegen 50 Pferden und circa 40 Bedienungsmannschaften erfordern würde. Vor beweglichen Zielen stehen sie gegen die Jnfanteriegewehre im Nachtheil, und da der Infanterist überall im Terrain gewandter ist, und mehr Deckung findet als jene Ma¬ schinen sammt der Bedienung, und da ferner das Feuer der Revolvergeschütze vor Allem bei weitem nicht so schnell außer Wirksamkeit gesetzt werden kann, so muß entschieden in dieser Beziehung dem Jnfcmteriefeuer der Vor¬ zug eingeräumt werden. Das gilt namentlich von dem Mitrailleur. — Die Gatling-Geschütze mit dem so überaus wirksamen Kartätschenschuß; mit ihrer schwerfälligerem Be¬ weglichkeit lassen sich eher mit Feldgeschützen als mit Jnfanteriegewehren in Vergleich stellen; die Nachtheile, welche die Gatling-Geschütze bei diesem Vergleiche erweisen, bestehen namentlich darin, daß sie 1) der größeren Wir¬ kungsweite, 2) der Brandwirkung, 3) der zur Zerstörung todter Ziele nöthi¬ gen Durchschlagskraft (gegen Mauern, Barrikaden u. s. w.) entbehren. Die Vortheile dagegen erhellen aus: 1) dem vorzüglicheren Kartätschen¬ schuß, 2) dem continuirlichen Feuer. 3) der besseren Streuung. Denn leicht kann das Geschütz während des Schießens behuf des größeren Streuens der Geschosse, nach allen Seiten hin gedreht werden. Was die specielle Ver¬ wendung der Jnfanteriekanonen anlangt, so steht fest, daß sie nicht überall und unter allen Umständen, sondern nur in gewissen Gefechts¬ momenten verwendet werden können. Durch die neue Erfindung soll zunächst Infanterie sowohl wie Artillerie er¬ setzt werden und zwar auf dem Desensiv-Felde. Unter einem geeigneten Defensiv-Feld aber versteht man vor Allem ein Terrain, welches ein weites Schußfeld erweist. Hier aber vermag die Artillerie ihre Feuerwirkung zu er¬ proben, und Mitrailleur oder Gatling werden dieselbe nicht auf die gleiche Weite erwidern können. Nähert sich aber der Feind bis auf sichere Ge¬ wehrschußweite, dann genügt Infanterie auf beiden Seiten, und die Jnfan¬ teriekanonen erscheinen überflüssig. Im Feldkriege wird man sie daher nur da anwenden, wo es sich um Vertheidigung von Positionen handelt, welche eine größere Entfaltung von Feuerwaffen nicht zulassen. Ferner um dem zurückgeschlagenen Feinde noch möglichsten Schaden zuzufügen, und im Falle eines Rückzuges das zu hef¬ tige feindliche Nachdringen zu verhindern. Dagegen sind sie für Truppen, welche In der Avantgarde marschiren, wegen der zu geringen Wirkungsweite

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 29, 1870, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341811_123087/309>, abgerufen am 28.09.2024.